Donnerstag, 31. Dezember 2015

Integration – ein Zugpferd oder eine Walze?

Die Integration ist in aller Munde. So verlangen die einen, dass sich die Einwanderer integrieren, sonst drohen sie mit den Strafen, die anderen schimpfen: Das geht doch nicht, man kann die Eingliederung nicht erzwingen. Dazwischen sind wir – Ausländer, Migranten, Fremde, Eindringlinge, wie man uns auch immer nennen will.


                                                                         Fot. Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft 
                                                                        (IESM)  / pixelio.de

Das kleine große Wort


Wir – das kleine große Wort täuscht eine Einheit vor, wo es wenig Gemeinsamkeiten gibt.  Genauso wie hierzulande die unterschiedlichsten Deutschen leben, so finden sich auch allerhand Völker, Typen und Originale unter den Zugereisten.

Wer sind WIR also und wer seid IHR? Oder umgekehrt. Aber immer gibt es zwei  Seiten. Und eine Frontlinie. Das klingt nicht wirklich nach dem Willen, eins zu sein. Außerdem mischt sich noch die Kategorie „Nation“ hinzu. Obwohl sie einen historischen, geographischen oder statistischen Charakter hat und wenig für die Beschreibung der Wirklichkeit nützt. Es sei denn, man will die Spaltung zementieren und verhindern, dass sich das Fremde mit dem Eigenen vermischt.

Brauchen wir überhaupt die Integration?


Jeder soll doch nach seiner Fasson selig werden, hätte man sagen können, und den Nutzen der Integration verneinen. Das tue ich nicht. Von Anfang an gehöre ich zu den überzeugten Befürwortern. Es geht hier überhaupt nicht um die Frage, ob man für oder gegen Multikulti ist.  Das sind zwei verschiedene Spielwiesen. Der Multikulti-Begriff beschreibt lediglich die kulturellen Unterschiede. Im Grunde genommen gibt es sie überall, auch innerhalb von Deutschland.

Für mich ist die Integration gleich mit der Teilhabe zu setzen. Ohne Partizipation am gesellschaftlichen Leben gibt es keine Integration. Nochmals: Die Teilhabe bedeutet ein Teil dieser Gesellschaft zu sein – integriert zu sein, dazuzugehören.  Die Segregation ist das Gegenteil davon.

Verantwortung, verdammt!


In der aktuellen Situation - mit Massen von Flüchtlingen im Land - muss man zur Integration keine ernstzunehmende Partei überzeugen. Man streitet sich trotzdem darüber, wie sie vonstattengehen soll. Die CSU will die Peitsche schwingen und von den Einwanderern die Integration zwingend verlangen. Wie Heribert Prantl zutreffend bemerkt, es gibt zwei Seiten dieser Medaille: „Ein solcher Vertrag verpflichtet auch den Staat, das Seine zu tun.“ Ja eben! Ich würde noch einen Schritt weiter gehen und einfach behaupten, dass der Staat dazu verpflichtet ist, die richtigen Rahmenbedingungen für die Integration zu schaffen. Dafür muss der Staat die Verantwortung tragen, vor der er sich allerdings jahrzehntelang gedrückt hat.

Es ist also viel zu tun. Nicht nur die Fremden gibt es zu integrieren, sondern auch Menschen mit Behinderung, Hartz-IV-Empfänger, Homosexuelle usw.  Und die Bayern noch dazu (Scherz!). Die Integration ist die wichtigste politische und gesellschaftliche Aufgabe, sie ist ein Zugpferd und keine alles glatt machende Walze.


Samstag, 26. Dezember 2015

Was uns an Weihnachten heilig ist

Der weltweite Siegeszug von Weihnachten ist ein einzigartiges Phänomen. Das christliche Fest scheint sich dabei von seinem Ursprung - von der Religion - zu lösen und sich zu verselbständigen.  Menschen feiern um den Tannenbaum herum (oder seinen Ersatz), meist mit der Familie, beschenken die Kleinen und die Großen und kümmern sich kaum um die Idee dahinter. Weihnachten hat sich allmählich zu einem riesigen Geschäft entwickelt.



Status: es ist kompliziert


Darum geht es. Das Geld soll fließen. Je mehr, desto besser. Was für ein krasser Widerspruch zu den Hauptfiguren dieses wahr gewordenen Märchens! Übersetzt auf heutige Verhältnisse zelebriert man nämlich während Weihnachten absolute Versager: ein armes Paar, das gleich nach der Geburt als obdachlose Flüchtlinge weiter reisen muss. Die Frau bringt ein Kind zur Welt, dessen Vater nicht ihr aktueller Partner ist. Außerdem sind die beiden zwar verlobt, aber nicht verheiratet! Über den Status dieses Paares hätte man heutzutage also gesagt: es ist kompliziert. Die Geburt des nichtehelichen Kindes findet folglich in den Umständen statt, die dem gesellschaftlichen Rang von Maria und Josef entsprechen: in der Scheune. Das Kindlein hat kein Bett, es liegt in der Futterkrippe. Welche Mutter wünscht sich für den wichtigsten Tag ihres Lebens derartige Kulisse?

Heiliges Bild


Was ist die Moral dieser biblischen Geschichte? Zum einen könnte man bis zum Abwinken über das herrschende Bild der sogenannten Heiligen Familie lachen. Das Bild, das mit jenem Original nichts zu tun hat und das uns Heuchler und Fanatiker jeglicher Couleur aufzwingen wollen. Es passt wie der Igel zum Taschentuch. Aber die Verlogenheit und der Selbstbetrug halten sich hartnäckig. Viel interessanter ist jedoch die Frage nach dem Nutzen dieses Beschisses. Wer profitiert davon? Wieso wird die Kirche, und damit auch unsere Gesellschaft, auf einer Lüge aufgebaut? Ein Versuch darauf zu antworten, wäre die andere weitreichende Konsequenz der wahren Historie der Geburt Jesu. 

Aufgabe für die Mächtigen


Fassen wir jetzt das tatsächlich Heilige an der Weihnachtsgeschichte zusammen: Es ist nicht der Hochglanz-Schein, es sind die Armen, die in Not geratenen, die vom Leben nicht verschont wurden und die die Niederlagen, die Flucht und das Leid aus eigenen Erfahrungen kennen. 

Das Hauptereignis von Weihnachten -die Geburt Jesu - geht in der schlichtesten Umgebung vonstatten, wo ausschließlich das Wesentliche zählt. Dies wäre eine der möglichen Botschaften an uns: den Unterschied zwischen dem Wichtigen und dem Bedeutungslosen zu begreifen und danach zu handeln. 

Daraus muss sich die Aufgabe für die Mächtigen herleiten, die sich auf die christlichen Werte berufen. Nicht die Starken, die allein zurechtkommen, brauchen ihre Hilfe, sondern die Armen und die Schwachen.  Für jene tragen die Machthaber im weihnachtlichen Sinne die Verantwortung und dürfen sich davon nicht billig ausreden.

Daher erkläre ich hiermit jede Regierung, die vor dem Problem der Armut einknickt und statt es zu lösen, die Hilflosen wie eine Weihnachtsgans ausnimmt, als gescheitert. 

Montag, 7. Dezember 2015

Die Mächtigen und ihre Macht

Die Mächtigen wollen mächtig bleiben. Egal, um welches System es sich handelt. Sie alle kleben an der Macht. Mit dieser Seuche sind nicht nur die Großen dieser Welt infiziert. Jeder noch so kleiner Posten wird verbissen verteidigt. Es ist dabei unerheblich, ob der Gegner eine wirkliche oder lediglich eine imaginäre Bedrohung darstellt. Die Mächtigen wittern stets eine Gefahr. Obwohl man eher sie selbst  als ein Risiko für ihre Umwelt darstellen sollte. „Wer Macht bekommt, glaubt eher, sich um des eigenen Vorteils willen über Regeln und Umgangsformen hinwegsetzen zu dürfen“, sagt dazu der Psychologe Prof. Michael Schmitz.




Die Frage nach dem Grund


Wieso streben Menschen nach Macht? Des Geldes, des Einflusses wegen? Bestimmt ist das eine von vielen möglichen Antworten. Aber auch die Idealisten mit ihren hehren Zielen interessieren sich für die Macht. Weil sie auf diesem Weg ihr anspruchsvolles Programm durchsetzen können. Fatalerweise zieht sie ebenfalls die unzähligen gemeingefährlichen Kreaturen an. Jene, die die Welt als ihren persönlichen Spielplatz betrachten, wo sie schalten und walten wollen, wie es ihnen gefällt. Im Allgemeinen ist es schwer, die Motive hinter den Handlungen auf den ersten Blick zu erkennen.

Macht – eine harte Droge


Die Macht scheint auf die, die sie ausüben, wie eine Droge zu wirken. Die Mächtigen werden zu Süchtigen und wie die Süchtigen wollen sie immer mehr von ihrem „Stoff“ bekommen. Und genauso wie bei den Drogenkranken verändert der „Stoff“ ihre Persönlichkeit. Die einen heben ab, die anderen rasten aus und noch welche finden Spaß daran, ihre Mitbürger zu demütigen. Was ist aber der Wirkstoff darin? Die Kontrolle über die Menschen? Die Gewissheit, ihr Leben beeinflussen zu können? Zu befördern oder zu zerstören? Sich mal wie ein Gott zu fühlen?

Im Zentrum des Orkans


Brechen wir jetzt die allgemeinen Erwägungen auf die alltäglichen Arbeitssituationen herunter und blicken ins Zentrum des Orkans, was heißt – in die Augen der Chefin oder des Chefs. Meine These lautet: Je geringer die Kompetenz, desto ungemütlicher die Person. Umso mehr greift sie zu üblen Methoden, damit sie ihre Position behalten kann. Ihre Energie widmet sie weniger einer effizienten Arbeit der Untertanen, vielmehr beschäftigt sie sich mit dem Bekämpfen der potenziellen Konkurrenten. Denn die Erhaltung der Macht ohne Befähigung für diese Aufgabe ist eine sehr aufreibende Tätigkeit.

Dennoch hält sich mein Mitleid in ausgesprochen engen Grenzen. Gewiss gehört das Leiten von Menschen ausdrücklich nicht zu leichten Angelegenheiten – wie überhaupt jede Situation, in der wir über einen Menschen entscheiden -, dennoch finde ich keine Entschuldigung für den Missbrauch der Macht, der in den wenigsten Fällen vor Gericht landet. Vielleicht, weil wir alle unsere Erfahrungen in diesem Spiel sammeln, zum Beispiel in einer Liebesbeziehung, wo die Kraftproben ebenso geschehen. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Montag, 23. November 2015

Dafür oder dagegen: wie wir unsere Meinung meinen

Ich habe meine Meinung. Ich ändere sie auch. Wenn die Situation sich verändert. Oder ich. Zum Beispiel zu Merkel. Ich hätte nie vermutet, dass sie in der Flüchtlingskrise so viel Rückgrat zeigen wird. Von ihrer überzeugten Gegnerin, bin ich deshalb zur genauso überzeugten Befürworterin geworden. Ich schäme mich nicht deswegen. Nur eine Kuh ändert ihre Meinung nicht. Die Menschen schon. Sonst wäre keine Diskussion möglich. Wir wollen unsere Position vertreten, sind aber dabei bereit, die Gegenargumente wenigstens zu überlegen und einen Kompromiss zu schließen. Von unserem Standpunkt also abzuweichen.

Ich glaube an Menschen. Immer noch. Ich glaube, dass sie lernfähig sind. Dass sie aus den Erfahrungen lernen und folglich Konsequenzen ziehen. Vielleicht nicht sofort und nicht so spektakulär wie vom Saulus zum Paulus. Dennoch bin ich überzeugt, dass das Erlebte uns formt und verformt: mal zum Guten, mal zum Schlechten.



Meinen wir unsere Meinung?


Die wichtigste Eigenschaft der Meinungen ist für mich ihre Eigenständigkeit. Dass sie von einem Menschen selbst getroffen und nicht auf irgendeine Art erzwungen wurden. Dass sie frei sind. Ja, ganz schön naiv. Auf dieser Stelle will ich erwähnen, dass die Naivität jene charakterliche Unzulänglichkeit ist, die Karl Marx bereit war, am schnellsten zu verzeihen.

Mit dem Segen vom Papa Marx sinniere ich also weiter über die Selbständigkeit unserer Meinungen. Sie entstehen nicht in einem Vakuum. Wir lassen uns ständig beeinflussen: im besten Fall von Personen und Medien unserer Wahl. Wir hören auf die Argumente der Vernunft oder unser Bauchgefühl. Meinen wir jedoch wirklich das, was wir als unsere Meinung äußern?  

Teamgeist oder Netzgehorsam 


Ein gutes Team besteht aus unterschiedlichen Individuen, die sich in ihrer Verschiedenheit respektieren.  Sie haben ein gleiches Ziel, was nicht bedeutet, dass sie sich auch außerhalb ihrer Aufgabe angleichen müssen. Teamfähigkeit bedeutet für mich nichts anders als die Fähigkeit zum würdevollen Umgang mit den anderen, die anders denken und ticken. Im Idealfall. 

In einer Gruppe entwickeln sich Ambitionen und entstehen Kräfte, die sich in einer breiten Palette der Prozesse von der Gruppendynamik bewegen. Abhängig von den Machtverhältnissen, die sich etablieren, wird die Gruppe das selbständige Denken fördern oder bekämpfen. 

Diese Phänomene kann man auch im Netz beobachten. So bilden sich in den verschiedenen sozialen Medien Gruppen, die von ihren Mitgliedern explizit oder implizit Gehorsam erwarten oder verlangen. Nach diesem Prinzip funktionieren beispielsweise die Shitstorms. Bei den Themen, die die Gemüter erhitzen, geben die „Rudelführer“ die Parole aus und erzeugen Druck, in der Aktion mitzumachen. Nach dem Motto: Wer nicht dabei ist, der ist gegen uns. Es handelt sich hier um keine Abstimmung, sondern um einen Sog.  Der neueste Fall des Shitstorms nach der ESC-Nominierung von Xavier Naidoo zeigt, dass sich diesem Druck sogar die Entscheidungsträger der Fernsehanstalt beugen.  

Sonntag, 1. November 2015

Ordnung auf dem Markt oder Regeln ohne Regeln

Wollen wir uns wirklich an die Regeln halten? Wir verlangen grundsätzlich, dass die anderen dies tun und empören uns, wenn dies nicht der Fall ist. Wie im Straßenverkehr: Soll eine/einer bloß versuchen, sich so zu verhalten, wie wir selbst!

                                                                                                                       Lupo  / pixelio.de

Markt im Mittelpunkt


Was wäre das für ein Leben ohne Regeln, wenn wir uns ausschließlich um unsere Wünsche gekümmert hätten, ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf die anderen. Der Mensch wird zum Menschen  nur unter den Menschen. Wir sind soziale Wesen.

Eine Gemeinschaft kann nicht ohne Regeln existieren. Wir brauchen eine Ordnung. Am besten eine, die an die Menschenrechte angelehnt ist. Wie die unsere? Da habe ich meine großen Zweifel. Die Gesetze, die für alle gelten sollen, können wir zwar verlangen und sogar auf dem Papier bekommen. Dennoch klaffen die Theorie und die Praxis zu oft auseinander. Unsere Demokratie, durch den Markt definiert, hält im Grunde nicht besonders viel von gleichen Rechten. Nicht der Mensch mit seinen Rechten steht im Mittelpunkt, sondern… der Markt selbst.

Druckmittel Hartz IV


Der Markt benötigt ein Druckmittel, damit die Menschen ihre Arbeitskraft unter ihrem Wert verkaufen und sich wie eine Zitrone auspressen lassen. Weil wir in einem zivilisierten Land leben, erfahren wir ein ziemlich zivilisiertes Druckmittel: Seit über 10 Jahren heißt es Hartz IV. Der gnädige Staat lässt den Empfängern Beträge zukommen, die vorm Sterben zwar schützen, zum Leben aber nicht reichen. 

Hartz IV ist ein ideologisches Produkt des Marktes (von den Steuerzahlern allerdings finanziert), das eine soziale Leistung lediglich vortäuscht. Kein Wunder, dass die Wirtschaft es lobt. Die Angst vor dem hoffnungslosen Vegetieren diszipliniert die Arbeitskräfte besser, als jede bisherige Androhung. Wer in Hartz IV abrutscht, kommt nicht mehr heraus. Die Maßnahmen, die die Empfänger angeblich daraus holen sollen, wirken überhaupt nicht. Hätte ein Arbeiter derartig erfolglose Arbeit geleistet, würde er eine Probezeit nicht überstehen. Die erfolglosen staatlichen Institutionen dagegen bestehen nach wie vor: Ihre Aufgabe müsse demnach nicht heißen, die Hartz-IV-Empfänger in Arbeit zu bringen, sondern sie dem Markt vom Hals zu halten. Man soll Hartz IV als eine Art Strafkompanie verstehen, wobei die Strafe lebenslänglich dauern soll.


Wer regiert hier eigentlich? Wirtschaft pfeift, Ministerium muss tanzen


Dass die Wirtschaft uns zeigen soll, wo es lang geht, sei fundamental, sonst könne man nichts verteilen – behaupten die Befürworter des schwachen zurückgezogenen Staates. Der Markt wird schon richten. Tut er aber nicht, antworten die Gegner dieses Konzepts und die Fürsprecher eines starken alles entscheidenden Staates. 

Wo befinden wir uns auf der Skala zwischen diesen zwei Extremen? Ich behaupte, dass wir verdammt nah der Wirtschafts-Autokratie sind.  Beweise gefällig? Ich nenne hier zwei ungleiche, aber symptomatische Beispiele: 

1. Die geheimen Lobbyisten, die einen uneingeschränkten und unkontrollierten Zugang zum Parlament haben. Der Bundestag weigert sich nach wie vor, die vollständigen Listen zu veröffentlichen. Weil er sich nicht seinen Wählern, die die Transparenz verlangen, sondern der Wirtschaft verpflichtet fühlt? 

2. Und noch ein kleines aber durchaus spektakuläres Beispiel der Macht der Wirtschaft: In der Schriftenreihe „Themen und Materialien“ der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) erschien der Band „Ökonomie und Gesellschaft“. 

Ob diese Lektüre spannend oder nicht ist, erfahren wir nicht, weil das Bundesministerium des Innern den Vertrieb dieser Publikation vorläufig verboten hat. Und zwar auf Initiative der Arbeitgeberverbandes (BDA)! Den Arbeitgebern haben es weder die kritische Perspektive auf wirtschaftspolitischen Lobbyismus noch alternative wirtschaftliche Ansätze gefallen. Dies hat für das Verbot gereicht, das Ministerium reagierte sofort.

Sonntag, 18. Oktober 2015

Scheißthema: Rassismus

Unterwegs in der Stadt muss man manchmal aufs stille Örtchen. Dann stürmt man möglicherweise in ein Geschäft herein und fragt mehr oder weniger gequält nach einer Toilette. Schon drinnen sitzend erfährt man plötzlich dank lieben Leidensgenossinnen – es bildet sich sofort eine Schlange -, dass in der zweiten Kabine die Schüssel  verstopft ist.



Kein Wunder, dass ich mich in dieser Situation unter Druck im doppelten Sinne des Wortes fühle. Eine laute Stimme glaubt Bescheid über die Gründe des Malheurs zu wissen: „Unsere ausländischen Mitbürger kennen das vielleicht nicht und werfen hinein, was dort nicht hingehört.“ Während mein Blutdruck steigt und ich mir eine Erwiderung überlege, mit der ich die Tür aufmachen will, ertönt ebenso kräftige Stimme: „Wieso Ausländer? Es sind einfach Menschen, egal ob Chinesen, Türken oder Nigerianer.“ Ok, denke ich beruhigt, dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen, die Deutschen machen es unter sich aus, und lausche der Antwort der hartnäckigen Anklägerin: „Die ausländischen Mitbürger bringen ihre Kultur mit, danach sieht es so wie hier aus.“

An der Schlange vorbei steuere ich wortlos zum Waschbecken und blicke in das Gesicht der „Klofrau“, das dunkler ist, als jede Urlaubsbräune, ein Gesicht, das den Migrationshintergrund erkennen lässt. Sie war es, die im perfekten Deutsch und selbstbewusst die Menschenrechte auf der mehr oder weniger öffentlichen Toilette anmahnte. Wer die Ausländer-Anklägerin ist, interessiert mich nicht mehr.

Die Zugereisten und das Grundgesetz 


An keinem Ort entgehen wir diesem Thema. Es erhitzt die Gemüter und bringt die sonst besonnen Mitmenschen um den Verstand. Und trotzdem führen wir keine ernsthafte Debatte darüber. Es gibt Straßenkämpfe und mehr oder weniger öffentliche  Statements, es gibt unzählige Projekte und  kluge Abhandlungen darüber. Das alles ersetzt aber nicht eine gesellschaftliche Diskussion, in der die Bürger dieses Landes – die deutschen und die ausländischen – das Thema gründlich miteinander durchdeklinieren: Wie wir hier im Alltag und Feiertag damit umgehen wollen, sollen und dürfen oder müssen.

Die Angst vor derartiger Auseinandersetzung ist durchaus berechtigt. Die Trennlinie verläuft keineswegs nach dem einfachen Prinzip: hier Freund, dort Feind; auch wenn man manchmal diesen Eindruck gewinnen kann, in Anbetracht der verhärteten Fronten und der ausgetragenen Kämpfe, über die Köpfe der Betroffenen hinweg.

Nur für die kleinen Kinder scheint es diesbezüglich kein Problem zu geben: Sie haben nämlich noch nicht gelernt, dass man die anderen wegen seiner Herkunft oder Hautfarbe diskriminieren kann. Erst irgendwann im Laufe der sogenannten Erziehung oder der sogenannten Sozialisation werden sie lernen, dass es gleiche und gleichere gibt, dass man von den Zugereisten verlangt: "Sie müssen bitte schön das Grundgesetz akzeptieren und verinnerlichen", welches man als Einheimischer tagtäglich ignorieren und verletzen darf.

Rassismus und Kartoffeln


Der Rassismus fußt auf einer Lüge, dass man Menschen wie Kartoffeln sortieren und klassifizieren und ihren Wert a priori – ohne ihr eigenes Zutun - festsetzen  kann. Unter der Bedingung, dass man am längeren Hebel sitzt.

Der Rassismus verzerrt nicht nur das Bild der Wirklichkeit, sondern verfälscht die gesellschaftlichen Verhältnisse, höhlt das Leistungsprinzip aus und zerstört gründlich das Prinzip der Gerechtigkeit. Der Rassismus will das Recht des Stärkeren durchsetzen und damit ein Rechtsstaat vernichten.

Wenn man ihn einfach  wie auf der Toilette runterspülen könnte!

Sonntag, 11. Oktober 2015

Mut und Unmut über die neue alte Merkel

Wir lieben Gauner und misstrauen den Heiligen. Der beste Beweis für meine These sind die Einbußen, die Merkel in den letzten Umfragen erlitt.  Sie tut das richtige im christlichen Sinne, sie zeigt endlich Charakter in der Flüchtlingskrise und bezahlt dafür einen politischen Preis. Wie hoch er ist, wird sich bei den nächsten Wahlen zeigen.



„Wir schaffen das“


Ihre riesige Popularität im eigenen Land beruhte bis jetzt auf der allgemeinen Überzeugung, dass sie eine durchschnittliche Person sei, zu den kleinen politischen Schweinereien stets bereit, und immer mit dem Strom schwimme. Anders gesagt, sie war wie wir: keine Heldin, sondern eine Überlebenskünstlerin, wie jede und jeder von uns, die sich im Alltag behaupten müssen. 

Und auf einmal wächst sie über sich hinaus. Auf einmal spricht sie über einzelne Personen mit ihren Einzelschicksalen, die zu uns kommen, und nicht über gleichförmige Massen. Sie wirkt dabei mutig, beinahe heroisch. 

Ihre früheren Fans stellt sie dadurch auf eine harte Probe. Ist das noch die gleiche Person, die ihre begeisterten Anhänger so gut verstanden haben? Was will sie überhaupt von uns, wenn sie uns die deutsche Version von „Yes, we can“ zuruft?

Gegenwind und ein neues Gefühl


Ihr Wandel beschert Merkel zwar neue Sympathisanten, dies sind aber keine überwältigenden Zahlen, über die wir hier sprechen. Außerdem kommt die Unterstützung oft aus der Opposition, was ihr politisch wenig nutzt. Merkel lernt eine neue Erscheinung kennen: den Gegenwind aus den eigenen Reihen. Dadurch kann sie ein kleines bisschen das Gefühl, einer Minderheit zu gehören, nachvollziehen. 

Die Kategorie der Minderheit ist ein sehr dehnbarer Begriff. Da lässt sich vieles reinpacken und auch abkanzeln, als nicht relevant oder sogar entbehrlich. Eine Demokratie schützt theoretisch die Minderheiten, indem sie die Benachteiligung verbietet. In der Praxis haben die Stärken das Recht, egal worum es geht. Die Starken das sind natürlich diejenigen, die den Ton angeben - die Mehrheit also. 

Mitläufer und die Demokratie


Jene Mehrheit besteht nicht unbedingt aus den überzeugten Befürwortern einer Politik. Meist handelt es sich um Mitläufer, die die Vorgänge in der Realität bestimmen. Dies sind Menschen, die sich dem Starken unterordnen und eigene Vorteile daraus erzielen wollen.  Ohne sie hätte keine Diktatur existieren können. Sie scheren sich einen Dreck um die Werte und Moral, dennoch machen sie sich ihre Hände nicht schmutzig. Sie sind keine Verbrecher, aber sie ermöglichen das Verbrechen.  

Darf man jedoch über Mitläufer in einer Demokratie sprechen? Wieso nicht? Sie sind in jedem System vertreten und kleben an den Machthabern wie Scheiße am Schuh. Die neue Merkel verstört diese Sorte von Wählern. Hoffentlich - für sie und für uns -auf Dauer.

Montag, 5. Oktober 2015

Kinder, Kinder

Kleine Kinder sind unermüdliche Forscher und Entdecker. Sie lernen die Welt mit allen ihren Sinnen leidenschaftlich kennen. Dann kommen sie in die Schule…



Hilflose Schule


Über den Schuleingang hätten große Buchstaben des Schriftzugs „ANPASSUNG“ hängen müssen, weil man von den Kindern eben dies auf der ersten Stelle verlangt. Die kleinen Quälgeister sollen sich in die herrschende Strukturen, in das System einfügen. Ihre eigenen Bedürfnisse und ihre Entwicklung scheinen nicht von Bedeutung zu sein.

Vom ersten Schultag an trainieren Kinder ihr Sitzfleisch. Obwohl diese Praxis alles andere als gesund ist und die Wissenschaftler seit Jahrzehnten für die Kleinen einen kurzen – unter 30 Minuten - Unterricht verlangen

Ordnung muss sein? Die Schule ist aber kein Ort der Ordnung, sondern der absoluten Anarchie. Sie sperrt ihre Schüler zwangläufig für den größten Teil des Tages ein und weigert sich gleichzeitig, die Erziehungsverantwortung zu übernehmen. „Das ist nicht unsere Aufgabe“, hört man dazu. Wessen denn sonst? So zeigt sich die Schule völlig hilflos gegen die unerfreulichen Strömungen, Tendenzen und Mobbing, die unter den Schutzbefohlenen auftreten.  

Koks für Kids


Die Pharmaindustrie geht der Schule zur Hand und betäubt massenhaft die von Natur aus lebhaften Wesen. Tonnenweise verschreiben die Ärzte – ihr Gewissen steht ihnen währenddessen, wie man sieht, nicht im Wege - ihren kleinen Patienten die Droge Ritalin. In einem Land, wo das Marihuana verteufelt wird, verabreicht man ohne zu zögern den Kindern einen viel härteren Stoff, vergleichbar mit Kokain, Morphium oder Amphetamin. Und niemand bestraft die dafür verantwortlichen Verbrecher. Was wollen diejenigen erreichen, die in den Kindern das Menschliche auf diese Weise töten? 

Primitive Konkurrenz 


Was für eine Zukunft bereiten wir den Kinder vor? Und was für eine Zukunft erschaffen einmal jene Kinder, die von der Gesellschaft zu den gefühllosen Robotern gemacht werden?

Angesichts auch der vielen Flüchtlingskinder, die hier bleiben und leben werden, wäre es wichtig, sich die Klarheit über die Verantwortung für ihre Entwicklung zu verschaffen. Wenn man die Eltern als die einzigen Zuständigen sehen will, müsste man vor allem die Schulpflicht abschaffen. Solange dies nicht der Fall ist, trägt der Staat für sie auch die Verantwortung.

Die Erziehung der Kinder ist keineswegs eine ausschließlich private Angelegenheit der Eltern. Vielmehr ist es eine gesellschaftliche Aufgabe. Wie verträgt sich aber diese These mit dem Prinzip der Konkurrenz in ihrer primitiven Auffassung als Bekämpfung des Schwächeren?

Sonntag, 27. September 2015

Das Spiel mit den Wörtern

Dass der Klang von der Bedeutung ziemlich unabhängig ist, wird jedem klar, der einer unbekannten fremden Sprache lauscht. Es sieht nach einem Geheimcode für die Eingeweihten aus. Die Außenstehenden kapieren nichts davon. Vereinfacht kann man also sagen, dass der Sinn als eine Art Vereinbarung zwischen den Sprechenden entsteht.



Über die Sprache herrschen?


Der Klang oder die Schrift – das Transportmittel des ursprünglichen Klanges – sie verlieren den Bezug zur Bedeutung manchmal auch in der durchaus bekannten Sprache. So geschieht unter anderem in den Diktaturen, wo die Wörter ihre Bedeutung loswerden und in ihr Gegenteil verkehren: So beispielsweise darf man keineswegs daran glauben, dass „Freiheit“ dort wirklich Freiheit bedeutet, oder „Würde“ einem Menschen zusteht. 

Die Tyrannen bemühen sich genauso wie über die Menschen auch über die Sprache zu herrschen und steuern auf verschiedene Weise ihren Gebrauch. Die Medien dürfen lediglich Inhalte verbreiten, die mit der Wirklichkeit kaum etwas zu tun haben. Verstöße gegen diese Regel werden hart bestraft. Die Meister der Sprache - Schriftsteller und Dichter - dürfen sich nur in engen Grenzen bewegen. Verletzen sie jene Grenzen, riskieren sie wie Ossip Mandelstam ihr Leben. Er landete wegen eines kurzen Gedichts über Stalin im Gulag. Die ersten Zeilen beschreiben sehr gut das Klima in einer Diktatur: 

„Wir Lebenden spüren den Boden nicht mehr,
Wir reden, dass uns auf zehn Schritt keiner hört,
Doch wo wir noch Sprechen vernehmen, –
Betrifft's den Gebirgler im Kreml.
Seine Finger sind dick und, wie Würmer, so fett,
Und Zentnergewichte wiegts Wort, das er fällt“

Macht des Wortes


Es ist schon tragikomisch, dass eben Despoten der Sprache diese Bedeutung beimessen, die sie wirklich verdient. Man könnte sagen, dass die Diktatoren ihre Richtschnur aus der Bibel übernommen hätten: „Im Anfang war das Wort.“ Einerseits glauben sie sozusagen religiös, dass ihre Reden Fakten schaffen, anderseits fürchten sie außergewöhnlich die Macht der Sprache von ihren Gegnern. Sie spüren, dass die Sprache ein unglaubliches Phänomen ist.

Unbändig und ungezügelt reißt sie uns mit oder langweilt mit Gemeinplätzen. Sie dringt tief in die Seele hinein oder rutscht gleichgültig die Oberfläche hinunter. Die Herrscher haben Angst besonders vor ihrer Fähigkeit das Verborgene zu entlarven: Schummeleien, Lügen, Verbrechen. Sie kann mehr offenbaren, als sich der Redner oder Schreiber je gewünscht hätte.

Internet als Mitspieler


In einem demokratischen Land wie Deutschland gibt es keine Schranken für das Spiel der Wörter und alles darf gesagt und geschrieben werden. Die Zensur existiert nicht und eine Meinung wird nicht mit harten Strafen belegt. 

An diesem Idealbild entdecken wir aber ohne große Mühe viele Risse. Die Zensur haben wir mitnichten begraben, sie lebt nach wie vor und zwar gut. Kein Amt ist nötig für die Zensur in den Köpfen der übervorsichtigen Chefredakteure, die die Information durch die Propaganda ersetzen, weil sie sich vor den Eigentümern der Medienkonzerne rechtfertigen müssen. 

Außerdem spielen eine große Rolle die Konventionen – was man sagen darf oder nicht, wenn man dazu gehören will. Damit meine ich die Kreise, die auf verschiedenen Ebenen die Entscheidungen treffen. In diesen geschlossenen Gesellschaften verständigt man sich im eigenen Jargon.  

In den 90er Jahren kam das Internet als ein Mitspieler mit seinen vielen Kommunikationsmöglichkeiten von den noch Unbeteiligten hinzu und wirbelt seitdem das Gewohnte und das auf den höheren Etagen Abgesegnete ganz schön durcheinander. Und das ist gut so. Auch damit der Klang mit der Bedeutung endlich übereinstimmt.

Montag, 14. September 2015

Der Wert des Menschen

Politiker berufen sich gerne in ihren Reden auf die europäischen Werte, wobei sie jene Werte selten konkret formulieren. Im Allgemeinen kann man dennoch annehmen, es geht um eine Mischung aus dem christlichen Erbe und dem Nachlass der Französischen Revolution mit den Menschenrechten obendrauf. Der Mensch soll unbedingt groß geschrieben werden.

In den Zeiten der Globalisierung rechtfertigen gleichzeitig unfähige Politiker jede Sauerei mit den Zwängen dieses Prozesses und schneiden sich auf diese Weise ins eigene Fleisch: Wenn die Globalisierung alles regelt, wozu braucht man noch solche ohnmächtigen Politiker?



Massen und Kollateralschäden 


Das Denken in Kategorien von Massen beherrscht allerdings alle politischen Bühnen, unabhängig von den bestehenden Systemen. Die Machthaber aller Couleur verlieren den Menschen, das Individuum aus dem Blick. Um an die Macht zu gelangen, brauchen sie eben die Mengen, daher nehmen sie die einzelnen Kollateralschäden in Kauf. 

Das sind totalitäre Denkmuster, die auch die Demokratien übernehmen. Diejenigen, die für die Wahlen nicht von Bedeutung sind, kommen unter die Räder. Politiker kalkulieren wie Händler, was sich für sie lohnt und was nicht. Es ist keine Erfindung von Merkel, die Fahne nach dem Wind zu hängen.

Vorgetäuschte Demokratie


Ein Einzelschicksal zählt anscheinend gar nichts: daran sollen wir glauben und selbst die ganze Verantwortung und die Schuld übernehmen. Arbeitslos? Nicht gut genug für den Arbeitsmarkt. Ungerecht von den Ämtern behandelt? Tja, Pech gehabt. Dieses System, das die Demokratie gekonnt vortäuscht, schreibt die angeblich Unangepassten ab: „Man kann sich doch nicht um jeden Einzelnen kümmern.“ Solch eine Prämisse ist jedoch fundamental falsch. Wieso? Weil der Einzelne – der Mensch also – im Mittelpunkt stehen muss. Was nützen schöne Theorien und noch schönere Gesetze, wenn es dem Menschen nicht gut geht? Der Mensch – nicht die Masse - muss der Prüfstein jedes Systems sein.

Markt und Tabakdose


Wie es zurzeit läuft, weiß jede und jeder. Grundsätzlich bestimmen die Märkte den Wert des Menschen, Politiker plappern nur nach, was die Wirtschaft ihnen diktiert. Daran haben wir uns allmählich gewöhnt, sodass die durchaus intelligenten Vertreter unserer Gattung der „Bild“-artigen Argumentation widerstandslos folgen und nicht hinterfragen, seit wann die Nase für die Tabakdose herhalten muss und nicht umgekehrt. 

Was ist also ein Mensch wert? So viel, wie er dem Markt nutzt? Und wenn nicht, ist er dann wertlos? Ist ein Arbeitsloser als Mensch genauso viel wert wie ein Arbeitender? Eine dumme Frage? Von wegen. Hören sie genau zu, wenn man die nächste Diskussion – die kommt auf jeden Fall - über die Hartz-IV-Empfänger lostritt. Meine Meinung dazu? Eigentlich sollen sie recht gut entschädigt werden, dass sie als Geiseln der marktorientierten Gesellschaft büßen müssen, damit diese Als-ob-Demokratie funktioniert.  


Donnerstag, 3. September 2015

Eine überfällige Diskussion

Der nicht endende Strom der Flüchtlinge zwingt uns zur Diskussion über ein Thema, das uns stets begleitet, dennoch zu wenig öffentliche Beachtung fand und immer noch findet: über den Rassismus. Das Problem ist umso größer, weil wir alle dazu neigen, die anderen in irgendeine Schublade zu stecken und mit einer Überschrift zu versehen, was uns hilft, die komplizierte Welt zu ordnen. Hand aufs Herz: Wer tut das nicht? Niemand ist frei von Vorurteilen.


                                                                                       Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Gefährliche Waffe


Was als hilfreiches Ordnungssystem durchaus seine zweifellose Berechtigung hat, mutiert jedoch zu einer gefährlichen Waffe, zu einem Vernichtungswerkzeug, wenn wir es nicht mehr für die Orientierung gebrauchen, sondern für die Stimmungsmache, das Schüren des Hasses, das Hetzen. Vom Orientieren geht man zum Bewerten über, wo es nichts zu bewerten gibt. Wie wollt Ihr überhaupt den Wert abschätzen, wenn es sich um das Menschenleben handelt? Darf man in diesem Zusammenhang über ein unwertes Leben sprechen? Die Nazis haben diese Frage bejaht. Sie sprachen den ganzen Nationen das Recht auf Leben ab. Die bloße Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe entschied über Leben und Tod.

Vor allem Feiglinge


Unser aller Problem  sehe ich darin, dass wir besser sein wollen. Eigentlich ein hehres Ziel. Der Haken an der Sache ist aber, dass es uns nicht reicht, aus Freude am Machen dies zu tun. Wir wollen besser als die anderen sein. Schön wäre es, wenn wir diejenigen trotzdem als Menschen achten würden. Außerdem: Wer in einem gut ist, muss nicht unbedingt in allem glänzen. Manchen von uns ist solch eine Fairness jedoch zuwider. Sie brauchen einen Abstand zum Rest. Dafür müssen die anderen – logischerweise – schlechter sein. Es reicht demnach irgendeine Gruppe mit dem Merkmal „minderwertig“ zu versehen, schon fühlt man sich besser. Die Auswahl geschieht nicht unüberlegt. Man wird sich nicht mit den Stärkeren anlegen. Die Schwachen sollen für diese Aufgabe herhalten. Denn Rassisten sind vor allem Feiglinge. 

Anständige ohne Anstand


Ich behaupte, dass nicht die überzeugten Rassisten das Hauptproblem sind. Die tragen- wenn man so sagen darf - wenigsten ihren Hass offen. Vielmehr muss man sich vor den vielen angeblich Guten vorsehen – ich meine hier nicht die Aber-Rassisten - „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…“. Es geht mir um die wortkorrekten Werteschützer, die Wasser predigen und Wein trinken – also diejenigen, die immer das Richtige sagen, aber das Falsche tun. Sie lassen uns verzweifeln, weil man von ihnen den Anstand erwartet, stattdessen aber den hinterhältigen Rassismus bekommt.

Wie kann man sich vor diesen Anständigen ohne Anstand schützen? Sie sind überall: in der Schule geben sie ihren ausländischen Schülern schlechtere Noten, in der Arbeit lassen sie keine Bewerbungen von den Migranten zu, als Vermieter lügen sie, dass die Wohnung schon leider vergeben ist. Sie warnen gern vor den gefährlichen Pflastern aus einem einzigen Grund: Dort wohnen „Zigeuner“, Türken, Ausländer. Als Politiker täuschen sie Besorgnis vor und prangern ganze Gruppen von Menschen an (wie beispielsweise die sog. Wirtschaftsflüchtlinge), die sich nicht wehren können. Sie alle würden schwer beleidigt, wenn man sie mit Nazis verglichen hätte. Dennoch ist dieser Vergleich berechtigt. Sie handeln in diesem Geist und ihre anders lautenden fadenscheinigen Bekundungen machen dies nicht besser. 

Freitag, 14. August 2015

Alibi-Frauen, Alibi-Migranten, Alibi-Gesellschaft

Es ist gut ein Alibi zu haben, darüber weiß jeder Krimi-Leser oder -Zuschauer Bescheid. Und die Angeklagten sowieso. Aber auch Politiker schätzen sehr die Möglichkeit, sich auf diese Art zu rechtfertigen und  sich in einem guten Licht zu präsentieren, wo sie tatsächlich versagt haben.

                                                                                             Manfred Schimmel  / pixelio.de


Keine Frauenpolitik


Braucht man überhaupt Alibi-Frauen, wo eine Frau die Regierung führt? „Wenn ich als Frau das höchste Amt im Land bekleide, können die anderen Frauen dies doch auch tun“, scheint die Botschaft von der Kanzlerin Merkel zu lauten, einer Frau, die mit der Frauenpolitik nichts am Hut hat. 

Es gab schon immer in der Geschichte Frauen, die zu Ruhm gelangten und die Macht eroberten. Jeanne d’Arc, Elisabeth I, Katharina die Große (übrigens, das Vorbild von Merkel), Indira Gandhi oder Golda Meir behaupteten sich in der Männerwelt, indem sie nach den männlichen Regeln handelten. So wie Merkel, die die Diskriminierung von Frauen nicht zur Kenntnis nimmt, obwohl sie gebetsmühlenartig die Menschenrechte anprangert. Am liebsten auf der Reise weit weg vom Zuhause nach dem Motto: Den Balken im eigenen Auge nicht sehen, aber den Splitter im fremden.

Daher versteckt sich Merkel auch gern hinter den Alibi-Frauen.  Sie sollen beweisen, dass im Land zwischen Rhein und Oder alles mit rechten Dingen zugeht und jede Frau alles schaffen kann, wenn sie nur will. 

Mit bloßem Auge sieht man zwar, dass dies nicht stimmt. Die Kanzlerin schaut aber einfach weg – das ist nicht ihr Problem, dass die Frau in Deutschland um ein Viertel weniger als der Mann verdient, selten eine Karriere macht und immer noch – wie vor Jahrhunderten – vom Mann abhängig ist. 

Die Veränderungen, die die GroKo notgedrungen einführt, wirken wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Frauen bleiben benachteiligt. Kein Wunder, dass die Armut in Deutschland weiblich ist.

Keine Mitsprache


Inzwischen besteht die Bevölkerung in Deutschland zu einem Viertel aus Migranten. Ist das viel? Ja doch. Ganz wenige von ihnen finden sich jedoch im öffentlichen Sektor, der als Motor für die Integration dient. Als ob sie nicht zu diesem Land gehört hätten. Das Antlitz dieses Staates erscheint rein deutsch. Migranten werden weiterhin  - trotz einigen Anstrengungen und Reformen – diskriminiert. Sie haben schlechte Chancen in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt. Wieso? An Talenten mangelt es nicht. Ihr einziger Makel scheint die Herkunft zu sein – sie sind nicht Deutsch genug, auch wenn sie in Deutschland geboren sind und zur Schule gingen.

Diese unerfreulichen rassistischen Tatsachen sollen die Alibi-Migranten wettmachen. Hier die lächelnde Journalistin Dunja Hayali, dort eine ebenso fröhliche Bundesbeauftragte für Migration Aydan Özoğuz – und schon ist alles paletti also? Nein, weil es nach wie vor die Herkunft wichtiger ist, als die Leistung, Fähigkeiten und Talente. Weil immer noch der Rassismus – der primitive von den Stammtischen, sowie der subtile gutbürgerliche und der politische, in allen Parteien vorhanden – über die Schicksale der hier lebenden Menschen entscheidet.

Kein Miteinander


Eine Gesellschaft ist nie homogen. Sie besteht aus unterschiedlichen Teilen, aus unterschiedlichen Menschen, die sich dennoch als eine Einheit verstehen dürfen. Mit dieser Einheit, mit dem Zusammenleben haben wir aber ein Problem. Millionen von Menschen werden abgehängt und von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen. 

Was machen in dieser Situation unsere Politiker, unsere Volksparteien? Kämpfen sie eifrig, um dieses Problem zu lösen? Nein, sie orientieren sich mehrheitlich an der Mitte und blenden die ganzen Problem-Schichten aus. Weiter aber sprechen sie über eine Gesellschaft, was jedoch nicht stimmt. Sie haben eine Alibi-Gesellschaft kreiert, eine Rumpf-Gesellschaft und das Ganze aus den Augen verloren. 

Donnerstag, 6. August 2015

Die gelebte Korruption

Je ärmer ein Land, desto korrupter – diesem Gedanken frönt man gerne hierzulande und stellt eine zwingende Verbindung zwischen der Armut und der Korruption her. Nicht zu Unrecht, wohlgemerkt. Zugleich jedoch übersieht man geflissentlich die raffinierteren Formen dieser allgegenwärtigen Seuche.

                         Rainer Sturm  / pixelio.de

Ein guter Platz?


Transparency International scheint den oben festgestellten Zusammenhang zu bestätigen, indem sie Somalia, Nordkorea und Sudan als die korruptesten Länder benennt. Dänemark, gefolgt von Neuseeland, gehört dagegen zu den Saubersten. Deutschland erreicht auf der Skala von 0 (hohes Maß an Korruption) bis 100 (keine Korruption) 79 Punkte und den Platz 12. Kein schlechtes Ergebnis? Doch! In einem der reichsten Länder hat man viel mehr Möglichkeiten, die Korruption zu bekämpfen. Nötig dafür ist jedoch der politische Wille.

Will man es oder nicht?


Das ist die Frage. Die Vertreter des Volkes sollen theoretisch wild auf die Bekämpfung der Korruption sein. Weil es sich um eine Seuche handelt, die jedes Regelwerk ad absurdum führt, jedes Rechtssystem zunichtemacht. Die Korruption gehört zu den größten Feinden der Demokratie. Sie fischt nur im Trüben und zerstört die Hoffnung auf Gerechtigkeit.   

Tatsächlich aber lassen sich Politiker aller Couleur korrumpieren - genauso wie andere Besitzer noch so kleine Macht – und tun sich schwer mit den Gesetzen gegen Korruption, besonders mit jenen, die ihre eigene Verfehlungen beseitigen sollen. 

So zum Beispiel dürfen die Abgeordneten des Bundestags verschleiern, von wem sie sich schmieren – ähm, Entschuldigung – bezahlen lassen. Bis heute gibt es keine Pflicht einer vollständigen Offenlegung der Nebeneinkünfte. Die existierende Regelung erweist große Schlupflöcher, der Graubereich ist enorm. 

Wie kann man also an den Willen derjenigen glauben, die nicht mit gutem Beispiel vorangehen wollen? Der Fisch stinkt nach wie vor vom Kopf her.

Die Geisterfahrer auf den gesellschaftlichen Wegen


Transparenz ist der natürliche Feind der Korruption. Im Idealfall müsste sich jeder  Vorgang  offen zeigen und nachvollziehen lassen. Dies bedeutet, dass die beiden Seiten, die die Macht besitzende – egal um welche Art von Macht sich handelt: amtliche, politische usw. - und die unterlegene Seite nach gleichen vorgegebenen und geltenden Regeln oder Gesetzen handeln.

Eine korrupte Person missachtet die allgemeinen Vereinbarungen und erstellt eigene, um sich zu bereichern, eigene Macht zu sichern oder nur zu spüren. Die Korruption blüht überall dort, wo der Eigennutz oder Nutz der eigenen Gruppe höher bewertet wird als das Allgemeinwohl. Die Korrupten sind die rücksichtslosen Geisterfahrer auf den gesellschaftlichen Wegen. Sie sind überall anzutreffen: in der Schule, beim Arzt, in der Behörde, im Bundestag… Sie berauben uns alle und lassen die Redlichen verzweifeln.


Sonntag, 19. Juli 2015

Das Maß der Dinge und Merkels Werte

"Der wahre Mensch wählt das Maß und entfernt sich von den Extremen, dem Zuviel und dem Zuwenig" sagte einmal der weise Aristoteles. Von dieser wahren Sorte haben wir wahrlich nicht zu viele Menschen. Wir leben eben in den Zeiten der Extreme, die die Welt um uns herum prägen. In jeder Hinsicht. Ins Auge springen besonders die Unterschiede im Lebensstandard. Die einen haben viel zu viel, die anderen viel zu wenig. Auf unseren angeblich wohlhabenden Kontinent sind Hunger und Armut zurückgekehrt. So sieht das Europa von Merkel aus. Sie triumphiert, während viel zu viele ächzen.


                                                                                                      Helmut J. Salzer  / pixelio.de 

Hauptsache, die Kasse stimmt 


Egal ob Spanien, Portugal oder Griechenland – den Preis für die Krise bezahlen nicht ihre Verursacher, sondern die Ärmsten. Gekürzt wird vor allem bei den Menschen an dem untersten Ende der Nahrungskette. In welchem Verhältnis steht diese Tatsache zu den viel beschworenen europäischen Werten?

Wenn wir jene Werte aus der jetzigen Realität und den Handlungen der hiesigen Machthaber versuchen herauszulesen, bekommen wir eine ziemlich triste Liste. An der ersten Stelle steht dann: Gebt denen, die schon haben und nutzt die Hilflosen aus. Hauptsache, die Kasse stimmt. Natürlich geht es um die Kasse der oberen wenigen Prozente und nicht um die Groschen der ausgebeuteten Masse. Geld ist Macht. Die Entmachteten haben daher nichts zu melden.

Die Habenichtse bleiben draußen


Unsere Liste der gelebten – und nicht der gepredigten Werte – führt der nächste bedrückende Punkt fort: Die Bildung, auf die es im beruflichen Leben ankommt, ist für die Wohlhabenden reserviert. Die Habenichtse müssen draußen bleiben. Wenngleich wir ergänzen müssen, dass es sich nicht um das tatsächliche Wissen handelt. Vielmehr geht es um das Funktionieren auf eine vorgeschriebene Art und um den Erhalt des Status quo, in dem die Geldbörse der Eltern über die Zukunft ihrer Kinder entscheidet.

Eine mögliche Konkurrenz – angeblich ein unabdingbarer Bestandteil der kapitalistischen Welt – wird von vornherein verhindert. Es geht nicht um die tatsächlichen Talente oder Fähigkeiten, sondern um die Zugehörigkeit zu den Privilegierten. Das System reproduziert sich selbst im geschlossenen Kreis und verkommt zu seiner Karikatur. 

Im finanziellen Gang


Ein weiteres Merkmal der herrschenden Ordnung ist die Anknüpfung der Gerechtigkeit an Macht und Geld. Ich spreche nicht über die verabschiedeten Gesetze. Das Papier ist geduldig und erträgt jede Idee. Um das Recht vor Gericht zu erkämpfen, braucht man aber Geld. Dies bedeutet, dass sich die Habenichtse diesem Regime widerstandslos unterwerfen müssen. Die Streitigkeiten können sie sich nicht leisten. Auf diese Weise zementiert sich das System selbst und sichert sein Fortbestehen. 

Was man im Kommunismus mit der Verfolgung erreichte, schafft der Kapitalismus im finanziellen Gang. Das Ziel ist gleich: die Herrschaft über die Massen und ihre Unterwerfung. Nirgendwo zeigt sich das so deutlich, wie im Fall von Griechenland. Oder erinnern Sie sich, dass sich Merkel oder Schäuble Gedanken über die Menschenrechte dort machten? 

Sonntag, 21. Juni 2015

Wie geht es weiter mit Griechenland? Europa hält den Atem an

Vor dem Sondergipfel in Brüssel am kommenden Montag wächst die Spannung. Wie in einem guten Thriller scheint noch alles möglich zu sein. Dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt, ist genauso wahrscheinlich wie der gefürchtete - oder von einigen ersehnte - Grexit. Wieso ist Griechenland so wichtig für die Europäische Union?



Was ist die Europäische Union?


Die kürzeste Antwort auf die obige Frage lautet: Die Europäische Union ist eine wirtschaftliche und politische Verbindung von 28 Staaten. Davon haben 19 Länder die gemeinsame Währung – den Euro. Die Wirtschaft steht hier an der ersten Stelle und tatsächlich entscheidet sie über andere Bereiche. Dennoch genauso wichtig ist eine politische Union - eine gemeinsame politische Ausrichtung also. In den letzten Jahren nahm sie unter einem wesentlichen Einfluss von Deutschland einen konservativ-liberalen Charakter an, mit allen damit verbundenen Folgen. Dazu zählt das Erwachen von Nationalismen ebenso wie die Erstarkung von den Rechtsradikalen. Diese Politik kennt anscheinend einen einzigen Weg, die Schulden abzubauen und die Haushalte zu sanieren: sparen (Austeritätspolitik) und Ausgaben im Sozialbereich kürzen. Das Ergebnis lässt sich lapidar zusammenfassen in der Feststellung: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.

Die Griechenland-Frage


Dem Diktat am falschen Ende zu sparen und den Sozialstaat abzubauen unterwarfen sich bis jetzt alle Mitgliedstaaten. Dann kam die neue griechische Regierung, die diesen  Irrsinn nicht einfach hinnehmen wollte und sich dagegen auflehnte, dass man die Armen weiter schröpft. Die Wächter über die altmodisch miefende Politik  fühlten sich dadurch persönlich beleidigt und reagierten auch persönlich. Unvergessen bleiben Attacken von Wolfgang Schäuble auf Yanis Varoufakis, den griechischen Finanzminister. Es ist ein unerhörtes Beispiel von Arroganz der absoluten Macht, indem die von den griechischen Bürgern gewählten Vertreter von dem deutschen Minister gemaßregelt wie im Kindergarten wurden. 

Das Schicksal von Griechenland ist für die ganze EU von entscheidender Bedeutung. Es geht um die Frage, wohin die Reise führt. Müssen wir uns demnächst auf die unmenschlichen Zeiten vorbereiten, wo die Rentner mit minimalen kaum ausreichenden Beträgen auskommen müssen und die Arbeitslosen gar keine Hilfe bekommen? Sollen wir widerstandslos der Entwicklung zustimmen, die die Massen von Bürgern von den politischen Entscheidungen ausschließt? Müssen wir wirklich die Diktatur der mittelmäßigen Politiker bar jeder Idee erdulden?   

Schützenhilfe aus England


Aus England kommt ein starkes Signal gegen die von den Konservativ-Liberalen verordnete gesellschaftliche Talfahrt. Die Londoner Straßen (aber auch in Glasgow und Liverpool) fühlten sich am Samstag, den 20.06.15, mit Massen von Menschen - 250.000 zählten die Organisatoren -, die gegen die törichte und einfältige Sparpolitik protestierten. Es sei erst der Anfang, verkündeten die Demonstranten. 

Die Austeritätspolitik ist eine Sackgasse und keineswegs alternativlos. Wir sollen den Griechen besser zuhören. Gut möglich, dass sie unsere Rettung sind und uns vor einem fatalen Irrtum bewahren. Eine Gesellschaft besteht nicht nur aus den wenigen oberen Prozenten. Wir alle gehören dazu und haben das Recht auf würdiges Leben.



Donnerstag, 11. Juni 2015

Recht oder Bauch

Demokratie bedeutet die Herrschaft des Volkes: Die Mehrheit bestimmt, wer im Lande regiert. So weit, so gut. Darf aber diese Mehrheit einer Minderheit die geltenden Rechte verwehren? Wie zum Beispiel ein Recht auf Eheschließung? Das ist die Frage.





Das christliche Menschenbild als Basis?


Die Gegner der sogenannten Ehe für alle berufen sich hierzulande auf das christliche Menschenbild. Es ist ein ziemlich dehnbarer Begriff. Was da alles reinpasst! Alle Sünder mit ihren schlimmen Sünden zum Beispiel. Sie sind dabei, nicht wahr? Eine Frau, die sich aber von der traditionellen Rolle loslöst, gehört dorthin nicht wirklich. Die Position der Frau hat sich in der Gesellschaft am meisten verwandelt. Daher müssen wir das christliche Menschenbild dahingehend korrigieren. Die meisten von uns haben es längst getan. 

Jetzt ist an der Zeit, den mutigen mehrheitlich katholischen Iren zu folgen und das christliche Selbstverständnis zu erweitern. Diese  Aufgabe wäre besonders für Menschen wie der CSU-Politiker Thomas Goppel wichtig. Für ihn stellt das christliche Menschenbild die Basis des Grundgesetzes dar. Das stimmt aber nicht. Im Artikel 1 Abs. 2 GG lesen wir:

„Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen
und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage
jeder menschlichen Gemeinschaft des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“

Das Grundgesetz beruft sich also auf die Menschenrechte als die Basis und jene sind von der Religion unabhängig. Sie stehen über jede Religion. Auch die christliche. Vor allem, wenn eine Religion diese Rechte missachtet. Die katholische Kirche tut sich beispielsweise nach wie vor schwer mit der Gleichberechtigung der Frau und man kann sagen, dass sie in dieser Hinsicht nicht verfassungskonform ist.

Was ist eine richtige Ehe?


Soll man die Richtigkeit einer Ehe an dem Ziel der Zeugung von Kindern festmachen? In diesem Fall bekämen wir auf einen Schlag unzählige ungültige Ehen, die das Ziel, aus welchem Grund auch immer, verfehlt haben. Dazu gehört auch unsere Kanzlerin, die bekanntlich keine Kinder geboren hat. Und ausgerechnet sie spricht den Homosexuellen ihr Recht auf die Ehe ab. Der Grund dafür scheint sehr wichtig zu sein – es ist das Bauchgefühl der Kanzlerin, das sie zu dieser Stellungnahme animiert. Wie kann man dagegen argumentieren? Dass mein Bauchgefühl mir sagt, dies sei ein völliger Blödsinn, der mit Recht und Gerechtigkeit nichts zu tun hat?

Normal oder nicht?


In der Debatte über die gleichgeschlechtliche Ehe geht es aber eigentlich um die Frage, ob die Homosexualität als normal oder nicht verstanden wird. „Sie gehört zur Gesellschaft“, lautet die Antwort von Herrn Goppel, normal ist sie für ihn nicht. Seine Erwiderung veranschaulicht sehr gut die moderne Art der Herabwürdigung und Diskriminierung: Wir lassen euch doch leben, seid dankbar, aber kommt bloß nicht auf die Idee, gleiche Rechte zu verlangen. 

Derartige Äußerung  entblößt  eine Weltanschauung, die sich an der Diktatur der Mehrheit stützt. Aus der Prämisse, dass die Mehrheit in Hetero-Beziehungen lebt, schlussfolgert man die Pflicht der Minderheiten, dieser Norm sich anzupassen. 

Handelt es sich hier jedoch wirklich um eine Norm, der die Mehrheit befolgt? Dem widerspricht die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Die Mehrheit der Familienmodelle sieht anders aus: Kinder wachsen inzwischen in Familien, wo "Partner nicht miteinander verheiratet sind, oder Kinder aus einer anderen Ehe mitbringen, oder Kinder außerehelich gezeugt werden, was auch unter prominenten Politikern und Künstlern vorkommen soll."

Eben, die Gesellschaft ist bunt, manche Politiker aber – farbenblind. 

Montag, 1. Juni 2015

Ein gebissener Hund und Medien mit einem Maulkorb

Wenn man einer Anzeige der Axel-Springer-Akademie Glauben schenken will, beschränkt sich der Journalismus auf folgende Aufgaben: "Prominente treffen, Politiker interviewen, aus dem Ausland berichten." Demnach spiegelt ein Journalist in seinen Texten lediglich ein verzerrtes, einseitiges Bild der Wirklichkeit wider. Journalismus als Spiegel? Ein sehr kleiner dazu, in dem sich nur das Schrille oder Mächtige abbildet?


                                                                     Fot. Marlies Schwarzin  / pixelio.de

Hund und Medien


Eine aus dem 19. Jahrhundert stammende Regel definiert pointiert das Arbeitsfeld der Medien. Eine Nachricht besteht hiernach nicht aus der Information, dass ein Hund einen Mann beißt, sondern umgekehrt: man bites dog. Auch heute jagen Journalisten nach ungewöhnlichen Ereignissen, Affären und Skandalen. Mitnichten betrifft dies nur die Boulevardblätter. Überhaupt sind die Grenzen zwischen den sogenannten seriösen und den sensationsgierigen Medien längst kaum wahrnehmbar. Einer der Gründe dafür ist der Siegeszug des Internets.

Wir alle sind Journalisten


Jede und jeder kann schreiben. Das Internet bietet uns allen eine Plattform für unbegrenzte Ergüsse. Die Einstellung „Ich kann das doch selber“ zieht nach sich zahlreiche Konsequenzen. Die Journalisten wurden vom Podest auf den Boden zurückgeholt. Das Publikum klopft ihnen auf die Finger und kritisiert andauernd, ob mit Recht oder Unrecht.  

Ein Journalist zu werden ist nicht schwer, ein Journalist zu sein dagegen sehr – so kann man den berühmten Aphorismus von Wilhelm Busch paraphrasieren, um die gegenwärtige Lage zu beschreiben. Die Position eines unabhängigen Journalisten – was theoretisch jeden Vertreter dieser Zunft auszeichnen soll - ist schwach. Nicht ausschließlich wegen der gewaltigen Konkurrenz. Er soll sich sowohl gegen seine der Natur der Sache nach vorsichtigeren Vorgesetzten durchsetzen, wie auch auf dem verminten politischen Feld behaupten: eine Zerreißprobe zwischen wohlwollender Kontaktpflege und einem Abstand, der die Objektivität bewahren lässt.   

Mächtig kommt von Macht


Dennoch sind Medien mächtiger als je zuvor. Obwohl nicht als die Vierte Gewalt, deren Sinn und Berechtigung in der Demokratie aus der Kontrolle der anderen Gewalten besteht. Hierfür hätten die Medien eine größere Distanz zu den Machthabern halten müssen. Sie sind aber ein Teil des Machtsystems geworden. Weil sie es nicht bei der bloßen Berichterstattung belassen und als Akteure im politischen Theater mitmischen und agieren. Auf dem höchsten Niveau beobachtet man zum Beispiel die Verflechtungen des Springer-Konzerns und der Kanzlerin Merkel.

Einerseits dringen Medien in die Machtstrukturen ein, anderseits lassen sie sich von der Macht korrumpieren. Vergeblich suchen dann die Leser oder Zuschauer nach Berichten oder Analysen, die der Wirklichkeit entsprechen. Die Medien haben größtenteils die Seite gewechselt und sind zum Sprachrohr der Herrscher geworden. Das sind Verhältnisse, die sonst in den Diktaturen vorkommen. Es bedarf hierzulande keiner gesetzlichen Zensur. Viele setzen sich diesen Maulkorb selbst auf.

„Wer überwacht die Wächter?“


Zu Recht fragt also Claus von Wagner: „Wer überwacht die Wächter?“ und wundert sich gleichzeitig, wie wenig die Medien ihre Möglichkeiten nutzen. Wo sie dermaßen versagen, muss ihre Aufgaben die Satire übernehmen, unterstützt sowohl von den einzelnen Whistleblowern wie auch von den Sozialen Medien.


Freitag, 22. Mai 2015

Merkels Taktik, wenn es brenzlig wird

Wetten, dass der No-Spy-Abkommen-Skandal an Merkel wie das Wasser an der Ente abperlt und sie nicht zur Verantwortung gezogen wird? Wie sich frau an der Macht hält, muss ihr niemand erklären. Darin ist sie wirklich gut. Ihre ganze Energie und Schlauheit setzt sie dafür ein. Aber ihre Taktik ist mitnichten kompliziert. Ich stelle sie in drei Schritten vor.




Erstens: sich ducken


Spätestens als uns Arnie Schwarzenegger in „True Lies“ erklärt hat, was zu tun ist, wenn es geschossen wird, wissen wir Bescheid: Wir müssen uns ducken. In dieser Disziplin ist unsere Kanzlerin Merkel die Beste.  Das muss man einfach zugeben.  Sie verschwand sofort in der Versenkung, als das Land brodelte und die Fragen nach dem No-Spy-Abkommen immer lauter wurden. 

Zweitens: ignorieren


Aus der Versenkung zurück, schweigt Merkel über das Thema beharrlich. Die Diskussion über das No-Spy-Abkommen, das die Gemüter erhitzt, ignoriert sie konsequent, sodass man glauben könnte, die ganze Sache betrifft sie überhaupt nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Sie ist die Hauptfigur in diesem Skandal, sie hat uns belogen. 

Daher fragen wir zusammen mit der Süddeutschen Zeitung staunend: „Wie kamen Kanzlerin Angela Merkel, ihr Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Regierungssprecher Steffen Seibert im Sommer 2013 darauf, zu behaupten, es werde ein No-Spy-Abkommen mit den USA geben? Und was veranlasste sie, zu sagen, dass die Amerikaner selbst dies sogar angeboten hätten?“

Auf eine Antwort von Merkel warten wir vergeblich. Vermuten können wir aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass der Grund für diese Lügen die nahenden Bundestagswahlen im September 2013 waren. Es ging also ausschließlich um den Erhalt der Macht mit allen Mitteln.

Drittens: ablenken


Womit lenkt man am besten ab? Natürlich mit einem anderen Gauner, der dämonisiert wird. Dafür muss wieder Putin herhalten. Merkel hat sich bereits einen Automatismus eingeübt: Egal was passiert, schuld ist Putin. Die Beweise sind dabei nebensächlich, die Stimmungsmache ist das Hauptziel.

Genauso gut leitet Merkel den öffentlichen Blick von ihrer Beteiligung am Skandal weg, indem sie ihre Aktivitäten im Ausland deutlich erhöht. Dies erleben wir soeben: Merkel ist überall, nur nicht zu Hause. 

Das Spionieren und das Lügen


Dass die Spione spionieren, überrascht nicht wirklich. Dass die Kanzlerin ihre Wähler dreist anlügt – irgendwie schon. Es geht dabei nicht um eine schleierhafte Vision – damit beschäftigt sich Merkel so gut wie nie -, es handelt sich um überprüfbare Fakten. Wo sind die hochgepriesenen Werte, die sie wie eine Monstranz vor sich herträgt? Gelten sie nur für die anderen?

Was wird das für die Bürger, was wird das für die Demokratie bedeuten, wenn Merkel  ungeschoren davonkommt – was alle Zeichen am Himmel und auf Erde ankündigen?  

Die Taktik von Merkel funktioniert anscheinend gut, eine demokratische Kontrolle dagegen nicht.


Samstag, 9. Mai 2015

Das System Deutschland oder die Suche nach Gerechtigkeit

Egal, ob man es eine gesellschaftliche Hierarchie oder die Kasten nennt, es handelt sich hier um das Rückgrat eines Systems, das einerseits der Ausbeutung, anderseits dem Erhalt der existierenden Verhältnisse dient. Die Reichen und die Armen oder Unberührbaren leben zwar in einem Land, aber gesellschaftlich trennen sie Lichtjahre.


                                                                     Dr. Klaus-Uwe Gerhardt  / pixelio.de


Kosmetische Korrekturen


An diesem System wollen die sogenannten Volksparteien keine grundsätzlichen Änderungen vornehmen.  Es soll daher bei den kosmetischen Korrekturen bleiben: mal hier, mal dort etwas verschönern, aber keineswegs den Problemen auf den Grund zu gehen. Die so verstandene Kontinuität ist reaktionär und mutet feudal an. Die Regierungen, die sie verfolgen, zeigen sich unfähig, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Das haben sie auch nicht wirklich vor. Sie vertreten die Interessen der Reichen und lassen sich von ihnen auf verschiedene Art und Weise korrumpieren.

Soziale Gerechtigkeit? 


Darf man im 21. Jahrhundert in einem der reichsten Länder nach sozialer Gerechtigkeit verlangen? Das ist mitnichten eine rhetorische Frage mit einer zwangläufig bejahenden Antwort.  Die soziale Gerechtigkeit setzt genauso die gleichen Chancen voraus, wie die gleichen Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung. Wenn man sie so definiert – und das tut zum Beispiel das Grundgesetz -, dann muss man ihre Existenz in Deutschland abstreiten.

Misshandlung der Schutzbefohlenen


Die Armut von Millionen der Kinder, die ihre Lage nicht selbst verändern können, ist der erschreckende Beweis für das Fehlen der sozialen Gerechtigkeit. Im reichen Deutschland wächst eine verlorene Generation von armen Kindern in armen Familien auf. Seit Jahren erscheinen Studien, die diese Situation genau beschreiben. Das Problem ist also gut bekannt. Es fehlt nur der Wille ihn zu lösen.

Es wäre die Aufgabe und die Verantwortung des Staates, die Rahmenbedingungen, die die Entwicklung von Kindern ermöglichen und ihnen gleiche Chancen in der Gesellschaft zusichern, zu erschaffen. Die Politiker sind aber damit beschäftigt, ihre Eltern anzuprangern und ihnen die Existenzgrundlage zu entziehen, statt an einer gerechten Gesellschaft zu arbeiten.

Die Benachteiligung der armen Kinder seitens des Staates erfüllt meines Erachtens den Tatbestand der Misshandlung von Schutzbefohlenen, nach § 225 StGB.

Bürger als Sünder


Die sträfliche Vernachlässigung der armen Kinder seitens des Staates  geht mit der Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Eltern einher. Trotz der brummenden Wirtschaft sinkt die Armut in Deutschland nicht. Im Gegenteil – sie wächst.

Ohne Bereitschaft zu grundlegenden Reformen wird sich an diesem Zustand auch weiter nichts ändern. Statt Klientelpolitik brauchen wir eine Politik, die die gesamte Gesellschaft ins Auge fasst und nicht nur ihre erfolgreichen Teile.

Anfangen müsste man mit dem Verzicht auf ein mittelalterliches Bild des Menschen als Sünders, wie Politiker die besonders benachteiligten Hartz-IV-Empfänger sehen, behandeln und öffentlich anprangern.  Es ist nicht die Aufgabe der Politik, die Erwachsenen zu missionieren, sondern ihre Interessen endlich zu vertreten.

Sonntag, 3. Mai 2015

Sind wir eine Gesellschaft oder ein loser Haufen?

Sind wir eine Gesellschaft oder nur eine Ansammlung verschiedener und sich bekämpfender Gruppierungen? Natürlich sind wir eine Gesellschaft, werden viele empört die Frage beantworten. Was verstehen wir aber unter dem allgemeinen Begriff ohne beschreibende Adjektive (wie feine, gehobene usw.)? Gehören alle in unserem Staat lebenden Bürger dazu oder nicht? Anders formuliert: Gibt es solche, die nicht beachtet, ignoriert  und grundsätzlich ausgeschlossen werden?




Endlich legalisieren!


Es sind viele sogenannte Illegale, die in Deutschland seit vielen Jahren leben und arbeiten. Wie viele genau, weiß niemand. Die Schätzungen variieren zwischen mehreren Hunderttausend und über eine Million. Inzwischen gibt es für sie einige Anlaufstellen, wo sie sich kostenlos beraten und helfen lassen können. 

Der Staat scheint oft ein Auge zuzudrücken, nach wie vor dürfen sich aber die Illegalen nicht erwischen lassen. Das Desinteresse des Staates an der Verfolgung erklärt das wirtschaftliche Nutzen dieser Sklaven, die ohne Rechte schwerste Arbeit für Hungerlöhne verrichten und so zum Allgemeinwohl beitragen (auch wenn sie keine Steuer zahlen).  

Sie tauchen in keiner offiziellen Statistik auf und formal existieren sie nicht. Dennoch sind sie ein Teil der Gesellschaft, die sie ausnutzt. Wieso werden sie in keiner politischen Diskussion thematisiert? Warum spricht kein Politiker über ihre Legalisierung? Wie kann ein sogenannter Rechtsstaat dermaßen großen rechtsfreien Raum dulden?

Gehören Bittsteller dazu?


Die Frage ist berechtigt. Die Bittsteller – die Obdachlosen, Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfänger und die anderen Vernachlässigten - müssen sich mit dem begnügen, was übrig bleibt. Von der Politik werden sie nicht als ein Teil der Gesellschaft, sondern als eine hinderliche Last verstanden. Die sogenannten Repräsentanten des Volkes reduzieren somit den Begriff „Gesellschaft“auf die Bürger, mit denen sich verdienen lässt. In ihren Augen gehören die Bedürftigen nicht dazu. 

Wenn die Politiker also aufrufen, den Gürtel enger zu schnallen, meinen sie niemals sich selbst oder ihre Klientel. Sie blicken wie selbstverständlich zum Ende der Nahrungskette. Das Sparen beginnt immer bei den Ärmsten.  Es klingt nicht logisch, dennoch ist dies eine gängige und bequemste Methode. Von dieser Seite befürchtet man kaum einen Widerstand.

Diese Sozialpolitik verdient ihren Namen nicht – die Reste vom Tisch der Herrscher zu verteilen hat mit einer ernst gemeinten und wohlwollenden Politik überhaupt nichts zu tun. Derartige Politik wird erst dann möglich, wenn die Bittsteller endlich keine Bittsteller mehr und als ein Teil der Gesellschaft (der sie doch sind) gesehen und gehört werden.

Gesellschaft ist kein Haufen


Eine Gesellschaft ist kein loser Haufen. Wer also die hochgepriesenen humanitären Werte bewahren will, darf nicht die Raubtier-Regeln befolgen, wonach der Starke den Schwachen einfach frisst.  Die Humanität bedeutet das Gegenteil von der Erniedrigung und Ausgrenzung. Ohne Verantwortungsbewusstsein ist sie überhaupt nicht möglich. Daher wünsche ich den Machthabern, dass sie ihre Pflichten wahrnehmen und die wahren Probleme der  g a n z e n  Gesellschaft beginnen zu lösen. 

Dafür braucht man allerdings viel Mut und wenigstens eine Vision.

Freitag, 24. April 2015

Pech und die Demokratie

Wenn man Pech hat, gehört man einer Minderheit an. In einem auf die Mehrheit ausgerichteten Land wie Deutschland wird man damit den Verlierern zugeordnet. Unerheblich ist es dabei, um welche Art von der Minderheit es geht. Wie zu den Zeiten der Bolschewiki (zu Deutsch: Mehrheitler) orientiert sich die Politik nach den starken und für die Wahlen entscheidenden Massen. In diesem Sinne ist die Klientelpolitik keine Erfindung der FDP. Die sogenannten Volksparteien betreiben sie ungeniert seit Jahren.



Der Kult der Stärke


Es ist nicht die Sache der Politik, sich mit den Einzelschicksalen zu beschäftigen – stellte einmal die Kanzlerin Merkel unmissverständlich fest. Das Prinzip sieht auf den ersten Blick vernünftig aus. Bei der näheren Betrachtung entpuppt es sich aber als eine gefährliche und zynische Maxime der Machthaber, die vor allem an der Macht interessiert sind.

Was bedeutet denn genau dieses auf der höchsten Ebene verkündete Desinteresse am Schicksal Einzelner?  Es ist ein klares Geständnis, dass für die Politiker nur das zahlreiche Wahlvieh im Fokus steht. Was keine Stimmen bringt, erscheint nicht mal auf der Tagesordnung, oder wird es mit den platten Parolen abgehakt. 

Beachtet wird also ausschließlich, was dem Erhalt der Macht dienen kann. Daher konzentriert man sich auf die Starken und gewährt ihnen Zugeständnisse. 

Derartige Politik verkommt zu primitiven Tauschgeschäften. Sie gestaltet nichts: weder die Gegenwart noch die Zukunft. In dem Weiter-so-Duktus dümpelt sie vor sich hin. Das Ziel dieser Politik ist einfach: an der Macht zu bleiben. Alles andere wird diesem Ziel untergeordnet. Merkel macht sie sich zu eigen und vertritt sie mit Leib und Seele.

Menschenrechte? Uninteressant


Die Machthaber dieses Schlages verlieren den Menschen aus dem Blick.  Sie denken in Massen und jonglieren mit großen Zahlen. In dieser Landschaft gibt es kaum Platz für die Minderheiten. Sie werden an den Rand gedrängt. Nehmen wir als Beispiel die Homosexuellen. 

Merkel und ihresgleichen zeigen sich nach außen hin fortschrittlich. Besonders, wenn sie einen politischen Gegner angreifen wollen – wie zum Beispiel Putin. Zu Hause aber halten sie nach wie vor nicht besonders viel von dieser Minderheit. 

Ihre Rechte müssen sich Homosexuelle erst erkämpfen. Ob es sich um die Schließung einer Ehe oder um die Adoption handelt, nichts fällt ihnen in den Schoß. Sie haben einfach Pech, einer Minderheit zu gehören. Für Merkel & Co. sind sie und ihre Menschenrechte daher uninteressant. 

Sonntag, 12. April 2015

Unsere alltägliche Diskriminierung

Die Diskriminierung von Fremden (Ausländern, Migranten) ist in Deutschland allgegenwärtig. Sie gehört genauso zum politischen Alltag wie zum gesellschaftlichen Leben. Sie betrifft die Medien und die Stammtische. Sie wurzelt in der rassistischen Überzeugung, dass die anderen weniger wert sind, weil sie nicht der gleichen Rasse oder Gruppe angehören. Diese angebliche Minderwertigkeit dient als Rechtfertigung für die diskriminierenden Handlungen.

                                                            Fot.  Gabi Eder  / pixelio.de

Wie man trennt


Die Trennlinien verlaufen mal deutlich, mal subtil. Sie dienen einem Zweck: die Einheimischen von dem Rest fernzuhalten. Als Kriterien für die Erkennung einer fremden Herkunft (außerhalb eines Amtes, das dies ohne Probleme feststellt) nutzt man das Aussehen, die Aussprache oder die Gewohnheiten. Die äußerlichen Merkmale springen zuerst ins Auge.. Dagegen fällt ein fremder Akzent erst bei einer Unterhaltung auf. Wenn aber der Fremde trotz seiner Fremdheit perfekt Deutsch spricht (weil er hier zur Schule ging), bleiben noch andere Ausschlusskriterien, wie beispielsweise die Tradition, die er Zuhause nicht pflegt, oder über sie sogar nicht Bescheid weiß.

Die Erkennung ist nur der erste Schritt. Nachdem der „Feind“ identifiziert wurde, zeigt man ihm die Grenze, die er nicht überschreiten darf. In der Schule heißt das zum Beispiel keine Empfehlung fürs Gymnasium trotz guter Leistung, auf dem Arbeitsmarkt – keine Stelle trotz guter Qualifikation usw. Der Fremde wird in diesen Fällen nicht als Individuum, sondern nur als Vertreter einer Gruppe behandelt.

Rassisten - wie Soldaten der Tonarmee


Das Ausschließen beruht auf einer fixen Idee der Zugehörigkeit einer Nation oder Gruppe als einer Ansammlung von gleichgesinnten und gleichlebenden Personen mit der gleichen Abstammung. So viel Gleichheit innerhalb einer Gruppe können lediglich die Soldaten der chinesischen Tonarmee verkörpern.  Dass die Idee krank ist, müsste man also theoretisch auf den ersten Blick erkennen.  

Die Anhänger dieser rassistischen Weltanschauung denken in den Kategorien der einheitlichen  Massen.  Sie unterteilen die Welt in die gleichbleibenden Gruppen mit gleichen Eigenschaften. Es ist eine Aufgabe, die lediglich auf dem Friedhof gelingen kann. Daher sind die Rassisten meist sehr frustriert und aggressiv.

Das Motto der Rassisten


Woher kommt die Angst vor der Verschiedenheit? „Das Individuum bedeutet nichts, das Individuum ist Null“, heißt es frei nach einem tragischen Dichter der  Oktoberrevolution, Wladimir Majakowski . Es könnte das Motto der Rassisten sein. Ein Rassist als einzelne Person erscheint als eine absurde Figur. Seine Bedeutung, seine Kraft und der Sinn seiner Existenz ergeben sich erst aus der Zugehörigkeit zur Gruppe. Es handelt sich dabei nicht um eine von den verschiedenen sozialen Rollen, die jede und jeder von uns spielt. Hier geht es um das Ganze: Entweder bist du wie ich, oder du hast keine Rechte. Im Extremfall - auch kein Recht auf Leben. 

Staat und Rassismus


Ein Staat, der den Rassismus lediglich halbherzig oder überhaupt nicht bekämpft, ein Staat, der sich nur um die Interessen seiner eigenen einheimischen Bevölkerung kümmert, unterscheidet sich im Grunde genommen kaum von IS- oder Al-Qaida-Terroristen. 

Die staatlich geduldete Diskriminierung führt zur Erosion der Demokratie und der Gesellschaft. Sie lehrt uns, die Menschenrechte – die jedem Individuum zustehen! - zu missachten: eine sehr gefährliche Lehre, die nie zum Guten geführt hat.

Ein Staat muss handeln. Was helfen die schönsten Parolen oder die klügsten Gesetze, wenn sie stets ignoriert werden und nicht mal die Verfasser sie befolgen?