Mittwoch, 22. Juni 2016

Richtig, richtiger, Steinmeier!

Darauf habe ich gewartet. Auf die Worte, die endlich mein Gefühl und meine Überzeugung ausdrücken. Ich habe so satt von den Indianerspielen mit Kriegsbemalung und lauten “Säbelrasseln und Kriegsgeheul“. Was ist denn der Zweck dieses Spektakels? Dem Gegner Angst einzujagen? Darum geht es doch, nicht wahr? Die nächste Frage lautet also: Wie handelt man aus Angst?


                                                                                      Screenshot


Putin kommt mir nicht in den Sinn


Denken wir bitte das Szenario einfach weiter. Angenommen, Stoltenberg hat Russen erschreckt und Putin zittert sogar vor ihm. Worauf hofft die NATO in diesem Fall? Dass sich Putin im Mauseloch verkriecht? Oder dass er auf die Knie fällt und um Gnade fleht? Ist das wirklich die Vorstellung von diesen Herrschaften, dann muss ich ihnen die (Wieder)Lektüre der Texte über den zweiten Weltkrieg und die Leistungen von Russen dringend empfehlen. Nehmen wir Stalingrad und Leningrad als Beispiele, was Russen durchstehen können, wenn es hart auf hart kommt. 

Mit diesen Überlegungen im Hinterkopf will ich wissen, wer wirklich daran interessiert ist, die Lage anzuheizen.  Komisch, Putin kommt mir nicht in den Sinn. 


Mit den Traumata kenne ich mich sehr gut aus


Die NATO lässt sich von den Ostländern, die den Atem vom großen Bruder immer noch im Nacken deutlich zu spüren glauben, instrumentalisieren. Allen voran stellt sich Polen in den Vordergrund. Wenn es ganze traumatisierte Völker gibt, dann gehören die Polen absolut dazu. Sie sind sozusagen der Inbegriff der Traumatisierung! Das Schicksal dieses Landes ist der „falschen“ geopolitischen Position geschuldet: mitten zwischen Großmächten und stets im Wege. Über mehr als Jahrhundert von der Landkarte gelöscht, erlebte das Land in der relativ neuen Geschichte die deutsche und die sowjetische Okkupation hintereinander. Die daraus entstandenen Traumata wurden von den Eltern an die Kinder und Kindeskinder weitergegeben. 

Ich kenne mich mit den Traumata seht gut aus. Lest doch bitte mein Buch „Der Schrei eines Untieres“ (als E-Book unter dem Pseudonym Gabi Scheren herausgegeben) und ihr werdet sich davon selbst überzeugen.  Daher weiß ich, wie behutsam man mit den Traumatisierten umgehen soll und wie viel Zeit (manchmal ein ganzes Leben) das Loslassen der Vergangenheit kostet. 

Sagt mir deswegen bitte nicht, dass die Traumatisierten in der Lage sind, die wahren Bedrohungen zu erkennen. Das tun sie nicht. Sie stecken mit den beiden Beinen in der Vergangenheit. Ich wiederhole für die langsamen Denker: Die Traumatisierten leben zum Teil in der Vergangenheit und lassen sich von ihren Ängsten treiben. Aus diesem Grund entspricht ihre Wahrnehmung von Gefahren nicht der Wirklichkeit. 

Falsch, falscher, der Bild-Kommentar


Gab es da nicht ein Versprechen? Eben! Hat sich die NATO mit ihrer Versicherung "Niemand beabsichtige die Ausdehnung nach Osten" nicht wenigsten mitschuldig gemacht? Genauso wie die EU mit ihrer tölpelhaften Politik gegenüber Russland? 

Daher finde ich den Kommentar von Julian Reichelt einseitig und falsch. Steinmeier hat recht. Wir brauchen Gespräche, immer und immer wieder, und keine “Säbelrasseln und Kriegsgeheul“.

Mittwoch, 15. Juni 2016

Unser aller Korpsgeist

An einem Gemeinschaftsgefühl hat man gewöhnlich wenig auszusetzen, außer wenn der Zusammenhalt zu einem beinahe religiösen Gebot erklärt wird. Der Korpsgeist entwickelt sich in diesem Fall meist zum Kadavergehorsam.


                                                                                                                    Foto: Autorin

Klappe halten


Dazuzugehören ist uns, Menschen, sehr wichtig. Wir werden zu Menschen nur unter den Menschen. Darum strengen wir uns an, ein Teil von etwas – Familie, Team, Gesellschaft - zu werden. Jede Generation definiert aufs Neue ihre Vorbilder oder Ziele und erlebt eigene Abhängigkeiten und Unterwerfungen, die sich genauso schwer austreiben lassen wie Drogensucht. 

Was bedeutet für ein Individuum, zu einer Gruppe zu gehören? Dass man sich den Stärkeren unterwirft? Denen also, die sich durchgesetzt hatten, weil sie besser führen oder manipulieren können? Wie geht man mit den unterschiedlichen Begehrlichkeiten und Forderungen untereinander um? Wer gibt nach und wer nur an? 

Natürlich existieren verschiedene Formen und Konstruktionen des Zusammenhalts mit positiven und negativen Auswirkungen und mit ihrem Preis. Eine Gruppe entsteht nie als eine einfache Summe der einzelnen Personen. Sie entwickelt stets ihre eigene Dynamik. Egal jedoch, ob sie streng oder locker-flockig organisiert ist, verlangt sie uns einiges ab. Manchmal muss man als ihr Teil relativ schnell lernen, die Klappe zu halten, wenn man nicht den Mainstream vertritt.  Der Preis der Zugehörigkeit für die Mitglieder ist mitunter sehr hoch und kann auch den Verzicht auf die Freiheit im Tun und Denken bedeuten. 

Individualisten in der Klick-Gesellschaft


Diesem gemeinschaftlichen Druck sich zu widersetzen, fällt dem Einzelnen selbstverständlich nicht leicht. Das Bestehen auf eigene Meinung kann im Endeffekt den Ausschluss aus der Gemeinschaft bedeuten. Eine harte Strafe für ein soziales Wesen, egal ob die Maßnahme ohne oder mit allen Formalitäten erfolgt.  Ein Individualist erscheint eben vielen als eine Bedrohung. 

Und überhaupt: Wozu braucht eine Gesellschaft Individualisten? Auf jene Frage antworten die Diktatoren eindeutig klar: Die Individualisten gehören nicht dazu. Sie werden als Feinde und Verräter abgestempelt. Damals wie heute

Leider scheinen sie in der angeblich demokratischen Welt genauso unerwünscht  zu sein. Die Masse-statt-Klasse-Gesellschaft - oder Klick-Gesellschaft - hält wenig von den Sonderlingen, die gegen den Strom schwimmen, und sortiert sie aus. Der Korpsgeist macht sich stets bemerkbar, einerlei ob online oder offline. Der Gruppenzwang funktioniert nach wie vor und bildet die Grundlage der sozialen Interaktionen. Die Devise „Wenn du nicht für uns bist, bist du gegen uns“ beherrscht das politische und gesellschaftliche Leben. 

Wir beobachten zurzeit eine beunruhigende Entwicklung zur Spaltung von den Gesellschaften, die eben nur diese zwei Möglichkeiten zu kennen scheinen. 

Deswegen spreche ich mich gegen den Korpsgeist und für die Individualisten aus. Ich verlange den Artenschutz für Nonkonformisten.

Mittwoch, 1. Juni 2016

Wenn es so gut ist, wieso ist es so schlecht?

Durch das Land rollt eine Welle der Empörung über die rassistische Äußerung vom AfD-Vize Alexander Gauland. Der AfD-Mann soll gesagt haben, dass der farbige Spieler Jérôme Boateng (in Deutschland geboren!)als Fußballer zwar gut sei, aber niemand wolle solch einen Nachbar. Die Solidarität mit Boateng ist überwältigend. Alle wollen ihn auf einmal als Nachbar begrüßen. Entzückend!


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Bunte Smarties mit braunem Inhalt


Ist der Rassismus in Deutschland also ein seltenes exotisches Phänomen? Wer dies bejaht, muss meine Titelfrage beantworten: Wenn es so gut ist, wieso ist es so schlecht? Ich freue mich natürlich über die allgemeine Sympathie für Boateng. Das Problem ist damit aber nicht gelöst. Die grausame Fresse des Rassismus erschreckt mich nicht nur vor der rechten Seite. Obwohl von dort immer wieder aufs Neue die schlimmsten Vorschläge aus der Vergangenheit ausgegraben werden.

Wesentlich interessanter ist in diesem Kontext jene Frage, die Jakob Augstein auf Twitter gestellt hat: „Wie viele Deutsche sind wie Smarties: außen bunt aber innen ganz braun?“ Damit trifft er ins Schwarze. Jetzt haben wir den Farbensalat! Es geht hier nicht mehr um die politische Korrektheit des Gesagten oder Gezeigten. Es geht nicht mehr um das Schwenken von richtigen bunten Fähnchen bei der Demo.  Vielmehr geht es ans Eingemachte.

Richtig oder falsch, schwarz oder weiß


Rassismus will Menschen spalten. Sein Ziel ist die Diskriminierung und Erniedrigung der angeblich Nicht-Gleichwertigen. Der Status eines Menschen wird automatisch mit seiner „Rasse“, Herkunft oder Orientierung verbunden.  Die „richtige“ Eigenschaften belohnt man mit den Vorteilen, die „falschen“ bestraft man auf unterschiedliche Art und Weise. Rassisten sehen die Welt schwarz-weiß.

Rassismus bildet folglich eine bewusste oder unbewusste Grundlage  des Handelns von Menschen und Institutionen. Ja, Rassismus hat System. Oder anders gesagt: Es handelt sich hier nicht um einen individuellen Ausrutscher, sondern um ein Gruppenphänomen. Rassismus funktioniert erst in einer Gemeinschaft, er wird durch eine Gemeinschaft getragen. Ein einzelner Blödmann, der die rassistischen Parolen herausbrüllt, könnte höchstens ein Fall für den Psychiater sein. Dass er das nicht wird, liegt an der schweigenden oder auch lauten Unterstützung von vielen Gleichgesinnten. Rassismus wird uns meist anerzogen. Daher fällt es so schwer ihn auszutreiben, zu bekämpfen.

Menschenrechte light


Über einen institutionellen Rassismus spricht man dann, wenn die existierenden Strukturen und Gesetze eine Diskriminierung ermöglichen. Wir finden ihn überall in Deutschland: in der Schule, in den Behörden und in der Arbeit. Manchmal ist er schwer zu beweisen, wie zum Beispiel schlechtere Noten oder abgelehnte wegen Herkunft Anträge. Oder wie bei der grundsätzlichen Einstellung der handelnden Person, die von den Institutionen geduldet oder sogar empfohlen wird, dass das Fremde nicht so viel wie das Deutsche, also weniger Wert ist. Sozusagen: institutionell verordnete Richtlinie für die Menschenrechte light, die lediglich zur Hälfte oder zum einen Viertel gelten sollten, je nach Lust und Laune des entscheidenden Individuums.

Was sich dagegen offensichtlich auf die rassistische Ideologie stützt ist die Abwehrpraktik gegen das Fremde, die wir überall vorfinden, wo es um mehr geht: mehr Geld, Einfluss, Macht, Anerkennung. Schon die geltende und verpflichtende Art von den Bewerbungen um einen Arbeitsplatz ermöglicht das Aussortieren von den Andersartigen. Kein Wunder, dass sich Migranten so schwer durchsetzen können und dass sie in dem öffentlichen Dienst oder den öffentlich-rechtlichen Medien kaum vertretbar sind. Machen wir uns nichts vor: Das ist so gewollt.