Mittwoch, 25. August 2021

Heikel, heikler, das Vermögen

Ein Blick reicht es, um die Vermutung, Radosław Sikorski könnte ein Freund der PiS-Regierung sein, kategorisch auszuschließen. Trotzdem verteidigt er ihre letzte Entscheidung. Sein beinahe einziger Vorwurf lautet, sie vermittle eigenes Handeln schlecht.

                                                                          Um die Korruption zu bekämpfen

Ein Fehler und eine Behauptung


Unter dem Titel „Privatvermögen hat keinen Glaubenscharakter“ (Mienie prywatne nie ma charakteru wyznaniowego“, Dziennik Łódzki“, 21-22.08.2021) erschien ein Interview mit dem ehemaligen Außenminister unter Donald Tusk. Darin bemerkt Radosław Sikorski, dass man anscheinend in Israel nicht verstanden hat, worum es geht bei der Änderung des polnischen Verwaltungsgesetzes (nowelizacja Kodeksu postępowania administracyjnego). Hauptsächlich handele es sich um die kommunistischen Enteignungen nach dem Krieg und nach dem Holocaust. 

„Schade, dass man das nicht erklärt hat, aber Israels Außenminister beging einen Fehler, weil man in dieser Sache Polen nicht besiegen kann. Er kalkulierte dennoch, dass er Polen auf der internationalen Arena beleidigen darf.“

Zu seiner Zeit (in der Regierung) wäre das nicht möglich, behauptet Sikorski selbstsicher.

Eine Frage und eine Antwort


Besitzangelegenheiten gehören zu den kompliziertesten.  In Polen noch ein bisschen mehr. Der Journalist Roman Laudańsk stellt dennoch eine direkte Frage:

„Haben wir jemals für das jüdische Vermögen bezahlt?“
Sikorskis Antwort ist ausführlich:
„Jüdisches Vermögen das ist das Vermögen der jüdischen Verbände und Gemeinden – Synagogen, Friedhöfe, Besitz der Vereine. Sie wurden großzügig zurückgegeben, genauso wie den anderen Glaubensgemeinschaften, darunter auch der katholischen Kirche. Das Vermögen verwalten verschiedene Organisationen, auch aus den USA. Ein Teil der Gelder verwendete man für die Pflege des jüdischen Kulturerbes in Polen, der andere Teil wurde ins Ausland transferiert. Das ist das wahre jüdische Vermögen. Das Privatvermögen hat in Polen keinen Glaubenscharakter. Gewiss hat die Mehrheit von uns mal eine Immobilie gekauft oder verkauft und weiß, dass wir im Grundbuch keine Religionszugehörigkeit deklarieren. Das ist eine Angelegenheit zwischen Polen und seinen jetzigen oder ehemaligen Bürgern, unabhängig von der Religion.“

Gegen Mafia, für Gerechtigkeit


Radosław Sikorski bezieht auch eine klare Stellung zur sogenannten „Wilden Privatisierung“, die erst die PiS-Regierung beendet und die Täter gerichtlich belangt hat. Über diese „Wohnungsmafia in Warschau, die sich auf die fiktiven jüdischen Erben berief“ (Roman Laudańsk) sagt Sikorski:
„Das war organisierte Kriminalität, die Täter gehören ins Gefängnis. Derartiges Prozedere konnte diese Intensität erreichen aus vielen Gründen wie Zerstörung  der Hauptstadt, Bierut-Dekrete und Verworrenheit Warschauer Besitzangelegenheiten. Im Konsens der politischen Kräfte beschloss man dem ein Ende zu setzen. Es gab 30 Jahre Zeit für die Lösung der Streitigkeiten. Immer noch möglich ist aber ein Zivilprozess. Ich bin davon überzeugt, dass diese Entscheidung keinen antisemitischen Charakter hat. Sie wurde herbeigeführt, nicht um den polnischen Juden Unrecht zu tun, sondern um die Korruption zu bekämpfen. Daher sind die Anschuldigungen des israelischen Ministers verfehlt.“ 
Dem ist nichts hinzuzufügen. 

Sonntag, 22. August 2021

Berichterstattung über Polen – ein Ärgernis

Kann man anders über Polen berichten? Bestimmt, aber nicht in Deutschland. Hier ist die Marschroute vorgegeben: haut auf die polnische PiS-Regierung drauf! Wobei sich die schimpfenden Journalistinnen und Journalisten nicht entscheiden können, in welche Ecke sie Polen zur Strafe stellen sollen. Der Ton ist aber klar: herablassend, feindlich und einseitig bis an die Schmerzgrenze. Der „Spiegel“-Artikel „Jenseits des Rechts“ von Maximilian Popp und Jan Puhl (Nr. 33) passt perfekt in das Schema.


                                                                            Kann man anders über Polen berichten?


Pauschal und generalisiert

Man nimmt also ein paar Unzufriedene und generalisiert zu einem Gesamtbild. Ich versuche diese Vorgehensweise an einem deutschen Beispiel veranschaulichen. Dafür hätte ich einen Richter gebraucht, der laute und medienwirksame Kritik über Frau Merkel und ihre Regierung äußert. Gibt es solch einen nicht? Wieso? Sind alle mit Merkel zufrieden? Wohl kaum. Die Richter entweder trauen sich nicht, ihre Meinung zu sagen, oder wollen sich nicht politisch einbringen, weil ein Richter unparteiisch bleiben soll. Nicht wahr? Für Polen darf diese Regel dennoch nicht gelten, laut deutschen Medien.

Dämonen an der Weichsel

Zum gängigen Mittel derartigen „Journalismus“ gehört Dämonisierung des Gegners, weil es hier eigentlich nicht um die Berichterstattung, sondern um eine ideologische Mission geht. Dafür konstruiert man ein Monster. 

Das Monster heißt in diesem Fall Jarosław Kaczyński. Er wird als gefährlich und allmächtig dargestellt. Wer die polnische politische Landschaft ein wenig kennt – stets in Bewegung, mit vielen Parteien und sich andauernd verändernden Allianzen – der wird mit dem Kopfschütteln nicht mehr fertig.

Verschwörung mit dem Traum der Schwiegermutter

Wieso tun das die deutschen Medien? Die Antwort auf die obige Frage wäre höchst interessant, würde sie eine ehrliche. Die naive Hoffnung lassen wir lieber beiseite.  In der Zwischenzeit versuche ich mich in Spekulationen und Verschwörungstheorien.

Die Wurzeln der heutigen Situation reichen tief in die Vergangenheit. Seit der Okkupation scheinen die Nachfolgegenerationen von faschistischen Mördern ihren Opfern nicht verzeihen können, dass sie keine Opfer mehr sein und auf Augenhöhe mitreden wollen. 

Die Kriegsrechnung ist immer noch offen und die Nazipropaganda quicklebendig. Die gezielte Vernichtung von Eliten, Kulturen und Gesellschaften deuten heute Propagandisten dreist um. Die Nazis hätten vor Freude über die vielen folgsamen Schüler gehüpft.

Es wundert in diesem Kontext nicht, dass sich einer wie Jarosław Kaczyński, der sich aufrichtet und Forderungen stellt, bestens als Zielscheibe jeglicher Attacken eignet. Ganz anders als der Traum aller Schwiegermütter Donald Tusk, Jungendfreund von Angela Merkel und ihr späterer Protegé. 

Der unersättlichen Machtbesessenheit von Frau Merkel steht einer wie Jarosław Kaczyński einfach im Weg – sie will die EU unterjochen, ihr Appetit ist enorm. Donald Tusk, ihre Marionette, erweist sich hierfür als nützlicher Idiot.  

Merkel selbst darf sich jedoch nicht mit Katharina der Großen (ihrem Vorbild) vergleichen. Denn sie hängt an den Schnürchen der mächtigen deutschen Familien. Familien mit langer Tradition. Auch Nazi-Tradition. Da ist man nicht wirklich wählerisch.

Darf ich überhaupt derartige Thesen fabrizieren? Wieso nicht? „Spiegel“ tut es schließlich auch.