Dienstag, 18. Oktober 2016

Urteile über dich selbst!

Eindeutiger konnte das Votum des Fernsehpublikums von „Terror – Ihr Urteil“ nicht ausfallen. Die überwiegende Mehrheit sprach den Piloten frei. Ich selbst war allerdings froh, dass ich nicht wirklich entscheiden musste.

In einem Extremfall, wie aus diesem verfilmten Stück von Ferdinand von Schirach, bleibt es wenig Zeit zum Nachdenken und zum Debattieren. Die Zuschauer würdigten sowohl den Mut des Piloten zum Handeln und unter diesen Umständen eine eigene Entscheidung treffen zu wollen, als auch seine Bereitschaft, die daraus folgenden Konsequenzen zu tragen. Im täglichen politischen Geschäft hätten wir uns viel mehr davon gewünscht, statt Scheinhandlungen und Weiter-so-Taktik, die nur dem Erhalt eigener Macht dient.



                                                    Martina Gedeck als Staatsanwältin. Screenshot


Seien wir ehrlich!


Die filmische Staatsanwältin, von Martina Gedeck grandios gespielt, erinnert, dass Recht und Moral strengt zu trennen sind: "Niemals darf eine moralische Einstellung über die Verfassung stehen." Bekanntlich lautet der erste Artikel unserer Verfassung – unseres Grundgesetzes - wunderbar humanistisch: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Nach diesem obersten Prinzip soll also die Staatsgewalt (im Sinne von Organen und Institutionen des Staates) agieren und entscheiden. Seien wir aber ehrlich: Danach richtet sich der Staat nicht in erster Linie. Die Würde wird relativ oft geopfert. Daran scheinen wir uns inzwischen gewöhnt zu haben.

Vom Subjekt zum Objekt


Die Würde ist ein Attribut eines Subjektes, eines Menschen also, der selbst über sich bestimmt. Entscheidet man über seinen Kopf hinweg, degradiert man ihn zu einem Objekt. Dies geschieht auf verschiedenen Wegen: von ganz offensichtlicher Versklavung zu subtileren Methoden, die auf den ersten Blick einen Anschein der Rechtsmäßigkeit bewahren. 

Dazu zählt zum Beispiel die staatliche Tolerierung von massenhafter Armut in einem reichen Land wie Deutschland, mit dem Argument: selbst schuld. Oder Zerstörung der Zukunftschancen von den armen Kindern, weil nur die Eltern für sie verantwortlich sein sollten. Das ist aber lediglich ein nicht zu großer Teil der Wahrheit, weil es hier um strukturelle und nicht individuelle Probleme geht. Wie auch in dem besonders drastischen Beispiel der Hartz-Gesetze. Von einem Kriminellen entworfen, gaukeln sie uns vor, die Notwendigkeit von Druckausübung auf die angeblich faulen Arbeitslosen.  

In Wirklichkeit werden die Hartzer in Geiselhaft genommen. Niemand bemüht sich ernsthaft, sie in Arbeit zu bringen. Man braucht sie zu anderen Zwecken als Sündenböcke, die abschreckend auf die Arbeitnehmer wirken sollen. 

„Die da oben“ und der Rest


Es wäre jedoch zu einfach „die da oben“ allein für die Missstände verantwortlich zu machen. Jede und jeder von uns trägt in seinem kleinen oder größeren Bereich auch die Verantwortung für die Entwicklung – entweder zum Guten oder zum Schlechten. Weil Terror hier unter uns entsteht. 

Legt also bitte Hand aufs Herz und urteilt über Euch selbst: Seid Ihr wirklich unschuldig?