Donnerstag, 28. Dezember 2023

Der Weg von Donald Tusk oder Quo vadis Polen?

 Wieso handelt Donald Tusk, der neue polnische Ministerpräsident, wie er handelt? In seinen Entscheidungen glauben einige die Züge des Kriegsrechts zu erkennen. Die deutschen mehr oder weniger öffentlichen Medien, die sehr parteiisch aus Polen berichteten und immer noch es tun, informieren auf einmal schmallippig, als ob sie ihren Jubel nach dem Tusk-Gewinn schnell vergessen wollten. Hat sie die aktuelle Entwicklung kalt erwischt? 


Viele Wege führen oder auch nicht


Tusk konnte doch anders vorgehen, bemerkt Rafał Woś, ein polnischer Journalist:
„Zur Wahrheit gehört die Feststellung, dass weder Tusk noch Sienkiewicz, noch Bodnar oder Hołownia waren gezwungen, das zu tun, was sie tun. Sie alle konnten nach den Wahlen am 15. Oktober viele andere Wege gehen. Der überwiegende Teil ihrer Wähler (die schweigende Mehrheit, wie ich glaube) erwartete sogar, dass sie eben diese andere Wege wählen werden.“
(„Prawda jest taka, że ani Tusk, ani Sienkiewicz, ani Bodnar, ani Hołownia nie musieli robić, tego co robią. Oni wszyscy mogli po wyborach 15 października pójść wieloma innymi drogami. Więcej nawet - ogromna część ich wyborców (śmiem twierdzić, że ich milcząca większość) - oczekiwała wręcz, że oni pójdą właśnie tymi innymi drogami.”)

Dieser Artikel erschien am 21.12. Noch vor Weihnachten. Nach Weihnachten, am 27.12., präsentierte sich Donald Tusk auf seiner Pressekonferenz im Lammfell und beschuldigte die PiS der Verantwortung für all das Übel. Die Gewalt komme ausschließlich von der PiS. Er dagegen sei so friedlich, dass man ihn sogar frage, wieso er keine Gewalt anwende.  Tusk kündigte an, dass sein Kulturminister "ruhige, rationale Entscheidungen treffen" werde. 

 Herr Sienkiewicz tat es direkt danach und löste die öffentlich-rechtlichen Aktiengesellschaften auf - TVP (Polnisches Fernsehen). Polskie Radio (Polnisches Radio) und PAP (Polnische Presseagentur).

 Was wollte der Minister uns sagen?

In „Rzeczpospolita“ - einer Zeitschrift, die nicht zu #PiS-Freunden zählt – versucht Dr. habil. Iwona Gębusia, Rechtsbeistand, die Entscheidung des Ministers aus der rechtlichen Perspektive zu beleuchten, und konstatiert die Diskrepanz zwischen dem Gewollten und dem Getanen. Was Herr Minister anstrebt, ist die Restrukturierung. Was er verlautbart, ist die Liquidation. 

„Der Unterschied zwischen Liquidation und Restrukturierung besteht darin, dass die Liquidation das definitive Beenden der Aktivitäten bedeutet, die Restrukturierung dagegen – die Sanierung des Vermögens und der Finanzen und die Rückkehr zur normalen Tätigkeit auf dem Markt.“ 

(„Różnica pomiędzy likwidacją a restrukturyzacją polega na tym, że w przypadku likwidacji jej celem jest definitywne zakończenie działalności, zaś w przypadku restrukturyzacji – sanacja majątkowa lub finansowa i powrót przedsiębiorstwa do normalnej działalności na rynku.”)

„Ich bin nicht davon überzeugt – schlussfolgert Gębusia -, dass die Liquidation der medialen Aktiengesellschaften den Gordischen Knoten durchschlägt. Eher wird das zu einem weiteren Verknoten führen.“

„Nie mam przekonania, że otwarcie likwidacji spółek medialnych przetnie węzeł gordyjski. Prędzej doprowadzi do kolejnego zapętlenia.”


Donnerstag, 14. Dezember 2023

Politisches Erdbeben nach dem Wechsel: Tusk an der Macht in Polen

 Die Tusk-Regierung will Woiwoden, die obersten Chefs der Verwaltung in den Woiwodschaften, austauschen. Dieser Vorgang läuft folglich ab: Der Ministerpräsident ernennt und entlässt Woiwoden auf Vorschlag des Ministers des Innern und der Verwaltung. Der aktuelle Minister heißt Marcin Kierwiński. Seit 2020 hat er die Funktion des Generalsekretärs der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska), die Partei von Tusk, inne.


Den angekündigten Schritten des Ministerpräsidenten wollte Tobiasz Bocheński, Woiwode von Masowien (wojewoda mazowiecki) zuvorkommen, weil er nicht auf seine Entlassung zu warten beabsichtigte. Am Mittwoch gab er öffentlich die Einreichung seines Rücktrittsgesuches im Eilverfahren bekannt. 

Die geplanten Umbildungen betreffen  viele Gebiete. Tusk-Regierung bereitet personalen Austausch vor in verschiedenen Institutionen der Landwirtschaft wie auch im Bereich der Finanzen und der Wirtschaft.

Es geht um Tausende von Posten.

Wir suchen keinen Nachfolger

Währenddessen stellt sich die PiS-Partei auf ihre Rolle in der Opposition ein. In einer Erhebung nennen 22,4 der Befragten Jarosław Kaczyński als den neuen Oppositionsführer, den zweiten Platz belegt Mateusz Morawiecki.

Beata Szydło, frühere Ministerpräsidentin von Polen, vermutet, dass Donald Tusk in seiner neuen Regierung (er war bereits zweimal an der Macht in Polen) mehr Puder gebrauchen und sich um einen guten Eindruck bemühen werde. Die unpopulären Vorhaben müssen für ihn dann die anderen erledigen. Szydło erwartet also mehr Schauspiel und Show (kreacja i show) von Tusk.

Was ihre eigene PiS-Partei betrifft, bescheinigt sie ihr Durchhaltevermögen und Widerstandsfähigkeit: 

"Wir haben ein gutes Programm. Sehr viele unserer Versprechen haben wir bereits erfüllt. Polen hat sich in den letzten acht Jahren sehr gut entwickelt. Unsere Sozialprojekte ermöglichten polnischen Familien endlich ein würdiges Leben."

Die Frage nach dem Nachfolger in ihrer Partei stellt sich laut Szydło zurzeit nicht.  "Jarosław Kaczyński ist unsere Gewinngarantie für die nächsten Wahlen." Sie selbst kandidiere demnächst wieder für das EU-Parlament.


Mittwoch, 13. Dezember 2023

Der polnische Wechsel: Donald Tusk legt mit einer Walze los

 Während sich Deutschland über den neuen Ministerpräsidenten von Polen freut, wütet Donald Tusk bereits auf der politischen und medialen Bühne.


Tusk will auf einen Schlag mehrere Chefs der Nachrichtendienste entlassen und ferner die öffentliche Medienlandschaft plattmachen. 


 Es wurde erwartet, dass Mateusz Matyszkowicz, Präses des Polnischen Fernsehen - Telewizja Polska -, seine Arbeit bereits am 13. Dezember, also dem Tag der Vereidigung neuer Regierung, verliert. Dass dies nicht passierte, bedeutet keineswegs die Änderung des Planes. Zu den Befugnissen des neuen Kulturministers, Bartłomiej Sienkiewicz, gehört die Möglichkeit, den ganzen Vorstand  des Polnischen Fernsehen zu suspendieren.

Es scheint zwischen den neuen Machthabern Einigkeit zu herrschen, über die Notwendigkeit der großangelegten „Säuberung“ der öffentlichen Medien. Unsicherheit besteht noch in der Wahl des Weges und Methoden.

Jedenfalls haben das Polnische Fernsehen und das Polnische Radio bereits am Dienstag, den 12.12., informiert, dass das Amt des neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk den beiden Institutionen die Akkreditierung in der Regierungsdelegation zum EU-Gipfel in Brüssel untersagt hat.


Sonntag, 10. Dezember 2023

Durch Feuer zur Freiheit – (nicht nur) tschechische Geschichten

 Jan Hus hatte einen Traum, den Martin Luther später zu Ende träumen durfte. In diesem Traum sehnte er sich nach der Rückkehr zu wahren Fundamenten des Glaubens. Er wagte es, die in seinen Augen sündige Kirche zu kritisieren. Außerdem predigte er auf Tschechisch. Das tat er hier, in der Bethlehemskapelle in Prag:



Die Antwort des Papstes auf derartige Reformträumereien war unmissverständlich: ein Kirchenbann in 1410. 

Dennoch entschied sich Jan Hus später die Einladung zum Konstanzer Konzil "unter Zusicherung von freiem Geleit" anzunehmen. Das Ende der Geschichte war vorprogrammiert. Die Kardinäle haben ihn in Konstanz verhaftet und der Ketzerei angeklagt. Da Hus sich weigerte, seine Lehren zu widerrufen, wurde er zum Tode verurteilt. Sein Traum brannte mit ihm im Feuer aus. Er starb am 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen.

Der Tag seiner Hinrichtung ist heute ein Nationalfeiertag in Tschechien. 

Tod des Frühlings


Den Traum von Freiheit träumen Menschen immer wieder aufs Neue. Über 500 Jahre später wagten Tschechen, im Warschauer Pakt unter russischer Herrschaft gefangen, mehr Demokratie: das Parlament wurde gestärkt, Opfer des Stalinismus rehabilitiert und endlich führte man öffentliche und offene Debatten. 

Prager Frühling dauerte bis zum 21. August 1968. An diesem Tag marschierten die Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein: 100.000 Soldaten, 2300 Panzer und 700 Flugzeuge. Gegen diese Okkupation protestierte in Prag am 16. Januar 1969 ein 20-jähriger Student, dessen Name um die Welt ging: Jan Palach. Er übergoss sich mit Benzin und zündete sich an.

Ein Denkmal erinnert an ihn:



Gegenüber dem Mahnmal sieht man einen Abguss der Totenmaske von Jan Palach:



In der Nähe hat er studiert:



Protest eines gewöhnlichen Mannes


Ob Jan Palach von Ryszard Siwiec und seiner Selbstverbrennung aus Protest gegen die Intervention in der Tschechoslowakei gewusst hat, ist nicht bekannt. Denn dieser Fall wurde zuerst totgeschwiegen. Obwohl theoretisch unzählige Zeugen zugegen waren. Siwiec tat es während eines Erntedankfestes in Warschau am 8. September 1968, also kurz nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei. Das Fest fand wie jedes Jahr in der Volksrepublik Polen in großem Stil und mit kommunistischen Machthabern auf der Tribüne statt.

Sofort verbreitete man aber eine Version über die Tat eines verrückten Säufers. Die Erinnerungen an Ryszard Siwiec erwachten nach dem Ende des Ostblocks. Sowohl Tschechien als auch Slowakei verliehen Ryszard Siwiec posthum ihre höchsten staatlichen Auszeichnungen.


Donnerstag, 30. November 2023

Schuldenbremse im Augiasstall und eine Vision

 Die Ampel-Regierung stand nach der Wahl und steht immer noch vor der Herkulesaufgabe, den Augiasstall auszumisten.  Unter anderem geht es um jahrzehntelang versäumte Investitionen, zerbröckelnde Infrastruktur, vernachlässigte Bildung,  brachliegende Integration und so weiter und so fort. Hinzu kommen noch „äußere Umstände“: Putins Krieg und der Angriff der Hamas.


Dampflokpfeife des Führers


Was soll man also tun? Viele fordern in dieser Situation nach einem Führer und meinen damit einen, der die ganze Energie nach Hitler-Art brüllend in die Dampflokpfeife fließen lässt. Sie sollen vielleicht eine Sekte gründen und ihren Guru anbeten. 

Ach, das ist schon geschehen, wir haben doch die AfD! 

Zurück zu Herkules: er brüllte nicht, sondern dachte nach und suchte in einer ungewöhnlichen Situation nach neuen Methoden, statt alterprobte einzusetzen. 

Ich bin weder Herkules, noch eine Politikerin. Das hier ist aber mein Blog. Daher präsentiere ich jetzt meine Vision.

Abkoppeln, auflösen, neu definieren


Was brauchen wir für die Zukunft? An der ersten Stelle die Kreativität. Dagegen schlagen die CDU, die CSU und vor allem die AfD vorgestrige Lösungen vor, jene, die schon vorgestern veraltet waren.

Unter welchen Bedingungen kann sich die besagte Kreativität im Dienste der ganzen Gesellschaft entwickeln?  In einem Klima, das sich einerseits als gerecht, anderseits als offen und unterstützend erweist.

Dafür brauchen wir die Abkopplung der Bildung von dem Vermögen und der Position der Eltern. Die Schule muss ein Ort sein, der mit dem Wissensdurst ansteckt. Außerdem brauchen wir hierfür eine ganzgesellschaftliche Kontrolle, auch der vermittelten Inhalte, einen Rat, in dem alle Schichten vertreten werden. 

Wir müssen auch den Begriff Arbeit umdefinieren und dadurch die Definitionen des neunzehnten Jahrhunderts endlich verwerfen.  Ein wichtiger, aber auch der schwierigste Schritt in diese Richtung wäre die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens. Im selben Atemzug hätte ich zwei Moloch-Institutionen aufgelöst: Arbeitsagentur und Jobcenter.  Bis heute habe ich nicht begriffen, woraus ihre Aufgabe besteht. Die Arbeitsvermittlung ist das nicht.

Das BGE hätte zur Entstehung einer neuen Gesellschaft geführt, in der jede und jeder das Recht auf Weiterbildung hat. Die traditionelle Ausbildung hätte ich ins Museum geschickt. In Zeiten der Digitalisierung, Automatisierung und Künstlichen Intelligenz brauchen wir ein anderes Konzept, basierend auf „learning by doing“.

Bremsen oder sich fortbewegen? 


Was ist aber mit der Schuldenbremse? Was soll es damit sein? Kein Mensch braucht sie, denn wir müssen in die Zukunft investieren.

Montag, 20. November 2023

Picknick in Groß-Rosen mit Klaus Hofmann

 


Er suchte eine Übersetzerin, die bereit wäre, sich ehrenamtlich zu betätigen. Eine gemeinsame Bekannte fragte mich, so kam mein Treffen mit Klaus Hofmann zustande. Davor wollte ich nichts mehr über die uralten Kriegsgeschichten hören. Das Leben muss doch weiter gehen, glaubte ich. Klaus habe ich zu verdanken, dass ich erwachte, denn die Nazis und ihre Anhänger haben sich nicht einfach in Luft aufgelöst. Nach dem Krieg bekleideten sie weiter viele, darunter auch hohe, Ämter und beeinflussten die Entwicklung von Deutschland. Der beste Beweis dafür ist jemand wie Björn Höcke, der als Geschichtslehrer arbeiten konnte und jetzt öffentlich für Faschismus agitiert. 

Klaus kämpfte gegen das Vergessen. Dieses Vermächtnis hat er uns hinterlassen.

In meiner Erzählung, die im Jahr 2003 entstand, trägt er den Namen Heinrich. Heute hätte ich diese Geschichte ganz anders vorgetragen, ich lasse sie aber in der alten Version und glätte sie lediglich  hier und da, sowie korrigiere einige Fehler. Menschen verändern sich, Faschisten bleiben, wie sie sind: unmenschlich.

Hier findet Ihr meine Erzählung als PDF-Datei: Picknick in Groß-Rosen

Dienstag, 31. Oktober 2023

Wenn die Bild manifestiert und der Spiegel kritisiert

 Diskussionen zu den besonders brenzligen Themen führt man in Deutschland nach dem Prinzip der Pawlowschen Hunde. Es werden konditionierte Meinungen verkündet, gefolgt von konditionierten Reaktionen.  Das Thema bleibt dabei meist weitgehend unberührt. Diesmal läuft es etwas anders ab, obwohl sich die üblichen Denk-Lager gegenüber stehen.


"Das gilt es zu verteidigen"

Die Bild hat sich mit einem Manifest (sie sind neulich in Mode) zu Wort gemeldet. Der Spiegel kritisiert es bereits mit der Schlagzeile: „Wie die »Bild«-Zeitung Vorurteile und Hass schürt“. So weit, so gut; es bleibt alles, wie gehabt - die "Guten" gegen die "Bösen". 

Den Anlass zur Bild-Aktion glaubt der Spiegel zu kennen: die propalästinensischen Demonstrationen in den vergangenen Wochen. 

„Das Manifest soll »Nein« sagen zu diesen Menschen, die die »Bild«-Zeitung nicht klar benennt. Es soll »Eine Leitidee für das, was unsere freie Gesellschaft zusammenhält« sein. Und: »Der Text richtet sich an alle Menschen, die in Deutschland leben.« (Spiegel)

Der Vorwurf, den der Spiegel u.a. erhebt, lautet: die Bild lässt die alte Leitkultur-Debatte wiederaufflammen.  

Nein, das tut sie nicht. Der Begriff „Leitkultur“ erhöht eine, während er die anderen Kulturen als weniger wertigen abzustempeln scheint. Anders verhält es sich mit dem Ausdruck „Regel“. Regeln gelten, oder zumindest sollten sie, für alle.

„In unserem so ­wunderbaren und umarmenden Land ist die Würde JEDES Menschen unantastbar: Egal, welche Haarfarbe er hat, welche Sprache sie spricht, woran man glaubt. Das gilt es zu verteidigen! Wenn wir jetzt stolpern, dann fallen wir.“ (Bild)

Überlege dir deine Punkte

Die Bild sprang hier über eigenen Schatten und brach mit ihren eigenen alten gewohnten Diskussionsmustern. Sie hat uns, Migranten, in die Gesellschaft einbezogen.

Über jeden der 50 Punkte des Bild-Manifests kann man und hoffentlich wird man auch streiten. Nicht aber über den ersten:

„1. Für jeden, der in ­Deutschland lebt, gilt Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“!“

JA! Hoch lebe das Grundgesetz!


Dienstag, 10. Oktober 2023

Die Naiven und die Diktaturen

 Das Sprengel Museum in Hannover erinnerte neulich an die "naiven" Künstler der 1920er und 1930er-Jahre, auch „moderne Primitive“ oder „Outsider Art“ genannt, und an eine Schau, die die Pariser Weltausstellung 1937 begleitete. Die hier präsentierten Werke wurden eben dort ausgestellt. Damals sollten sie „ein bewusstes Gegenbild zu den totalitären Staaten Deutschland und der UdSSR“ setzen.

Edith Dettmann, Mädchen am Fischteich, 1931


Adolf Dietrich, Hermelin und tote Möwe 
in Mondscheinlandschaft, 1908

Camille Bombois, Akt


René Margritte, Das Vergnügen, 1927


Camille Bombois, Ohne Titel, 1935


August Macke, Fingerhüte im Garten, 1912

Zwischen den „naiven“ Künstlern sticht mit ihrem ungewöhnlichen Werdegang und Lebenslauf Séraphine Louis hervor. Ihr Entdecker, der deutsche Kunsthändler Wilhelm Uhde, zählte sie zu den von ihm genannten "fünf primitiven Meistern" (Rousseau, Vivin, Bombois, Bauchant, Seraphine). Sie war zuerst Nonne, dann arbeitete sie als Putzfrau. So lernte sie Uhde kennen.

Séraphine Louis, Blumentrauben auf einer Wiese, 1927

Sobald man das Sprengel Museum verlässt, blickt man wieder auf die 30er Jahre: auf den 2,4 Kilometer langen, 180 bis 530 Meter breiten und nur rund zwei Meter tiefen Maschsee. Nazis posaunten den See propagandistisch als "völkische Tat" raus. Sie logen, wie immer. Denn das Projekt existiert bereits 1876 und "die technischen Details legt 1925 Otto Franzius fest, Professor an der Technischen Hochschule Hannover."



Was ist aber mit der Kunst drumherum?  Die Skulpturen stammen aus der Nazi-Zeit und entsprechen den damaligen Vorstellungen. 

Die 20 Meter hohe Säule mit dem Fackelträger hat Fritz Beindorff gesponsert. Er gehörte 1932 "zu den Unterzeichnern einer Eingabe von Industriellen und Bankiers an Paul von Hindenburg, die die Kanzlerschaft Hitlers forderte"(Wikipedia).



"Fackelträger" von Hermann Scheuernstuhl.

Die beiden Bronzelöwen kommen aus der Hand Arnos Breker. dem durch Hitler geförderten Bildhauer.



"Das Menschenpaar" erschuf Georg Kolbe, dessen Werke Hitler kaufte. Dennoch ließ er sich nicht wie die „Staatsbildhauer“ Arno Breker und Josef Thorak vereinnahmen (Wikipedia).


Es bleibt die Frage, wer hier naiv ist.






Samstag, 30. September 2023

Zu Gast ohne Einladung: Das Auslaufmodell Zoo?

 Schon die alten Ägypter und Chinesen errichteten Tiergärten. Die einen sahen in den Wildtieren ihre Gottheiten, die anderen ergründeten sie wissenschaftlich. 




Im antiken Rom wurden Tiere für Schaukämpfe gebraucht. 

"Allein 5.000 Tiere starben, als das Kolosseum in Rom 80 n. Chr. eröffnet wurde."

 Früher stellte man sogar Menschen neben den Wildtieren zur Schau.

„Bis 1940 wurden in deutschen Zoos sogar Menschen fremder Völker zur Schau gestellt, die Entdecker von ihren Reisen mitbrachten: 1874 veranstaltete Carl Hagenbeck in Hamburg die erste Völkerschau, bei der Besucher Lappländern bei ihrem alltäglichen Leben zusehen konnten. Später wurden im Zoo Hagenbeck unter anderem auch Somalier oder Äthiopier „gezeigt“.

Wofür brauchen wir heute Zoos?

Leisten Zoos vor allem einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz? Oder erfüllen sie ausschließlich den Bildungsauftrag? Und überhaupt: Wieso gehen wir in den Zoo?




Die obigen Fragen sind alles andere als einfach. Daher lauten auch Antworten dermaßen unterschiedlich: von der Ablehnung dieses Auslaufmodells bis zur Hervorhebung der stets wachsenden Bedeutung derartigen Einrichtungen für den Schutz der Artenvielfalt.

Irgendwo dazwischen liegen Neugier und Unterhaltung, die uns zu einem Besuch im Zoo animieren. 



Capybara oder Wasserschwein

Präriehund

Pinselohrschwein oder Flussschwein 


Gastgeber und Gäste

Wenn wir Wildtiere besuchen, kommen wir nicht mit einer Einladung. Denn unsere „Gastgeber“ wohnen dort nicht freiwillig. Sie sind Gefangene, egal, wie schön die Landschaften um sie herum gestaltet und wie viel Spielraum ihnen ihre Pavillons, Gehege und Auflaufflächen bieten. 






Wir lernen sie also in einer unnatürlichen Umgebung kennen. Ihr Verhalten weicht demnach von dem in der Natur ab. Auch wir tragen dazu bei. Denn nicht nur wir beobachten die Tiere, sie observieren uns ebenso.




Jakobschaf


Alle Fotos zeigen den größten polnischen Zoo in Wrocław.

Sonntag, 17. September 2023

Die eingerissene Brandmauer in Thüringen und die Stärke der AfD

 Nachdem die CDU mit Hilfe der AfD die Steuersenkung in Thüringen beschlossen hat, ist der Aufschrei im Land groß. Dass die politische Brandmauer zur AfD eingerissen wurde, klagen viele, unabhängig von der Orientierung. Auch die CDU streitet intern darüber.

Unterdessen ruft Nikolaus Blome die demokratischen Parteien auf, sich an die eigene Nase zu fassen, und stellt eine wichtige Frage: „Warum ist eine rechtsextreme Hasspartei wie die AfD überhaupt so stark?“ Ja, warum denn?

Screenshot


Ein Blick zurück


Wie weit zurück muss man gehen, um die obige Frage zu beantworten? 

Ich versuche zuerst mit dem Jahr 1965

„Das ganze Deutschland soll es sein, so fordern dies die Vertriebenenverbände und so fordern es die Politiker: das Deutschland von 1937 mit Ostpreußen, Pommern, Ostbrandenburg und Schlesien. Ob Erhard spricht oder Brandt, ob Strauß oder Mende, ob Jaksch oder Lemmer, wer auch immer zur Frage der deutschen Ostgebiete spricht, betont das Recht, nicht Revanche-Gedanken bestimmen die Reden, sondern moralische und juristische Argumente, das Heimatrecht, das Selbstbestimmungsrecht und das Völkerrecht. Und sie sind sich einig, dass der juristische Anspruch auf die deutschen Ostgebiete niemals aufgegeben werden darf.“

Was hier nach Björn Höcke klingt, gehörte zum guten Ton im offiziellen politischen Diskurs. Der Bericht selbst stammte vom SWR, also dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Der Vollständigkeit halber muss man erwähnen, dass die Gesellschaft realistischer als die Politik die revanchistischen Gelüste einschätzte: "Nur noch 28% der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik, einheimische Flüchtlinge und Vertriebene zusammen, (glauben) an eine Rückkehr der Ostgebiete zu Deutschland.“

Na gut, könnte man sagen, das ist schon eine halbe Ewigkeit her. Seitdem hat sich sehr viel verändert. Wirklich? Ich mache jetzt die Probe aufs Exempel: Wie wäre es mit dem Jahr 1989? Hören wir zu, was damals Theo Waigel, zu der Zeit Bundesfinanzminister und CSU-Vorsitzender, sagte:

"Mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 ist das Deutsche Reich nicht untergegangen. Es gibt keinen völkerrechtlich wirksamen Akt, durch den die östlichen Teile des Deutschen Reiches von diesem abgetrennt worden sind. Unser politisches Ziel bleibt die Herstellung der staatlichen Einheit des deutschen Volkes in freier Selbstbestimmung.“

Die AfD könnte diese Aussage vollständig übernehmen, ohne Imageschaden.

Da alle guten Dinge drei sind, starte ich den dritten Versuch und schaue mir einen Beitrag über Vertriebene aus dem Jahr 2010 an. 

Hm, man wird hier an alte Parolen erinnert: "Niemals Oder-Neiße Grenze", "Wer Schlesien, Pommern und Ostpreußen verrät, verrät auch Deutschland". Das sind eben jene Menschen, die das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin initiiert haben; das Zentrum, in dem den Schwerpunkt gelegt wird auf das Schicksal der 14 Millionen Deutschen, die am Ende des Zweiten Weltkriegs ihre Heimat verlassen mussten.

Darf man sich noch bei derartiger Erinnerungskultur über die Entstehung und Erfolge der AfD wundern?

Donnerstag, 14. September 2023

Der springende Punkt bei Maischberger

 In der gestrigen Sendung von Sandra Maischberger nickte ich zustimmend den Ausführungen von Jan Fleischhauer. Das ist der springende Punkt, dachte ich mir. Nein, nein, nicht zum Thema Bürgergeld. Davon hat er überhaupt keine Ahnung und sitzt diesbezüglich auf einem falschen Dampfer, der gegen die Mauer fährt. Was aber sein journalistisches Milieu betrifft, da kennt er sich wirklich gut aus.

Screenshot


Aiwanger – eine konstruierte Affäre


„Darf man jemandem etwas vorhalten, was er angeblich oder auch richtig vor 35 Jahren gemacht hat?“, fragt Maischberger und Fleischhauer bejaht. Natürlich dürfen Medien alte Sachen herauskramen und präsentieren, wie zum Beispiel ein Pamphlet, das ein 17-jähriger verfassen sollte. Hinterher kommt dennoch von Fleischhauer ein großes Aber:

„Die Frage ist, ob man daraus ableitet, dass er das Amt, das er jetzt innehat, nicht mehr haben darf. Das ist der Anfang dieser Affäre gewesen, dass die Süddeutsche Zeitung das miteinander verquickt hat.“

Die Süddeutsche erschuf daraus  „eine Anklagegeschichte“ und hat sie mit Aiwangers Auftritt in Erding untermauert, um zu zeigen: „Das ist eine Linie bis heute“. Wie er also einmal gewesen sein sollte, ist er bis heute. Unverändert. Menschen ändern sich jedoch, betont Fleischauer ganz im christlichen Sinne. Diese Binsenwahrheit scheint noch nicht bei allen angekommen zu sein. 

Fleischhauers Erklärung dagegen, wieso der Schuss von der Süddeutschen nach hinten losging und „ganz viele Leute instinktiv nicht mehr mitgegangen“ sind, kratzt lediglich an der Oberfläche:

„So wie die Süddeutsche das angefangen hat, hat sie das größte Geschenk an Aiwanger gemacht, das man Aiwanger machen konnte, dass er an ein Gefühl der Fairness bei seinen Wählern und darüber hinaus appellieren konnte.“

Medien – die vierte Macht


Aus der Aiwanger-Affäre könnte man jetzt eine SZ-Affäre entwerfen. Das wäre jedoch zu kurz gegriffen. Denn die SZ verbleibt mit ihrer Handlungsweise leider nicht allein, indem sie ihre Machtstellung wortwörtlich wahrnimmt und mitzuregieren versucht, ohne eine demokratische Legitimation dafür zu besitzen. Ich rede hier über den Missbrauch eigener Macht und die Abhebung von der Gesellschaft. 

Die angebliche Affäre Aiwanger veranschaulicht spektakulär, wie sich Medien Finger schmutzig machen und dabei den Saubermann spielen.

Donnerstag, 17. August 2023

Wenn Spione spionieren

 Im Dezember letzten Jahres wurde ein Spion im Bundesnachrichtendienst enttarnt, jetzt wieder einer in der Bundeswehr-Beschaffungsbehörde. Unbedingt muss man hier den Begriff „Spion“ durch das Adjektiv "mutmaßlicher" ergänzen. Denn die beiden wurden noch nicht verurteilt. Nach dem Stand der Dinge kommt das aber noch, todsicher. 


Unterdessen drängt sich die Frage auf: Warum wird man Spion oder Spionin? Aus ausschließlich ideologischen Gründen oder um Schotter zu verdienen? Dass die Machthaber daran interessiert waren und sind, zu erfahren, was Freude und Feinde im Schilde führen, versteht sich dabei von selbst. Überall wird spioniert und zwar schon immer. 

Daher versuchte man von Anfang an, neuralgische Inhalte zu schützen. Das ist die andere Seite der Medaille.  Diesem Zweck diente unter anderem die Verschlüsselung.

Text auf der Infotafel:
"Julius Caeser setzte ein frühes kryptologisches Verfahren ein, um Botschaften zu verschlüsseln: die Caesar-Chiffre. Dabei wurde jeder Buchstabe einer Nachricht durch einen anderen ersetzt, der im Alphabet drei stellen danach steht. Das heißt: A wird zu D, B wird zu E usw.

In der Renaissance entwickelte der Italiener Leon Battista Alberti (1404 - 1472) die erste Chiffrierscheibe. Mit dieser lässt sich die Caesar-Chiffre leichter und gleichzeitig komplexer anwenden. das Instrument besteht aus zwei Scheiben, von denen die eine das gängige Alphabet und die andere das Geheimtext-Alphabet anzeigt. Die innere, kleinere Scheibe ist drehbar, jede Einstellung ergibt eine neue Verschlüsselung."

Zu den bedeutendsten Entwicklungen in dem Bereich gehört die berühmte Chiffriermaschine der Nazis – die Enigma.


Genauso berühmt ist der Genie, der sie geknackt haben soll, Alan Turing. Weniger bekannt sind andere „Väter“ des Erfolgs. Sir Dermot Turing, Neffe von Alan Turing, schreibt in seinem Buch "X, Y & Z – The Real Story of how Enigma was Broken" über die Rolle von Polen:

„Lange bevor Alan Turing in Bletchley Park überhaupt arbeiten konnte, waren die polnischen Enigma-Knacker schon erfolgreich. Alles, woran man in Bletchley Park arbeitete, entstand auf dem Fundament, das die Kryptologen in Warschau geschaffen hatten.“

Das Spionagemuseum in Berlin erwähnt namentlich einen von ihnen: Marian Rejewski.

Heutzutage tragen Politiker, Manager und Kriminelle ihre „Chiffriermaschinen“ in den Taschen. Die Idee dahinter ist die gleiche: Kryptohandys nutzen spezielle Software, „um Gespräche, Textmitteilungen, aber auch übermittelte Daten abhörsicher zu verschlüsseln.“

Das Spionieren wurde in den Zeiten des Kalten Krieges zum Volkssport. Überall versteckte die Stasi Wanzen und Kameras.

Auch in der Thermosflasche:


oder in der Gießkanne:



Auf dem folgenden Foto sieht man oben Yelka 64, ein Reproduktionsgerät, das bei den konspirativen Wohnungsdurchsuchungen zum Einsatz kam. In der Mitte befindet sich ein Reprokoffer und Polaroid SX-70. Und unten präsentiert sich ein Aktenkoffer zur Postkontrolle aus den1960er Jahren:


Den Trabi, das Symbol des DDR-Alltags, baute die Stasi zu eigenen Zwecken um.


"Der Trabant 601 war das Standardauto der DDR. Umgebaut mit Überwachungstechnik stand er auch in den Diensten der Staatssicherheit. Der wohl kostspieligste Trabant aller Zeiten konnte zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter fotografieren. Dieser "Trabi" ist mit dem Nachbau einer solchen Spionageausrüstung ausgestattet:

Die Stasi versteckte Infrarotstrahler in der Beifahrertür. Von außen wirkte die Tür völlig unauffällig, aber die in der Wagenfarbe lackierte Verkleidung aus Plexiglas war für Infrarotblitze durchlässig. Mit diesem für das menschliche Auge unsichtbaren Blitz und einer in der Nähe postierten Kamera mit Infrarot-Autofokusobjektiv wurde das Fahrzeug zur geheimen Überwachung eingesetzt. Alleine das Objektiv kostete 215.000 Mark." (Infotafel)



Am Ende der Diktatur ging es aber anscheinend nur darum, wie teuer man sich dem bisherigen Feind verkauft. Das zeigt besonders spektakulär der Fall von Alexander Schalck-Golodkowski.

    Alle Fotos stammen aus dem Deutschen Spionagemuseum in Berlin: