Samstag, 13. April 2024

Ein Sparvorschlag für den Finanzminister Christian Lindner

 Christian Lindner verlangt andauernd von seinen Ampel-Mitstreitern und von der ganzen Gesellschaft, zu sparen. Unpopulär. Das Ausgeben macht mehr Spaß, was er selbst auch weiß. Trotzdem habe ich einen Sparvorschlag und packe ihn gleich in den Anfang hinein: Lösen Sie bitte, Herr Lindner, Arbeitsämter und Jobcenter auf. Das sind Monster, die ungeheuer viel Geld verschlingen, und sich ihrem Zweck – Arbeit zu vermitteln – gänzlich entfremdet haben.

Natürlich weiß ich, dass Herr Lindner als Finanzminister nicht die absolute Macht besitzt, um schalten und walten, wie es ihm gefällt. Ich will dennoch den monströsen Elefanten ansprechen.


Wovon reden wir?


Wie sieht denn der Elefant aus?

„Die 150 Agenturen für Arbeit mit ihren etwa 600 Niederlassungen setzen die Aufgaben der BA vor Ort um. Außerdem haben die Agenturen gemeinsam mit Landkreisen oder kreisfreien Städten 300 Jobcenter eingerichtet“, so stellt sich unser Monster selbst vor.

Und wo ist das Hirn dieses Wesens?

„Das Service-Haus ist der zentrale interne und operative Dienstleister der Bundesagentur für Arbeit (BA). Mehr als 100.000 Beschäftigte in etwa 450 Dienststellen (Agenturen für Arbeit und Jobcenter) der Bundesagentur für Arbeit verlassen sich täglich auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BA-Service-Hauses.“

Aha. 

Der Zahlenunterschied – im Zitat oben 600, unten 450 -, der ins Auge sticht, lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass eine Niederlassung nicht unbedingt selbständig sein muss, eine Dienststelle dagegen schon.

Was habe ich aber gegen Elefanten? Nichts, solange sie in der Wildnis leben und nicht mitten in der Arbeitswelt toben.

Hokuspokus Fidibus …


Stellen wir uns jetzt kurz vor, dass wir einen Zauberstab besitzen, und wir die eben geforderte Auflösung auf magische Weise mit einem Wink erledigen. Welchen Gewinn hätte uns diese Handlung beschert? Zählen wir auf:

- Abbau der Bürokratie, die die Wirtschaft und Arbeiterschaft lähmt und für die Zukunft einen riesigen Klotz am Bein bedeutet, 
- enorme finanzielle Ersparnisse, die diese nutzlose Institution für den Erhalt eigener Existenz verbrät. 
- viele Gebäude, die schnell in Wohnungen umgewandelt sein können,
- ein Schar von Arbeitskräften, die woanders gut und sinnvoll gebraucht werden.

Wie kommen dann aber Unternehmer und Arbeiter zusammen? Genauso wie jetzt, ohne Vermittlung von der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter.

Wer zahlt dann das Arbeitslosengeld oder Bürgergeld aus? Das könnten z.B. Sparkassen übernehmen. Sie verfügen über ein imposantes Netz.

Läuft das im Endeffekt nicht auf das Bedingungslose Grundeinkommen hinaus? Wahrscheinlich, aber das BGE wird in den automatisierten digitalisierten KI-Zeiten sowieso notwendig. 

Sonntag, 31. März 2024

Kompliziert, komplizierter, das Verfassungsgericht (Trybunał Konstytucyjny) in Polen

 Im April wird der Sejm, das polnische Parlament, über die Reform des Verfassungsgerichts (Trybunał Konstytucyjny) debattieren. Das Projekt der Tusk-Regierung verspricht eine Lösung der rechtlichen Fragen auf eine "objektive und apolitische Art". Damit meinen die Autoren des Projekts in Wirklichkeit einen Kahlschlag. Denn die aktuelle Situation erfordere eine neue Schöpfung, behaupten sie. In diesem Punkt unterscheiden sie sich kaum von ihren Vorgängern. 


Image des Feindes


Im Gedächtnis von den meisten ausländischen Beobachtern der polnischen politischen Szene blieb mit großer Wahrscheinlichkeit das Bild der ehemaligen PiS-Regierung haften, für welches nicht zuletzt Donald Tusk in seiner Position als Präsident des Europäischen Rates und Vorsitzender der EVP gesorgt hat. Keineswegs handelt es sich um ein schmeichelhaftes Image.  Auf allen Kanälen, darunter auch den deutschen, wurde es nachdrücklich vor der PiS und insbesondere vor Jarosław Kaczyński, den man zum Lieblingsfeind stilisierte, gewarnt: sie wollen eine Diktatur einführen. Diese, allem Anschein nach, gut orchestrierte Kampagne eignet sich bestens für Verschwörungstheorien. Bleiben wir aber bei den Fakten.

Unterm Kriegsrecht geboren


Das Datum des Gesetzes, welches das polnische Verfassungsgericht ins Leben rief, ist geschichtsträchtig – 26.03.1982. Im kommunistischen Polen herrschte damals das Kriegsrecht – ein bis heute nicht gänzlich aufgearbeitetes Kapitel der Nachkriegsgeschichte. Seine Arbeit nahm das Gericht 1986 auf. 

Überspringen wir jetzt einige Jahrzehnte und den Zerfall des Warschauer Pakts und gehen wir zum Anfang des heutigen Konflikts über, zu dem 8.10.2015. Es herrschte zu der Zeit die Tusk-Partei PO (Bürgerplattform) in der Koalition mit der PSL (Polnische Volkspartei). Tusk selbst hat seinen Premier-Posten an Ewa Kopacz weitergereicht und eilte bereits 2014 zur EU.

Am besagten 8. Oktober wählte der Sejm mit der Mehrheit der regierenden Koalition (PO und PSL) fünf neue Nachfolger von Verfassungsrichtern, deren Amtszeit demnächst endete. Aber nicht gleichzeitig. Für drei war das bereits am 6.11.2015 der Fall, für zwei erst im Dezember.

Wechsel am Ruder


Inzwischen fanden in Polen die Wahlen statt - am 25.10.2015. Die PiS-Partei hat gewonnen und das Ruder übernommen. Am 25.11.2015 verabschiedete sie im Sejm ein Gesetz, das die Wahl der Richter vom 8.10. für unwirksam erklärte. Am 2.12.2015 wurden fünf neue Richter gewählt, die diesmal die PiS vorgeschlagen hat. Von diesen Richtern nahm dann Präsident Andrzej Duda den Eid ab.

Bereits am 3. Dezember 2015 meldete sich der damalige Präsident des Verfassungsgerichts Andrzej Rzepliński zu Wort und stellte fest, dass die Wahl (am 8.10.) der zwei Nachfolger für Richter, dessen Amtszeit erst im Dezember endete, gegen die Verfassung verstieß. Da wollte die Tusk-Koalition „ihre“ Richter unbedingt durchsetzen, koste es, was es wolle. Im Nachhinein spielt Donald Tusk dennoch ein ganz unpolitisches Lamm vor. 

Rzepliński verlangte auch, dass Präsident Duda alle gewählten Richter vereidigt, was bekannterweise jedoch nicht geschah.

„Dieses Urteil hebt in keiner Weise die Gesetze des Sejms auf. Die Gesetze behalten ihre Rechtskraft und der Präsident von Polen setzt sie um“, kommentierte Andrzej Duda.

Worum geht es hier also? Mitnichten um ein paar Richter-Posten. Es war und bleibt kompliziert, denn am Ruder steht erneut das Tusk-Team. 

Die Fortsetzung des Verfassungsgericht-Dramas folgt. Der nächste Aufzug ist bereits für den 10. April im Sejm angekündigt.

Mittwoch, 20. März 2024

Das Problem mit dem Kapitalismus

 "Der Kapitalismus ist nicht das Problem", schreibt Marcel Fratzscher in seiner Zeit-Kolumne. Meine klare Meinung dazu: Jein.


Bilderbuch-Kapitalismus und Notfall


Es stimme nicht, betont Fratzscher, dass Kapitalismus die Nachhaltigkeit verhindere, die doch "Degrowth, also eine schrumpfende Wirtschaft" erfordere. Alles nur ein Missverständnis, meint Fratzscher, denn der wahre Kapitalismus bedeute einfach, "dass nicht primär der Staat, sondern Menschen und Unternehmen die Entscheidungen über die Verteilung knapper Ressourcen wie Kapital und Beschäftigte treffen, und dass der Preis für Güter und Dienstleistungen ein wichtiger Mechanismus dafür ist."

Dieser oben beschriebene Bilderbuch-Kapitalismus hat mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun. Denn er setzt absolute Fairness und Transparenz voraus, wie in einem imaginären Spiel, indem sich alle an die vorgegebenen Regeln halten, sich gegenseitig wertschätzen und Resultate widerstandslos akzeptieren. In dieser Welt wären Anwälte und Richter arbeitslos.

Das weiß Marcel Fratzscher natürlich auch, dennoch sieht er darin kein Systemfehler des Kapitalismus: „Ein Marktversagen rechtfertigt nicht die Abschaffung des Marktes, sondern erfordert ein Eingreifen des Staates, um ein solches Versagen zu verhindern.“

Aha, der Staat müsse im Notfall doch einspringen.  Kenn' ma alles scho!

Mehr, schneller, effizienter


Ich fragte bereits hier in einem früheren Post „Wohin mit dem Wachstum?“. Die Frage bleibt nach wie vor bestehen. Schauen wir uns also nochmals das erste Gebot des Kapitalismus an. Seine dunkle Seite heißt Überproduktion. Wir ersticken unter den Müllbergen, die uns der Kapitalismus mit seinem ungebremsten Wachstum beschert. Er kann einfach nicht anhalten.  

Der Kapitalismus fragt eben nicht nach Sinn und Zweck, er betreibt auf eine narzisstische Art die Nabelschau. Das einzige, was ihn interessiert, lässt sich mit ein paar Komparativen beschreiben:  mehr, schneller, effizienter. Es sind keine schlechte Ansprüche an sich. Unter den glatten Formulierungen verbirgt sich jedoch ein inhumaner Kern. Der Kapitalismus interessiert sich nämlich grundsätzlich nicht für den Menschen. Der Wohlstand ist nicht sein Ziel, sondern eine Nebenwirkung.

Daher betrachte  ich die These, dass ein funktionierender Kapitalismus Freiheit für jeden Einzelnen bedeute, für eine der größten Illusionen. 

Freiheit? Welche Freiheit?


Damit das ganz klar ist, ich befürworte weder den Kapitalismus, noch den (früher real existierenden) Sozialismus oder Kommunismus. Sowohl Kapitalismus, der angeblich jedem Einzelnen Freiheit verspricht, als auch der Kommunismus, für den die einzelne Person bedeutungslos ist, instrumentalisieren den Menschen für eigene Zwecke. Kapitalismus reserviert Freiheit für jene, die dafür genug Geld haben, Kommunismus – für die, die genug Macht in dem undemokratischen System besitzen. Die Situation des sogenannten normalen Bürger ließe sich also in beiden Systemen in diesem Punkt vergleichen. 

Wer holt uns hier raus?


Die Lösung der Polykrisen, an die der Kapitalismus chronisch leidet, "erfordert keine Abschaffung des Kapitalismus, sondern Reformen der Demokratie als politisches System."

Moment mal! Nicht die Demokratie ist krank, sondern der Kapitalismus. Er ist dafür verantwortlich, dass "die soziale Ungleichheit innerhalb von Gesellschaften" zunimmt. 

Ich stimme dennoch zu, dass wir auf jeden Fall Reformen brauchen. Ich glaube, dass der Weg durch die Überwindung der Einseitigkeit führt. Die Mischung machts: die drei Grundformen von Wirtschaften, Agieren und Zusammenleben - privat, genossenschaftlich und staatlich - sollten vielleicht gleichberechtig die Grundlage der Zukunft bilden. Wobei der Staat aus verschiedenen Gründen für die Daseinsvorsorge verantwortlich sein muss. Dazu zähle ich auch die Bildung.




Dienstag, 12. März 2024

Wieso reitet Donald Tusk das alte Pferd Pegasus?

 Während der Sitzung des Kabinettsrats am 13. Februar (im öffentlichen Teil) präsentierte Donald Tusk wieder einmal seinen Daueraufreger „den Abhörskandal“ und versprach dem Präsidenten Duda entsprechende Dokumente. Ein Monat später befasst sich Rzeczpospolita, eine der größten Tusk-freundlichen Zeitungen, mit diesem Thema unter dem Titel: „Die ganze Wahrheit über Pegasus“ von Izabela Kacprzak  und Grażyna Zawadka.


Worum geht es eigentlich?


Eigentlich geht es um zwei Computer im Zentralen Antikorruptionsbüro (CBA) in Warschau. Das CBA ist eine Sonderbehörde in Polen, die im öffentlichen Sektor und in der Wirtschaft Korruption bekämpft.

Im Jahr 2017 kaufte das CBA die Spyware Pegasus von dem israelischen Technologieunternehmen NSO Group und brachte die Spyware in einem bestgeschützten Raum unter. Zuerst bedienten das System nur ein paar Personen, später auch nicht viel mehr - etwa ein Dutzend. Wie ich schon zu Beginn erwähnte, befand sich das ganze System auf zwei Computern. Es galten strengste Sicherheitsregeln; deswegen waren weder das Kopieren noch Herausschmuggeln möglich. So zum Beispiel durfte man nie allein rausgehen; jeder Eintritt und das Verlassen des Raums wurden dokumentiert.

Journalistinnen der Rzeczpospolita haben von ihren Informanten erfahren, dass das System nicht in der Lage war, die Inhalte der abgehörten verschiedenen Kommunikationsarten zu verändern. Die anderslautenden Behauptungen gehören zu den größten Fakenews. Das System kann ausschließlich "lesen" -  "read only". Die „gelesenen“ Dateien wurden in kleinen „Paketen“ an die Server von CBA verschickt.

Rechtlich gesehen


Durfte das CBA aber Pegasus überhaupt einsetzen, fragen heute die Kritiker. Die Befürworter berufen sich auf den Artikel 17, Punkt 4 des CBA-Gesetzes, der eben das Beschaffen und Speichern der Inhalte von verschiedenen Medien und Dateiträgern regelt. 

Wie der Antrag für die operative Überwachung auszusehen hat, präzisiert die Verordnung des Premiers vom 25.10.2011 über das Dokumentieren derartiger Kontrollen.

Diese Verordnung hat der ehemalige Premier erlassen. Er hieß… Donald Tusk. Damals herrschte er in Polen zum ersten Mal.

Die Erzählungen über hunderte von Pegasus infiltrierte Politiker gehören eindeutig zu den Märchen. Über die Anträge entschieden Gerichte. Die von Tusk dramatisch angekündigte Liste „der Opfer“, sei zu 99 Prozent falsch. 

Man wirft dem CBA außerdem vor, dass es Daten an die israelische Firma weitergereicht habe. Auch das sei falsch, zitieren die Autorinnen ihre Informanten. Obwohl in diesem Punkt Adam Haertle, Pegasus-Experte, seine Zweifel äußert. Die Erschaffer des Systems - NSO-Group - behielten unter ihre Kontrolle jenes Stück, das verrät, wer beobachtet wurde, sagt Adam Haertle.

Wo bleibt aber die große Affäre? Anscheinend in Tusks Imagination. Er konstruiert einen Skandal, um seine politischen Gegner (die PiS-Partei) zu diskreditieren. Das ist keine neue Methode; sie wird oft in der Propaganda angewendet. 

Ein anständiger Politiker sollte davon Finger lassen.

Dienstag, 27. Februar 2024

Joe Biden im Schamanentanz

 In dem britischen Online-Magazin Spiked empört sich Stephen Knight über neue Richtlinien, die die Biden-Regierung für das US-Gesundheitsministerium (US Department of Health and Human Services - HSS) vorschlägt. Es geht um die Anerkennung von unterschiedlichen Formen der Nachweise wie das indigene Wissen (‘multiple forms of evidence, such as indigenous knowledge’).  Das ist ja der Hammer, findet Ihr nicht?


Wie oder Wer?


So haben Menschen in verschiedenen Kulturen im Laufe der Geschichte eigene Arten und Wege gefunden, die Welt zu verstehen. Dieser alternative, indigene Weg des Wissens müsse man neben den etablierten wissenschaftlichen Methoden anerkennen und in den politischen Entscheidungen berücksichtigen. Das ist das Argument der Befürworter.

Stephen Knight hält dagegen. Die Wissenschaft sei doch von ihrem Wesen her universell und kulturübergreifend. Sie interessiere sich ausschließlich  dafür, ob Ihre Methoden und Schlussfolgerungen überprüfbar seien. Das könne man von indigenem Wissen mitnichten behaupten. 

Ein Bluttest, führt Knight weiter vor, werde die gleichen Ergebnisse in London oder in Nairobi liefern, weil die Wissenschaft tatsächlich überall funktioniere. Es gehe um das "Wie", nicht um das "Wer".

Tatsächlich?


Wokeness in der Falle?

Für Stephen Knight ist es offensichtlich, dass die sogenannte Wokeness in eigene Falle getappt sei. Denn sie verlasse im Kampf gegen den viel zu umfangsreich verstandenen Rassismus ihre fundamentale Grundlage – die Wissenschaft. Knight sieht also in der Wokeness das Opfer eigener Toleranz.

„Dem modernen Antirassismus geht es nicht darum, tatsächliche Ungleichheiten zu beseitigen oder den materiellen Wohlstand unterdrückter Minderheiten zu verbessern. Das eigentliche Ziel ist es, alles niederzureißen, was als "weiß" oder "westlich" wahrgenommen wird.“

(“With modern-day anti-racism, the goal is not to address actual inequalities or to improve the material wellbeing of oppressed minorities. The real aim is to tear down anything that is perceived to be ‘white’ or ‘Western’.)

Damit wiederholt Knight längst bekannte Vorwürfe und Argumente gegen die Wokeness. Seine Bemerkung über das innere Zerwürfnis dieser Bewegung, das die ganze Konstruktion dadurch zum Einstürzten bringen kann, ist für mich dennoch sehr interessant.

Geschlachtete Heilige Kühe

Bei der Frage „Was ist Wissenschaft?“ scheitern grandios genauso die Woken  wie Anti-Woken. Sowohl die einen als auch die anderen versuchen die Wissenschaft zur Ersatzreligion zu erheben und handeln dementsprechend – entweder glauben sie ihr blind oder grenzen sie sich von ihr ab. 

Knight bestätigt zwar mit jedem Buchstaben, dass er antiwoke ist, dennoch nimmt er die Woke-Position zur Wissenschaft an, also die gläubige. 

„Die Wissenschaft findet einfach heraus, "was ist" - und zur Hölle mit allen heiligen Kühen, die auf diesem Weg geschlachtet werden.“

(“Science simply finds out ‘what is’ – and to hell with any sacred cows that are slaughtered along the way.”)

“Heilige Kühe” bedeuten hier indigenes Wissen (indigenous ways of knowing), also die Pseudowissenschaft wie Knight sie eindeutig benennt. 

Wieso nicht?

Knight skizziert ein schwarzes Szenario, dass man im Gesundheitswesen demnächst dazu verpflichtet werde, sich neben der Meinung von Ärzten und Epidemiologen auch jene von den Stammesältesten und spirituellen Führern einholen müssen.

Wenn’s funktioniert, habe ich nichts dagegen. Jedenfalls hat es bei mir.

Bereits in meinem früheren Post „Wissen oder glauben“ äußerte ich mich zu diesem Thema. An dieser Stelle erinnere ich nur, dass Wissenschaft stets aufgeschlossener war und ist als ihre Wächter.


Samstag, 10. Februar 2024

Die Anziehungskraft von Caspar David Friedrich auf die Deutschen

 Ich stelle mich brav in einer langen Schlange an und warte, bis sich um 10 Uhr der Sesam öffnet. In den Sälen der Hamburger Kunsthalle sehe ich im Gedränge zuerst nur die Köpfe der Kunstliebhaber. Eine junge Frau neben mir zischt irritiert: „Ich hab dieses Rumgeschiebe satt.“ „So viele Menschen, wie magisch angezogen“, flüstert eine andere ehrfürchtig. Alle Generationen sind hier vertreten, auch Kleinkinder, die später, als sich etwas auflichtet, ihr Malzeug auf dem Boden ausbreiten und ihre eigenen Interpretationen der Bilder zu Papier bringen.

Meeresufer im Mondschein, 1836 


Leidenschaftlicher Landschaftsmaler

Caspar David Friedrich, in dem viele den Inbegriff des Deutschseins sehen, lebte als "ein Untertan Schwedens, denn die Hansestadt gehörte bis 1815 - wie ganz Pommern - zur schwedischen Krone". Und das Malen lernte er in Dänemark an der dortigen Kunstakademie. Erst danach landete er in Dresden. 

Er malte Landschaften, die er in täglichen Wanderungen in- und auswendig kennenlernte. Unterwegs zeichnete und skizzierte er, zum Pinsel griff er ausschließlich in seinem Atelier. 

Studienblatt mit Buchenwurzeln und Buchenstämmen, 21. März 1812

Er malte, was er gesehen hat. Meistens jedenfalls. Weil er den Watzmann beispielweise nie selbst in Augenschein genommen hat. 

Der Watzmann, 1824/25

"Der Watzmann gehört zu einer Reihe von Gemälden, in denen Friedrich Landschaften darstellte, die er selbst nie mit eigenen Augen gesehen hatte. Auf der Grundlage eines Aquarells seines Schüler August Heinrich schuf der Maler ein monumentales und zugleich sperriges Hochgebirgsbild, das er um Felsformationen bereicherte, die er aus seiner Harzreise 1811 gezeichnet hatte.“ (Aus der Ausstellung)
Die Natur brauche uns nicht, scheint Friedrich mit seinen vielen menschenleeren Bildern zu zeigen. 

Abend, 1824

Das Riesengebirge, um 1830-1835

Morgennebel im Gebirge, um 1808

Die Kritiker aber behaupten, dass er einfach keine Figuren malen konnte: die Köpfe seien zu klein, die Proportionen stimmen nicht. Bei dem Ostermorgen kann ich dieser These vielleicht zustimmen.

Ostermorgen, um 1828-1835

Sein berühmtestes Gemälde stellt dennoch den Menschen ins Zentrum. Allerdings hat der Wanderer dem Betrachter den Rücken zugewandt.  

Wanderer über dem Nebelmeer, um 1817



„Durch Kleidung, Körperbau und Haltung werden sie (Rückenfiguren) zwar als Individuen gekennzeichnet, und doch erweist sich ihre Identität als unzugänglich. Woher sie kommen und was sie in die Landschaft geführt hat, bleibt offen.“ (Aus der Ausstellung)
Diese Aussage stimmt jedoch nur bedingt. Das Bild „Kreidefelsen auf Rügen“ führt uns an die Menschen ziemlich nah heran. 

Kreidefelsen auf Rügen, 1818 - 1822

Auf vielen Bildern scheint der Maler dennoch mit uns Verstecken zu spielen: Wo sind die Figuren?

Nordische Frühlingslandschaft, um 1825

Blick auf Arkona bei aufgehender Sonne, um 1802

Der Mönch, obwohl er als Thema des Gemäldes fungiert, springt auch nicht besonders ins Auge. 

Der Mönch am Meer, 1808 – 1810.

Aus der Nähe betrachtet scheint er zu beten:


Erkennt Ihr, was die zwei (beide Frauen?) hier im Wald machen?

Waldinneres bei Mondschein, um  1823-1830

Ja, sie kochen:


Weint wie ein Kind

Die Massen, die sich zurzeit in der Kunsthalle in Hamburg drängen, erweisen Friedrich die Ehre, von der er zu Lebzeiten nicht viel erfahren hat, obwohl er seine Werke sogar an den russischen Zarenhof verkaufte. Seine persönliche Geschichte hat kein Happyend. 
„Wassili A. Schukow, russischer Dichter und Bewunderer des Malers, besuchte ihn Ende März 1840 in seinem kahlen Atelier An der Elbe 33 in Dresden. Schockiert notierte er in sein Tagebuch: "Zu Friedrich. Traurige Ruine. Weint wie ein Kind." Kurze Zeit später, am 7. Mai 1840, starb der große Romantiker, 65-jährig, von der Welt vergessen.“

 Bis zum 1. April habt Ihr noch Zeit, Caspar David Friedrich in Hamburg zu besuchen.

Selbstbildnis mit aufgestütztem Arm, um 1802

Freitag, 26. Januar 2024

Der Fall Kamiński und Wąsik oder eine wilde Fahrt mit der Tusk-Achterbahn

 Am Dienstag, dem 23.01.24, haben polnische politische Gefangene Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik das Gefängnis verlassen. Draußen  warteten zahlreiche Bürger und Medien an zwei verschiedenen Orten (Radom und Przytuły Stare), weil man die zwei Inhaftierten getrennt festgehalten hat. Ende gut, alles gut? Nein!

Screenshot (Telewizja Republika)

Doppel-huch!


Zuerst frage ich mich, wieso überhaupt die beiden verhaftet wurden. Wieso „leistete“ sich Polen – ein EU-Land -  politische Gefangene? 

„Rzeczpospolita“, eine Tusk-freundliche Zeitschrift, wartete drei Wochen auf eine Antwort des Gerichts, wofür eigentlich Kamiński und Wąsik am 20. Dezember 2023 verurteil wurden. Dieses Schreiben beinhaltet eine ziemlich große Überraschung. 

„M. Wąsik und M. Kamiński sind für die Taten verurteilt, die der Punkt I des Urteils des Bezirksgerichts in Warschau vom 20. Dezember 2023 beschreibt. Die Änderung der Darlegung der Tat verursachte die Änderung der rechtlichen Einordnung – das Bezirksgericht entfernte aus den Feststellungen des Amtsgerichts (I. Instanz – Anm. GG) die Anstiftung zur Überreichung der Vermögensvorteile den öffentlichen Funktionären und entfernte infolgedessen  aus der rechtlichen Einordnung den Art. 18 § 2 des Strafgesetzbuches in Verbindung mit dem Art. 229 § 1 StGB – lautet die Antwort an die „Rz“ von der Richterin Mirosława Chyr, der Beauftragten des Bezirksgerichts in Warschau.“

«„M. Wąsik i M. Kamiński są skazani za czyny opisane w punkcie I. wyroku Sądu Okręgowego w Warszawie z 20 grudnia 2023 r. Zmiana opisu czynu skutkowała zmianą kwalifikacji prawnej – Sąd Okręgowy wyeliminował z ustaleń Sądu Rejonowego podżeganie do wręczenia korzyści majątkowej funkcjonariuszom publicznym i w konsekwencji wyeliminował z kwalifikacji prawnej art. 18 § 2 Kodeksu karnego w zw. z art. 229 § 1 k.k” - odpowiada „Rz” sędzia Mirosława Chyr, rzeczniczka Sądu Okręgowego w Warszawie.»

Wartet kurz! Ich brauche einen Moment.  In der ersten Instanz im Jahr 2015 wurden die beiden wegen der angeblichen Anstiftung zur Bestechung verurteilt. Lasst ihr euch diesen irrsinnigen Vorwurf auf der Zunge zergehen lassen. Diejenigen, die die Korruption entschieden bekämpften und die sogenannte Grundstück-Affäre  (2007) aufdecken wollten, beschuldigte man … der Korruption. Huch! 

Jetzt (im Dezember 2023) streicht das Bezirksgericht leichthändig den schwerwiegenden Straftatbestand, weil der Vorwurf aller Wahrscheinlichkeit nach haltlos war. Doppel-huch!

Das könnte bedeuten - schreibt "Rzeczpospolita" vorsichtig -, dass das Zentrale Antikorruptionsbüro (CBA) sehr wohl eine glaubhafte Information über ein Verbrechen besaß, und deswegen berechtigt war, eine Spezialoperation abzuwickeln.

 Wieso verurteilte also das Gericht Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik zu Gefängnisstrafen? 

Will man einen Hund schlagen, findet man immer einen Stock. Nach diesem Motto lastete man den beiden an, dass sie bei der Durchführung ihrer Spezialoperation gegen Korruption (!) ihre Kompetenzen überschritten, Dokumente gefälscht und die Bestätigung der Unwahrheit erzwingen wollten. 

Ich vermute sehr stark, dass man mit derartigen Vorwürfen die Hälfte der FBI-Mitarbeiter hinter Gitter bringen könnte. Es geht hier aber nicht um die USA und das FBI, sondern um die neue Tusk-Regierung in Polen und ihre mehr als merkwürdige totalitär angehauchte Handlungen.

Maciej Wąsik, einer der Angeklagten, hat eine eigene Theorie. Seiner Meinung nach geht es hier mehr um einen anderen Skandal – die sogenannte Gewinnspiel-Affäre aus dem Jahr 2009. Damals hat das CBA mit Kamiński und Wąsik den Parteifreunden von Tusk ihre kriminellen Absprachen und Geschäfte mit der Gewinnspiel-Branche vermasselt. In diesen Tagen hat Tusk – zu der Zeit der Premier von Polen – ihnen Rache geschworen und die Jagd auf ihn und Kamiński eröffnet, vermutet Wąsik.