Dienstag, 27. Dezember 2016

So ist das Leben

Zwischen einer Utopie und der Wirklichkeit klafft solch ein tiefer Schlund, dass gleich die ganze Erde da verschwindet. Seien wir also nicht utopisch, sondern realistisch und nehmen wir unsere Gegenwart zur Kenntnis: So ist das Leben.



                                                                       So ist das Leben? Foto: Autorin

Die Parole aller Mitläufer


So ist das Leben? Wenn ich überhaupt etwas hasse, dann eben diesen Satz. Er fällt immer dann, wenn mir jemand weismachen will, es gehe nicht anders, weil das Leben – darunter verstecken sich natürlich ganz konkrete Menschen – dies nicht zulasse. Was für eine fatalistische Einstellung! Es bleibt einem also nur das Eine: sich anzupassen.  Unter dieser Parole vereinen sich alle Mitläufer. Wie zum Beispiel in den dreißiger und vierziger Jahren, als der Faschismus erstarkte und die Oberhand gewann. Die meisten waren keine Verbrecher, aber sie haben ungeheuerliche Verbrechen zugelassen.

Diese Parole begleitet  auch heute diejenigen, die jede Schweinerei akzeptieren, in der Hoffnung,  dass sie davon profitieren werden. Wie viele dadurch als die sogenannten Kollateralschäden untergehen, spielt für sie keine Rolle. So ist das Leben - wenn es oben gibt, gibt es auch unten – man kann nichts dagegen tun usw. in dem Duktus der Gleichgültigkeit und des Opportunismus. Wir kennen alle diese Rechtfertigungen und hören sie andauernd. Wir leben danach.

„Die Kunst, mit dem Winde zu segeln, den andere machen“


Die Anpassung bringt viele Vorteile mit sich. Man wird in die Gruppe aufgenommen und muss das Rad nicht neu erfinden, sondern lediglich gehorchen und nach vorgegebenen Regeln handeln. Was man dafür braucht, ist lediglich „die Kunst, mit dem Winde zu segeln, den andere machen“ (Alessandro Manzoni).

Der Preis für diese Haltung ist jedoch ziemlich hoch: Verzicht auf sich selbst. Was bedeutet, wenn man/frau sich nicht traut, selbst zu sein? Hat er/sie überhaupt gelebt oder das Leben nur vorgetäuscht? Der Umgebung kann man etwas vormachen, sich selbst eher nicht. Hinterlässt das Heulen mit  den Wölfen, wenn man kein Wolf ist, dauerhafte Schäden? Ich glaube schon!

In die Knie zwingen


Es gibt Zeiten, die jene opportunistische Einstellung begünstigen oder sogar erzwingen. In einer Diktatur kann das Schwimmen gegen den Strom das Leben kosten. Da müssen wir uns glücklich schätzen, dass wir in einer Demokratie leben. In einer Demokratie mit der sogenannten Sozialen Marktwirtschaft. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Tja, wir können theoretisch alles sagen, was wir denken, ohne Angst haben zu müssen, dass wir dafür im Gefängnis landen. Dennoch gibt es andere Methoden, uns gefügig zu machen und in die Knie zu zwingen. Es sind marktwirtschaftliche Methoden: Arbeiten ohne davon wirklich leben zu können oder auf das Abstellgleis von Hartz IV bugsiert zu werden.

Die Frage, wie sozial diese Marktwirtschaft tatsächlich ist, erübrig sich, in Anbetracht der aufrüttelten Zahlen: 30 % aller Erwerbstätigen verdienen gerade so viel, dass es nur zum Überleben reicht.  Da vergeht einem selbstverständlich die Lust auf die Selbstfindung.

Donnerstag, 22. Dezember 2016

'Werbung und Warnung

Das ist meine Werbung in eigener Sache :) mit einer Warnung: Wer Angst vor Irren hat, soll mein eBook nicht lesen: Gabi Scheren, Der Schrei eines Untieres.






Gedruckt findet man mein Buch unter einem anderen Titel und meinem bürgerlichen Namen: Grazyna Gintner, "Wozu soll das gut sein".



Samstag, 10. Dezember 2016

Wir und ihr oder umgekehrt

Die Zugereisten haben es überall schwer. Meist wissen sie nicht, wie der Hase an dem neuen Ort läuft. Die Sache erschwert der unbequeme Umstand, dass der gemeine Hase im Land des Neuankömmlings nicht unbedingt lange Ohren hat. Da haben wir schon das Problem und die Quelle der Missverständnisse. Vielleicht habe ich ja auch ein falsches Tier jetzt kurz vor Weihnachten gewählt. Schwamm drüber und weiter so!


                                                             „Fremd“ oder „Wer bist du?“ Foto: Autorin

Zurück in das Mittelalter


Ich will mitnichten behaupten, dass früher alles besser war. Ein Blick ins Geschichtsbuch reicht für eine dauerhafte Ernüchterung. Dennoch hätte ich dies und das aus der Vergangenheit mit Haut und Haaren übernommen, wenn sie nicht davor auf dem Scheiterhaufen – Haut samt Haaren – abgefackelt wurden. Meine Begeisterung für diese durchaus ökologische Wärmezufuhr hält sich in sehr engen Grenzen. Die Hitze bekommt mir nicht. Wirklich wahr, ich schwör's. 

Was will ich also in die Gegenwart übertragen? Ich hätte die Zeit gern eingefroren in der Phase, in welcher sich noch keine nationale Identität entwickelt hat. Zuerst dachte man doch in den gemütlichen Kategorien wie Familie und Verwandtschaft. In dieser Hinsicht war das eine schöne Zeit, besonders im Vergleich mit der sich in Europa ausbreiteten Epidemie des nationalen Wahnsinns. 

Im Mittelalter wird man eines nicht feststellen können: „die Ablehnung des ›Ausländers‹ aus einem Bewusstsein nationaler Identität heraus."*) Anders gesagt, die Kritik war in hohem Maße konkret und nicht pauschal. Außerdem bedeutete dieser Terminus lediglich, dass jemand aus einer anderen Gegend – zum Beispiel aus einer anderen Stadt – hierher kam.

An dieser Stelle muss man unbedingt erwähnen, dass es in Bayern auch weiter wie anno dazumal läuft: Dort sieht man Bürger aus anderen deutschen Bundesländern nach wie vor als Ausländer.

"Fremd" ist eine Frage


Die Sprache ist ein Fluss, der nie stehen bleibt, und eine Schatzkammer mit vielen Kostbarkeiten aus der Vergangenheit zugleich. Das deutsche Adjektiv „fremd“ gehört dazu. „In seinen geschichtlich ältesten Formen“*) enthält es schlicht und ergreifend eine Frage: „Wo kommst du her?“ 

Den genervten Ausländern, neumodisch Migranten genannt, die sich mit dieser Frage viel zu oft konfrontiert sehen und auf sie durchaus allergisch reagieren, erkläre ich eilig, dass die obige alte Erkundigung nichts gemeinsam mit der gegenwärtigen abschottenden-vorwurfsvollen Grenzziehung zwischen Wir und Ihr hat.

Damals, in den vor-nationalen und vor-nationalistischen Zeiten, fragte man auf diese Art genau genommen danach, wer der andere ist. 

Halten wir dies fest: „Fremd“ bedeutete zu Beginn im Grunde genommen soviel wie „Wer bist du?“ *) und diente der Erweiterung des Horizonts, nicht der Ausgrenzung.

So ändern sich die Zeiten!

*) Ernst Schubert, Fremde im mitteralterlichen Deutschland, (in:) https://www.imis.uni-osnabrueck.de/fileadmin/4_Publikationen/PDFs/imis07.pdf

Freitag, 2. Dezember 2016

Zwischen Altruisten und Karrieristen oder das Monopol des Zeugnisses

Normalbürger versus Elite heißt das Thema unserer Tage und der Kolumne von Jakob Augstein. Ihr Titel stößt mir allerdings übel auf: Politiker als Übermensch. Übermensch? Oh Gott, alles, nur nicht das!

Lassen wir jedoch die Begriffe beiseite, die Erwartungen an Politiker sind tatsächlich groß. Geht es aber hier wirklich um die perfekten Biographien, wie Augstein suggeriert? Und wenn ja, wieso?


                                                        Haben wir die Politiker, die wir verdienen? Foto Autorin

Das gnadenlose Spiel


„Es gibt eine Gnadenlosigkeit, wenn es um Politiker geht – schreibt Augstein - die ist demokratiebeschädigend.“ Jene Gnadenlosigkeit sollte besonders die persönlichen Abweichungen von den geltenden Mustern betreffen. Demnach dürfte ein Politiker – nennen wir endlich das Kind beim Namen – keine Schwäche zeigen. Darum geht es doch, nicht wahr? Selbstzweifel, Krisen, Zerrissenheit gefährden nicht nur seine Position, sondern machen ihn auch angreifbar. Daran scheint man zu glauben. Heute wie früher. Daher herrschen klare und harte Regeln des Spiels in der und für die Öffentlichkeit. Politiker spielen uns immer etwas vor. Und wir spielen mit.

Ach so schwerer Job


Dass man Politikern, die über unser Leben entscheiden, auf die Finger klopft, finde ich richtig. Ein Mediziner muss sich mehreren Prüfungen unterziehen, bevor man ihn auf die Menschen loslässt. Wie examiniert man aber einen Politiker/eine Politikerin? Er/sie muss sich durchsetzen. Dafür braucht er oder sie verschiedene Fähigkeiten und ein Umfeld, das ihn trägt und unterstützt. Einzelgänger sind in diesem Geschäft auf verlorenen Posten. Die oben erwähnte Gnadenlosigkeit scheint ein Bestandteil dieses Milieus zu sein. In der politischen Klasse gibt es wenig Platz für Mitleid.  

Niemand wird jedoch dazu gezwungen, ein Politiker zu werden. Weshalb also kämpfen so viele um den ach so schweren Job? Sind sie allesamt Altruisten, die die Welt retten wollen? Oder eher die gnadenlosen Karrieristen? Zwischen diesen zwei Extremen gibt es unzählige Varianten, aber nur diejenigen, die an die Macht kommen, erreichen die Möglichkeit von der weitgehenden Gestaltung der Geschicke und der näheren und weiteren Umgebung.   

Haben wir die Politiker, die wir verdienen? 


„Die sozialen Barrieren werden höher“, konstatiert Jakob Augstein und nennt einige Beispiele, die seine These beweisen sollen. Ohne Abitur – wie im Fall von Martin Schulz – geht es heute gar nichts. Wem verdanken wir aber eine derart uniformierte und bürokratisierte Gegenwart? Wie ist das Monopol des Zeugnisses entstanden? Wie kam es dazu, dass Beamte an verschiedenen Machthebeln so viel Macht über unsere Schicksale erhielten? 

Wieso nehmen wir uns als Gesellschaft keine Zeit, um die Talente unserer Kinder zu erkennen? Warum verurteilen wir so viele zum Leben in Armut? Aus welchem Grund akzeptieren wir zwar wirtschaftliche Krisen, von einem Menschen aber verlangen wir, dass er wie ein Automat funktioniert?

Weder Globalisierung noch Digitalisierung sind dafür schuld, dass wir uns – gleichermaßen Politiker wie Gesellschaft - nicht die Mühe machen, die wertvollsten Ressourcen, die wir haben – uns, Menschen – richtig wahrzunehmen und wertzuschätzen. Stattdessen vernachlässigen und verschleudern wir sie so erschreckend oft als wären sie nur Abfall.