Dienstag, 21. September 2021

Wie frei ist unsere Meinung?

Zuerst plappern Kinder den Eltern und Erziehern nach. Eigenes Köpfchen zeigen sie aber ziemlich früh. Dennoch dauert die mentale Abnabelung manchmal sehr lange und manchmal gelingt sie nie. Meinen wir also wirklich selbst das, was wir meinen? Hochtrabend könnte man sagen: Ob wir frei denken und eigene Meinung äußern können und wollen, hängt von vielen Faktoren ab.


                                                                           Meinen wir, was wir meinen?


Wir können nicht ohne die

Der Mensch braucht andere Menschen, auch ein Einzelgänger kommt nicht ganz ohne sie aus. Das ist gleichzeitig die Quelle all unserer Probleme.  Eine Gesellschaft, die zwar „Leistung“ auf ihre Fahnen schreibt, aber den Konkurrenzkampf zum wichtigsten Prinzip erklärt, findet keine richtige Formel für das Miteinander. Die hohlen Parolen ausgenommen. Diese Gesellschaft ist von verschiedenen Zwängen geplagt und preist Werte, die sie tagtäglich missachtet.

Eigentlich müsste unsere Gesellschaft in die Klapse.

Geist der Unterwerfung

Was hat das mit der freien oder unfreien Meinung zu tun? Eine ganze Menge. Denn es wird von uns der Teamgeist angefordert, aber tatsächlich eine absolute Anpassung erwartet.  In einem derartigen System braucht man keine Zensur, weil sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen selbst zensieren. Nach dem Motto: Entweder bist du mit oder gegen uns. Wie in einer Sekte, wo sich Mitglieder mehr oder weniger freiwillig ihrem Guru oder Gurin unterwerfen. Hauptsache, man gehört dazu.

Manipulierte Denkfaulheit

Werden wir bei dieser Unterwerfung bloßgestellt, weisen wir die Schuld vor uns. Wir wurden manipuliert, lautet unsere Verteidigungsstrategie.  

Der Begriff „Manipulation“ machte in den letzten Jahren eine beachtliche Karriere. Die Anklage der Manipulation wird schnell erhoben und in den wenigsten Fällen begründet.  Zudem lässt man ein kleines Detail außer Acht: dieser Vorgang setzt eine aktive Beteiligung vor. Anders ausgedrückt: nur derjenige oder diejenige wird manipuliert, der und die es zulässt. Die Mittäterschaft kann man hier nicht verneinen. Aus Denkfaulheit lassen wir uns auf die Manipulation ein. Oder aus Angst vor der Ausgrenzung. Oder aber versprechen wir uns verschiedene Vorteile, wenn wir mit der Manipulatorinnen und den Manipulatoren Hand in Hand mitlaufen.

Simply die Macht

Stelle ich die Sachverhalte zu simpel dar? Die Manipulation gehört zu den komplexesten Phänomenen? Ja, ja, schon gut. Wo gibt sie denn nicht? Sie trägt viele Kleider und versteckt ihre Karten – eine Meisterin der Täuschung. Brandgefährlich wird sie als Werkzeug der Machthaber. Ihr Ziel ist dann zwar sonnenklar: an der Macht zu bleiben und Gegner zu bekämpfen, ihre Methoden keineswegs. Sie lernt stets dazu und nutzt die neuen digitalen Möglichkeiten. 

Heiß kochen

Nein, ich meine jetzt nicht die omnipotenten (angeblich) Russen, die Monster der Manipulation, wenn man den deutschen Medien glaubt. Die Russen mischen sich genauso ein, wie die Deutschen oder Amerikaner. Und außerdem bespitzeln sich alle gegenseitig. Ein ziemlich verrücktes Durcheinander. 

Worum es mir geht, ist die zynische Machtelite, die so tut, als ob sie sich für die ganze Gesellschaft eingesetzt hätte, aber in Wirklichkeit nur eine dreiste Klientelpolitik betreibt. Nach dem Motto, wer mich bezahlt, dem diene ich.  Sie appelliert stets an Gefühle und kocht sie heiß. Denn aufgeregte Leute lassen sich viel leichter manipulieren. 

Das Gedachte und Gesagte

Zurück zum Thema: Schaffen wir unter diesen Umständen die tatsächliche Meinung des anderen auszufiltern? Wir sagen doch nicht gleich, was wir denken. Wie hätte unsere Welt ausgesehen, wenn wir das Gedachte sofort offenbarten? Gewiss gaaanz anders. 

Zuerst also sperren wir selbst unsere Meinung ein. Wir entziehen uns der Verantwortung für die unbequemen Wahrheiten und wählen den abstoßenden aber sicheren Stallgeruch.  Dagegen verlangt die freie Meinung nach Mut. Der – wie alle unbequemen Dinge – lohnt sich in der ökonomisierten gesellschaftlichen  und politischen Landschaft selten. Flapsig formuliert: freie Meinung ist zwar schön, aber nutzlos. 

Frei, aber

Natürlich gibt es Grenzen, die das Gesetz bestimmt. Außerdem ist die freie Meinung nur dann frei, wenn sie andere Meinungen zulässt, statt sie aus einem einzigen Grund zu bekämpfen, weil sie anders sind.