Dienstag, 27. Februar 2024

Joe Biden im Schamanentanz

 In dem britischen Online-Magazin Spiked empört sich Stephen Knight über neue Richtlinien, die die Biden-Regierung für das US-Gesundheitsministerium (US Department of Health and Human Services - HSS) vorschlägt. Es geht um die Anerkennung von unterschiedlichen Formen der Nachweise wie das indigene Wissen (‘multiple forms of evidence, such as indigenous knowledge’).  Das ist ja der Hammer, findet Ihr nicht?


Wie oder Wer?


So haben Menschen in verschiedenen Kulturen im Laufe der Geschichte eigene Arten und Wege gefunden, die Welt zu verstehen. Dieser alternative, indigene Weg des Wissens müsse man neben den etablierten wissenschaftlichen Methoden anerkennen und in den politischen Entscheidungen berücksichtigen. Das ist das Argument der Befürworter.

Stephen Knight hält dagegen. Die Wissenschaft sei doch von ihrem Wesen her universell und kulturübergreifend. Sie interessiere sich ausschließlich  dafür, ob Ihre Methoden und Schlussfolgerungen überprüfbar seien. Das könne man von indigenem Wissen mitnichten behaupten. 

Ein Bluttest, führt Knight weiter vor, werde die gleichen Ergebnisse in London oder in Nairobi liefern, weil die Wissenschaft tatsächlich überall funktioniere. Es gehe um das "Wie", nicht um das "Wer".

Tatsächlich?


Wokeness in der Falle?

Für Stephen Knight ist es offensichtlich, dass die sogenannte Wokeness in eigene Falle getappt sei. Denn sie verlasse im Kampf gegen den viel zu umfangsreich verstandenen Rassismus ihre fundamentale Grundlage – die Wissenschaft. Knight sieht also in der Wokeness das Opfer eigener Toleranz.

„Dem modernen Antirassismus geht es nicht darum, tatsächliche Ungleichheiten zu beseitigen oder den materiellen Wohlstand unterdrückter Minderheiten zu verbessern. Das eigentliche Ziel ist es, alles niederzureißen, was als "weiß" oder "westlich" wahrgenommen wird.“

(“With modern-day anti-racism, the goal is not to address actual inequalities or to improve the material wellbeing of oppressed minorities. The real aim is to tear down anything that is perceived to be ‘white’ or ‘Western’.)

Damit wiederholt Knight längst bekannte Vorwürfe und Argumente gegen die Wokeness. Seine Bemerkung über das innere Zerwürfnis dieser Bewegung, das die ganze Konstruktion dadurch zum Einstürzten bringen kann, ist für mich dennoch sehr interessant.

Geschlachtete Heilige Kühe

Bei der Frage „Was ist Wissenschaft?“ scheitern grandios genauso die Woken  wie Anti-Woken. Sowohl die einen als auch die anderen versuchen die Wissenschaft zur Ersatzreligion zu erheben und handeln dementsprechend – entweder glauben sie ihr blind oder grenzen sie sich von ihr ab. 

Knight bestätigt zwar mit jedem Buchstaben, dass er antiwoke ist, dennoch nimmt er die Woke-Position zur Wissenschaft an, also die gläubige. 

„Die Wissenschaft findet einfach heraus, "was ist" - und zur Hölle mit allen heiligen Kühen, die auf diesem Weg geschlachtet werden.“

(“Science simply finds out ‘what is’ – and to hell with any sacred cows that are slaughtered along the way.”)

“Heilige Kühe” bedeuten hier indigenes Wissen (indigenous ways of knowing), also die Pseudowissenschaft wie Knight sie eindeutig benennt. 

Wieso nicht?

Knight skizziert ein schwarzes Szenario, dass man im Gesundheitswesen demnächst dazu verpflichtet werde, sich neben der Meinung von Ärzten und Epidemiologen auch jene von den Stammesältesten und spirituellen Führern einholen müssen.

Wenn’s funktioniert, habe ich nichts dagegen. Jedenfalls hat es bei mir.

Bereits in meinem früheren Post „Wissen oder glauben“ äußerte ich mich zu diesem Thema. An dieser Stelle erinnere ich nur, dass Wissenschaft stets aufgeschlossener war und ist als ihre Wächter.


Samstag, 10. Februar 2024

Die Anziehungskraft von Caspar David Friedrich auf die Deutschen

 Ich stelle mich brav in einer langen Schlange an und warte, bis sich um 10 Uhr der Sesam öffnet. In den Sälen der Hamburger Kunsthalle sehe ich im Gedränge zuerst nur die Köpfe der Kunstliebhaber. Eine junge Frau neben mir zischt irritiert: „Ich hab dieses Rumgeschiebe satt.“ „So viele Menschen, wie magisch angezogen“, flüstert eine andere ehrfürchtig. Alle Generationen sind hier vertreten, auch Kleinkinder, die später, als sich etwas auflichtet, ihr Malzeug auf dem Boden ausbreiten und ihre eigenen Interpretationen der Bilder zu Papier bringen.

Meeresufer im Mondschein, 1836 


Leidenschaftlicher Landschaftsmaler

Caspar David Friedrich, in dem viele den Inbegriff des Deutschseins sehen, lebte als "ein Untertan Schwedens, denn die Hansestadt gehörte bis 1815 - wie ganz Pommern - zur schwedischen Krone". Und das Malen lernte er in Dänemark an der dortigen Kunstakademie. Erst danach landete er in Dresden. 

Er malte Landschaften, die er in täglichen Wanderungen in- und auswendig kennenlernte. Unterwegs zeichnete und skizzierte er, zum Pinsel griff er ausschließlich in seinem Atelier. 

Studienblatt mit Buchenwurzeln und Buchenstämmen, 21. März 1812

Er malte, was er gesehen hat. Meistens jedenfalls. Weil er den Watzmann beispielweise nie selbst in Augenschein genommen hat. 

Der Watzmann, 1824/25

"Der Watzmann gehört zu einer Reihe von Gemälden, in denen Friedrich Landschaften darstellte, die er selbst nie mit eigenen Augen gesehen hatte. Auf der Grundlage eines Aquarells seines Schüler August Heinrich schuf der Maler ein monumentales und zugleich sperriges Hochgebirgsbild, das er um Felsformationen bereicherte, die er aus seiner Harzreise 1811 gezeichnet hatte.“ (Aus der Ausstellung)
Die Natur brauche uns nicht, scheint Friedrich mit seinen vielen menschenleeren Bildern zu zeigen. 

Abend, 1824

Das Riesengebirge, um 1830-1835

Morgennebel im Gebirge, um 1808

Die Kritiker aber behaupten, dass er einfach keine Figuren malen konnte: die Köpfe seien zu klein, die Proportionen stimmen nicht. Bei dem Ostermorgen kann ich dieser These vielleicht zustimmen.

Ostermorgen, um 1828-1835

Sein berühmtestes Gemälde stellt dennoch den Menschen ins Zentrum. Allerdings hat der Wanderer dem Betrachter den Rücken zugewandt.  

Wanderer über dem Nebelmeer, um 1817



„Durch Kleidung, Körperbau und Haltung werden sie (Rückenfiguren) zwar als Individuen gekennzeichnet, und doch erweist sich ihre Identität als unzugänglich. Woher sie kommen und was sie in die Landschaft geführt hat, bleibt offen.“ (Aus der Ausstellung)
Diese Aussage stimmt jedoch nur bedingt. Das Bild „Kreidefelsen auf Rügen“ führt uns an die Menschen ziemlich nah heran. 

Kreidefelsen auf Rügen, 1818 - 1822

Auf vielen Bildern scheint der Maler dennoch mit uns Verstecken zu spielen: Wo sind die Figuren?

Nordische Frühlingslandschaft, um 1825

Blick auf Arkona bei aufgehender Sonne, um 1802

Der Mönch, obwohl er als Thema des Gemäldes fungiert, springt auch nicht besonders ins Auge. 

Der Mönch am Meer, 1808 – 1810.

Aus der Nähe betrachtet scheint er zu beten:


Erkennt Ihr, was die zwei (beide Frauen?) hier im Wald machen?

Waldinneres bei Mondschein, um  1823-1830

Ja, sie kochen:


Weint wie ein Kind

Die Massen, die sich zurzeit in der Kunsthalle in Hamburg drängen, erweisen Friedrich die Ehre, von der er zu Lebzeiten nicht viel erfahren hat, obwohl er seine Werke sogar an den russischen Zarenhof verkaufte. Seine persönliche Geschichte hat kein Happyend. 
„Wassili A. Schukow, russischer Dichter und Bewunderer des Malers, besuchte ihn Ende März 1840 in seinem kahlen Atelier An der Elbe 33 in Dresden. Schockiert notierte er in sein Tagebuch: "Zu Friedrich. Traurige Ruine. Weint wie ein Kind." Kurze Zeit später, am 7. Mai 1840, starb der große Romantiker, 65-jährig, von der Welt vergessen.“

 Bis zum 1. April habt Ihr noch Zeit, Caspar David Friedrich in Hamburg zu besuchen.

Selbstbildnis mit aufgestütztem Arm, um 1802