Dienstag, 2. Juli 2019

Wissen oder glauben?

Ich greife aus einer Buchrezension nur einen Satz auf: „Diese Wissensillusion mache anfällig für Scharlatane aller Art, warnen die Autoren, und lasse uns oft schlechtere Entscheidungen treffen als nötig, etwa wenn wir meinen, wir kennten uns besser aus als der Arzt, nur weil wir ein bisschen herumgeklickt haben.“


                                                                          Glauben? Eigenes Foto

Arzt oder Gott?


Es geht mir nicht um das dort besprochene Werk. Die Aussage steht für sich allein, unabhängig von Ziel und Zweck des Textrestes. Vollständigkeitshalber will ich euch die Autorin und den Titel des Artikels (fast länger als die ganze Rezension) nicht vorenthalten: Manuela Lenzen, „Und wenn man den Ball doch um die Ecke werfen könnte?“ (FAZ, 26.06.19)

Zurück zu unserem Satz. Lakonisch lässt sich der Inhalt so darstellen: Wer dem Arzt nicht glaubt, ist (gelinde gesagt) nicht klug. Der Arzt hier ist nicht irgendein beliebiger Mediziner, sondern ein Symbol für Wissen und Können. Sozusagen: der Gott auf Erden. Was er sagt, ist immer richtig. Boah! Nicht mal der Papst gilt als unfehlbar. 

Schraube locker?


Es ist ein komisches Merkmal der Gegenwart (aber nicht ausschließlich), die Religion abzulehnen und durch die weltlichen Substitute zu ersetzen. In unserem Fall: Gott hat ausgedient, der Arzt hat das Sagen. Dadurch verliert der Mensch das Spirituelle und wird zur Maschine. Geht etwas kaputt, dreht man eine Schraube zu oder wirft man eine Pille ein und alles ist paletti. 

Wir sind aber zum Glück oder zum Unglück keine Maschinen. Wer den Menschen zu den chemischen Vorgängen reduziert und damit alles erklären zu können glaubt, der unterscheidet sich kaum von einem Schamanen, der das Gegenteil behauptet und überall die Wirkung der Geister erkennt. 

Wir sind viel komplizierter, als wir akzeptieren wollen. Unsere Psyche spielt viel größere Rolle, als den Maschinengläubigen lieber ist. Sie ist für viele Krankheiten verantwortlich, bei denen man nach körperlichen Ursachen vergeblich sucht. Unsere Psyche gibt uns oder nimmt die Kraft, die wir brauchen, um zu existieren und mit dem Leben zurechtzukommen. 

Einmal zum Schamanen?


Glauben kann man oder auch nicht an Gott, sonst aber ist ein gesundes Misstrauen notwendig. Der Weg aus einer oft gefährlichen Abhängigkeit ist die Emanzipation: Emanzipation von den Eltern, von den Lehrern, von Kollegen und Kolleginnen, von Vorbildern aller Art und von den Führern jeder Sorte. Es ist ein Weg zur Freiheit, zur Selbständigkeit und zur Verantwortung. 

Und was ist mit unserem Symbol-Arzt? Er kocht auch nur mit Wasser und steht vor einigen Herausforderungen ratlos da. Ein Symbol-Schamane – also einer, der andere Methoden als die Schulmedizin anwendet - kann sich dann als sehr hilfreich erweisen.

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