Posts mit dem Label Kapitalismus werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Kapitalismus werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 3. November 2019

Hilfe, die Demokratie wird geschrumpft!

Obwohl ich den Titel problematisch finde, stimme ich dem Autor in vielen Punkten zu. Es geht um den Beitrag von Klaus Dörre „Demokratie statt Kapitalismus oder: Enteignet Zuckeberg!“ Erstens: Eine Enteignung ist – glaube ich – nicht der richtige Weg; zu sehr erinnert diese Prozedere an den gescheiterten Kommunismus und enthält zudem ein enormes Gewaltpotenzial. Zweitens: Wenn man schon zur Enteignung aufruft, wieso sollte man nach Amerika schielen, statt mit eigenen deutschen Milliardären anzufangen?


„ Wo der Markt und seine Effizienzkriterien herrschen, 
hat demokratische Politik zu schweigen.“ Eigenes Foto

Kuchen für alle?


Wir haben keine Krise der Demokratie, schreibt Klaus Dörre und stellt dennoch eine vernichtende Diagnose:

„Vielmehr wird die demokratische Herrschaftsform auf dem Altar eines expansionistischen Kapitalismus geopfert, der zwecks Bestandssicherung zunehmend auf autoritäre Praktiken angewiesen ist.“*)

Das ist eine treffende Beschreibung der Gegenwart: „autoritär“ versus „demokratisch“, wobei das Demokratische zu verlieren scheint. Wieso? Wir dürfen doch frei wählen und schmücken unser System – die Marktwirtschaft - mit dem Adjektiv „sozial“. 

Das Soziale bleibt allerdings nur auf dem Papier. Die vorausgesetzte These, dass bei der stets wachsenden Wirtschaft alle „einen größeren Teil vom Kuchen“ bekommen, erweist sich schlicht als falsch: „Die Ungleichheit hat ein solches Ausmaß erreicht, dass sie selbst zur Wachstumsbremse geworden ist.“

Das Schweigen der Demokratie


Kann die Demokratie mit dem Kapitalismus überhaupt kompatibel sein? In dem Moment, in dem das Soziale zerstört wird, nicht mehr:

„ Wo der Markt und seine Effizienzkriterien herrschen, hat demokratische Politik zu schweigen.“

Die Entdemokratisierung vollzieht sich also über die Eliminierung der Sozialität. Das geschieht vor unseren Augen. Und Hilfe ist nicht in Sicht:

„Während sich die vertikalen, überwiegend klassenspezifischen Ungleichheiten verstärken, sind die Organisationen, die auf der Konfliktachse von Kapital und Arbeit agieren, während der gesamten Nachkriegsgeschichte nie so schwach gewesen wie in der Gegenwart.“

Gibt es Hoffnung?


Eine kurze Antwort lautet: Ja! Die Lösung steckt bereits im Problem, denn die fortschreitende Entdemokratisierung zurückschlägt, indem sie einen Legitimationsverlust marktradikaler neoliberaler Politik bewirkt. Man könnte sagen, dass der Neoliberalismus endlich aus der Mode kommt. Es gibt nämlich keine Demokratie ohne Volk. Vor den Rettern der Demokratie stehen jetzt riesige sozial-ökologische Aufgaben.

„Der Weg zu mehr ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit führt über den Kampf gegen Luxuskomsum, Vermögenskonzentration und Einkommensungleichheit (…) Anstelle ökologisch begründeter Austärität benötigt dieser Weg eine Politik der substanziellen Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen.“


*) Alle Zitate stammen aus: Klaus Dörre „Demokratie statt Kapitalismus oder: Enteignet Zuckeberg!“ (in:) „Was stimmt nicht mit der Demokratie?“

Donnerstag, 24. August 2017

Wladimir Kaminer spricht mit Dietmar Bartsch und die Bild am Sonntag spielt die Anstandsdame

In der Bild am Sonntag vom 20. August erschien ein interessantes Interview: der Schriftsteller Wladimir Kaminer trifft den Linke-Spitzenkandidaten Dietmar Bartsch. Interessant ist das Gespräch aus vielen Gründen.


                                                                                                                      Screenshot

Die vorgekaute Meinung


Das Interview stockt. Die beiden Gesprächspartner sind aber nicht daran schuld. Es ist die BamS, die ihre Kommentare dazwischen schiebt; sie kaut sozusagen die Meinung für die Leser vor.   

Nachdem sich Bartsch von den neuen Ereignissen in Venezuela distanziert, weil sie nichts mit dem demokratischen Sozialismus, den er will, zu tun haben, erinnert die BamS an die Solidaritätsbekundung mit Venezuela, auf dem Parteitag im Juni von der Linken verabschiedet. Es soll heißen: Vorsicht, das was Bartsch erzählt, stimmt nicht.

Auf gleiche Art kommentiert die BamS die Aussage von Bartsch, dass es niemanden gibt, der durch eigene Leistung Milliardär geworden ist. Das sei nicht richtig – dürfen wir gleich nach der Bartsch‘ Antwort lesen. Dann kommt die Aufzählung: „Berühmte deutsche Beispiele sind die Aldi-Brüder, Karl und Theo Albrecht, sowie Hasso Plattner.“

Was ausgelassen wird


Die Fragen und Meinungen von Kaminer bleiben dabei unkommentiert. Er scheint auf gleicher Linie wie die BamS zu liegen.  Kleine Stolper – wie zum Beispiel solch ein Satz von Kaminer wie „Auf jeden Fall ist der Kapitalismus nicht das Gelbe vom Ei“ – druckt man einfach nicht. 

Die Auslassungen bei Antworten von Bartsch wiegen schwerer. Ich zitiere einige davon:

„Ich kenne niemanden in der Linke der zum Staatssozialismus zurück will. Das wäre irre. Der ist gescheitert. Der ist zu recht gescheitert. Aus ökonomischen Gründen, demokratiefeindlichen Gründen ...“

Bartsch‘ Definition der Leistungsgesellschaft: „dass jeder nach seiner Leistung erhält, dass jeder das einbringt, was er kann, dass den Schwächeren geholfen wird. Das ist der zentrale Gedanke.“

„Ich bin dagegen, dass heute Menschen zu Vermögen, zu Einkommen kommen, Milliardäre sind, vielfache Milliardäre sind, ohne Leistung. Das ist nicht gesund. Da muss eine Gesellschaft steuern, deswegen gibt es das Element Steuern.“

„Man will niemand enteignen, das ist gar nicht unser Ziel, wir müssen Grenzen ziehen. Natürlich bin ich dafür, dass man horrendes Eigentum bei Erbschaften besteuert.“

„Erbschaftssteuer ist in den USA, Großbritannien und Frankreich um vielfaches höher. Warum ist sie in Deutschland so niedrig?“ 

Eine gute Frage, nicht wahr? 

Dem Einwand, dass die gedruckte Version des Gesprächs, das auch verfilmt wurde, doch nicht alles im Wortlaut wiedergeben kann, stimme ich nur bedingt zu.

Wenn man die zentralen Aussagen eines  Interviewten einfach weglässt, dann verfälscht man doch seine Stellungnahme. 

Insgesamt will ich darauf hinweisen, dass es immer schwieriger ist, zwischen Berichten und Kommentaren zu unterscheiden. Beide Formen verschmelzen zur Unkenntlichkeit. So machen die Medien Politik.

„Das hat mit Merkel nichts zu tun“


Mein Lieblingszitat, das wie die anderen obigen in der BamS nicht gedruckt wurde, betrifft Merkel:

„Wenn ich mir angucke, wie vor 12 Jahren das Europa aussah, als ihr Kanzlerschaft begann, und heute, dann stelle ich fest: wir haben den Brexit, wir haben eine unbewältigte Finanzkrise, wir haben eine horrende Jugendarbeitslosigkeit in den Südländern, die eine verlorene Generation hervorbringt, wir haben erstarkte rechtsextremistische und rechtspopulistische Parteien, Europa ist in einer Gefahrenzone. Wenn dann aber einer sagt, das hat mit Angela Merkel nichts zu tun, der hat wirklich nichts verstanden.“

Sonntag, 19. Juli 2015

Das Maß der Dinge und Merkels Werte

"Der wahre Mensch wählt das Maß und entfernt sich von den Extremen, dem Zuviel und dem Zuwenig" sagte einmal der weise Aristoteles. Von dieser wahren Sorte haben wir wahrlich nicht zu viele Menschen. Wir leben eben in den Zeiten der Extreme, die die Welt um uns herum prägen. In jeder Hinsicht. Ins Auge springen besonders die Unterschiede im Lebensstandard. Die einen haben viel zu viel, die anderen viel zu wenig. Auf unserem angeblich wohlhabenden Kontinent sind Hunger und Armut zurückgekehrt. So sieht das Europa von Merkel aus. Sie triumphiert, während viel zu viele ächzen.


                                                                                                      Helmut J. Salzer  / pixelio.de 

Hauptsache, die Kasse stimmt 


Egal ob Spanien, Portugal oder Griechenland – den Preis für die Krise bezahlen nicht ihre Verursacher, sondern die Ärmsten. Gekürzt wird vor allem bei den Menschen an dem untersten Ende der Nahrungskette. In welchem Verhältnis steht diese Tatsache zu den viel beschworenen europäischen Werten?

Wenn wir jene Werte aus der jetzigen Realität und den Handlungen der hiesigen Machthaber herauszulesen versuchen, bekommen wir eine ziemlich triste Liste. An der ersten Stelle steht dann: Gebt denen, die schon haben und nutzt die Hilflosen aus. Hauptsache, die Kasse stimmt. Natürlich geht es um die Kasse der oberen wenigen Prozente und nicht um die Groschen der ausgebeuteten Masse. Geld ist Macht. Die Entmachteten haben daher nichts zu melden.

Die Habenichtse bleiben draußen


Unsere Liste der gelebten – und nicht der gepredigten - Werte führt der nächste bedrückende Punkt fort: Die Bildung, auf die es im beruflichen Leben ankommt, ist für die Wohlhabenden reserviert. Die Habenichtse müssen draußen bleiben. Wenngleich wir ergänzen müssen, dass es sich nicht um das tatsächliche Wissen handelt. Vielmehr geht es um das Funktionieren auf eine vorgeschriebene Art und um den Erhalt des Status quo, in dem die Geldbörse der Eltern über die Zukunft ihrer Kinder entscheidet.

Eine mögliche Konkurrenz – angeblich ein unabdingbarer Bestandteil der kapitalistischen Welt – wird von vornherein verhindert. Es geht nicht um die tatsächlichen Talente oder Fähigkeiten, sondern um die Zugehörigkeit zu den Privilegierten. Das System reproduziert sich selbst im geschlossenen Kreis und verkommt zu seiner Karikatur. 

Im finanziellen Gang


Ein weiteres Merkmal der herrschenden Ordnung ist die Anknüpfung der Gerechtigkeit an Macht und Geld. Ich spreche nicht über die verabschiedeten Gesetze. Das Papier ist geduldig und erträgt jede Idee. Um das Recht vor Gericht zu erkämpfen, braucht man aber Geld. Dies bedeutet, dass sich die Habenichtse diesem Regime widerstandslos unterwerfen müssen. Die Streitigkeiten können sie sich nicht leisten. Auf diese Weise zementiert sich das System selbst und sichert sein Fortbestehen. 

Was man im Kommunismus mit der Verfolgung erreichte, schafft der Kapitalismus im finanziellen Gang. Das Ziel ist gleich: die Herrschaft über die Massen und ihre Unterwerfung. Nirgendwo zeigt sich das so deutlich, wie im Fall von Griechenland. Oder erinnern Sie sich, dass sich Merkel oder Schäuble Gedanken über die Menschenrechte dort machten?