Montag, 1. Juni 2015

Ein gebissener Hund und Medien mit einem Maulkorb

Wenn man einer Anzeige der Axel-Springer-Akademie Glauben schenken will, beschränkt sich der Journalismus auf folgende Aufgaben: "Prominente treffen, Politiker interviewen, aus dem Ausland berichten." Demnach spiegelt ein Journalist in seinen Texten lediglich ein verzerrtes, einseitiges Bild der Wirklichkeit wider. Journalismus als Spiegel? Ein sehr kleiner dazu, in dem sich nur das Schrille oder Mächtige abbildet?


                                                                     Fot. Marlies Schwarzin  / pixelio.de

Hund und Medien


Eine aus dem 19. Jahrhundert stammende Regel definiert pointiert das Arbeitsfeld der Medien. Eine Nachricht besteht hiernach nicht aus der Information, dass ein Hund einen Mann beißt, sondern umgekehrt: man bites dog. Auch heute jagen Journalisten nach ungewöhnlichen Ereignissen, Affären und Skandalen. Mitnichten betrifft dies nur die Boulevardblätter. Überhaupt sind die Grenzen zwischen den sogenannten seriösen und den sensationsgierigen Medien längst kaum wahrnehmbar. Einer der Gründe dafür ist der Siegeszug des Internets.

Wir alle sind Journalisten


Jede und jeder kann schreiben. Das Internet bietet uns allen eine Plattform für unbegrenzte Ergüsse. Die Einstellung „Ich kann das doch selber“ zieht nach sich zahlreiche Konsequenzen. Die Journalisten wurden vom Podest auf den Boden zurückgeholt. Das Publikum klopft ihnen auf die Finger und kritisiert andauernd, ob mit Recht oder Unrecht.  

Ein Journalist zu werden ist nicht schwer, ein Journalist zu sein dagegen sehr – so kann man den berühmten Aphorismus von Wilhelm Busch paraphrasieren, um die gegenwärtige Lage zu beschreiben. Die Position eines unabhängigen Journalisten – was theoretisch jeden Vertreter dieser Zunft auszeichnen soll - ist schwach. Nicht ausschließlich wegen der gewaltigen Konkurrenz. Er soll sich sowohl gegen seine der Natur der Sache nach vorsichtigeren Vorgesetzten durchsetzen, wie auch auf dem verminten politischen Feld behaupten: eine Zerreißprobe zwischen wohlwollender Kontaktpflege und einem Abstand, der die Objektivität bewahren lässt.   

Mächtig kommt von Macht


Dennoch sind Medien mächtiger als je zuvor. Obwohl nicht als die Vierte Gewalt, deren Sinn und Berechtigung in der Demokratie aus der Kontrolle der anderen Gewalten besteht. Hierfür hätten die Medien eine größere Distanz zu den Machthabern halten müssen. Sie sind aber ein Teil des Machtsystems geworden. Weil sie es nicht bei der bloßen Berichterstattung belassen und als Akteure im politischen Theater mitmischen und agieren. Auf dem höchsten Niveau beobachtet man zum Beispiel die Verflechtungen des Springer-Konzerns und der Kanzlerin Merkel.

Einerseits dringen Medien in die Machtstrukturen ein, anderseits lassen sie sich von der Macht korrumpieren. Vergeblich suchen dann die Leser oder Zuschauer nach Berichten oder Analysen, die der Wirklichkeit entsprechen. Die Medien haben größtenteils die Seite gewechselt und sind zum Sprachrohr der Herrscher geworden. Das sind Verhältnisse, die sonst in den Diktaturen vorkommen. Es bedarf hierzulande keiner gesetzlichen Zensur. Viele setzen sich diesen Maulkorb selbst auf.

„Wer überwacht die Wächter?“


Zu Recht fragt also Claus von Wagner: „Wer überwacht die Wächter?“ und wundert sich gleichzeitig, wie wenig die Medien ihre Möglichkeiten nutzen. Wo sie dermaßen versagen, muss ihre Aufgaben die Satire übernehmen, unterstützt sowohl von den einzelnen Whistleblowern wie auch von den Sozialen Medien.


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