Dienstag, 31. Dezember 2024

Zum Neujahr: statt Vorsätze eine Vision

 Es muss sich ziemlich viel ändern. Davon sind ziemlich viele überzeugt. Wie aber diese Wende vonstattengehen soll, weiß kaum jemand. Vor fast einem halben Jahrhundert skizzierte Erich Fromm, deutsch-amerikanischer Psychoanalytiker und Philosoph, seine Vision und formulierte die nötigen Bedingungen, unter anderem diese:

„Das Ziel unbegrenzten wirtschaftlichen Wachstums müsste aufgegeben bzw. durch selektives Wachstum ersetzt werden, ohne das Risiko eines wirtschaftlichen Desasters einzugehen.“

Das Wachstum dient aber nach wie vor als wichtigster Maßstab der wirtschaftlichen Kraft eines Landes. Außerdem wiederholen Kritiker nicht zu Unrecht ununterbrochen, dass man nur das verteilen könne, was erwirtschaftet werde. Muss also die ausgegebene Parole lauten: Weiter so?

Die Zukunft liegt im Nebel.

Schritt für Schritt


Lieber nicht "weiter so". Denn dadurch werden die Umwelt und wir selbst zerstört.

„Wenn die Menschen jemals freiwerden, d.h. dem Zwang entrinnen sollen, die Industrie durch pathologisch übersteigerten Konsum auf Touren zu halten - schrieb damals Fromm -,  dann ist eine radikale Änderung des Wirtschaftssystems vonnöten: dann müssen wir der gegenwärtigen Situation ein Ende machen, in der eine gesunde Wirtschaft nur um den Preis kranker Menschen möglich ist. Unsere Aufgabe ist es, eine gesunde Wirtschaft für gesunde Menschen zu schaffen.“

Eine gesunde Wirtschaft, eine also, die nicht krank macht, für gesunde Menschen, für Menschen also, die nicht durch die Wirtschaft krank werden. Wer könnte solch einer Aufforderung widersprechen? Ich jedenfalls nicht.

Was mich im obigen Zitat jedoch beunruhigt ist das gefährliche Adjektiv „radikale“, das die nötige Änderung des Wirtschaftssystems beschreibt.  Vor einer Revolution, die ein enormes Gewaltpotenzial mit sich bringt, zucke ich erschrocken zusammen. 

Das meinte Fromm zum Glück auch nicht:

„All diese Veränderungen können nur Schritt für Schritt und mit Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit vorgenommen werden.“

Dieser Aussage kann ich mich bedingungslos anschließen. 

Ohne sie ist alles nichtig


Und wie sieht meine eigene Vision der Zukunft aus? Ihr Fundament muss die Gerechtigkeit bilden. Ohne sie ist alles andere nichtig. Darauf muss ein Bildungssystem fußen, das nicht zum Gehorsam, sondern zum selbständigen Denken befähigt. Ich glaube auch, dass ohne Absicherung nach unten die Wende nicht gelingen kann, daher spreche ich mich für das Bedingungslose Grundeinkommen aus. Die Idee ist relativ alt und zugleich ganz modern, wenn man versucht, sie umzusetzen. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir einen starken Staat brauchen. Das bedeutet aber keineswegs, dass dieser Staat jede Kleinigkeit regeln soll, weil er dann extrem schwach und nicht stark wird. Ein starker Staat setzt das Recht und Gesetz durch und erstellt klare Rahmenbedingungen, die den Zusammenhalt einer Gesellschaft garantieren.

Samstag, 28. Dezember 2024

Razzia im Kloster: Die Fortsetzung der Jagd auf Marcin Romanowski

Fast zeitgleich mit der spektakulären Flucht nach Ungarn, wo Marcin Romanowski, Ex-Vize-Justizminister, Asyl erhielt, suchte man ihn noch in Polen. Ebenso spektakulär. Die ganze Angelegenheit entwickelt sich zu einem waschechten politischen Skandal. 

Links Miłosz Manasterski, Kommentator, TV Republika,
rechts: Marcin Romanowski, der Gesuchte. Screenshot

 Kein Weihnachtsbesuch

Am 19. Dezember, also direkt vor Weihnachten, ereignete sich eine filmreife Aktion, die die „Rzeczpospolita“ mit folgender Schlagzeile zusammenfasst: „Ahnungslose Suche nach Romanowski. Es gab eine Razzia im Kloster, es gibt eine Beschwerde beim Gericht“ (Romanowski szukany po omacku. Był nalot na klasztor, jest zażalenie do sądu).

Die Betroffenen erklären hier selbst, was an diesem Tag passierte: 

„Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurde unser St. Stanislaus-Kloster in Lublin durchsucht. Als Anlass diente der Verdacht, dass sich bei uns Herr Marcin Romanowski versteckt. Sechs Polizeibeamte mit Sturmhauben durchsuchten gründlich zwei Stunden lang das Klostergebäude, auch den Wohnteil der Brüder. Während der Durchsuchung fotografierten Polizeibeamte unsere Räume, auch die Zellen der Mönche. Über dem Kloster kreisten in dieser Zeit Polizeidrohnen.“

Kein begründeter Verdacht?

Das obige Zitat stammt aus dem in den polnischen Medien veröffentlichten Brief vom Vater Łukasz Wiśniewski an den Vorsitzenden der Ordensobernkonferenz der Männerorden in Polen. Weiter lesen wir in diesem Brief:

„Herr Romanowski unterhält keinerlei Kontakte zu unserem Kloster. Außerdem verbreiteten Medien zum Zeitpunkt der Durchsuchung bereits die Nachricht, dass sich Herr Romanowski in Ungarn befindet, wo man ihm schließlich politisches Asyl gewährte. Derartige Durchsuchung ist präzedenzlos und entsetzlich. Die Brüder wurden verdächtigt, einen mit Haftbefehl gesuchten Mann zu verstecken.“

Ich kann mir die Fassungslosigkeit der Dominikaner bildlich vorstellen. Der Zeitpunkt (vor Weihnachten) dieser Aktion und ihre Art (vermummte Polizisten und Drohnen) muss auch Außenstehenden ziemlich chinesisch vorkommen.  

Arnold Pawlina, Prior des Dominikaner-Klosters in Lublin, formuliert seine Bedenken für die „Reczpospolita“: 

„Eine Durchsuchung ist eine sehr strenge Maßnahme, die einen begründeten Verdacht erfordert. Aber in diesem Fall scheint ein Gerücht oder Klatsch ausgereicht zu haben.“

Denn tatsächlich erklärte die Staatsanwaltschaft, dass als Grundlage ihrer Handlung eine Information vom 18.12., also einen Tag vor der Durchsuchung, diente. Demnach sollte jemand Romanowski im Kloster gesehen haben. 

„Woher kam diese Angabe und warum schätzte man sie als derart glaubwürdig ein, dass man sich für Durchsuchung des Klosters entschied?“ fragt rhetorisch die „Rzeczpospolita“.

Miłosz Manasterski, Kommentator von der TV Republika, vermutet, dass diese Aktion gegen die katholische Kirche insgesamt gerichtet war und erinnert an die Bekämpfung der Kirche von den Kommunisten. 

Alterprobte Lösung

Leszek Miller, ein Ex-Apparatschik, der ins Politbüro im realsozialistischen Polen aufstieg und nach der Wende von 2001 bis 2004 Polens Premier wurde, präsentiert auf der Plattform X eine Lösung des Problems:

„Nach der Blamage der Staatsanwaltschaft und der Polizei, die die Flucht von Romanowski nach Ungarn nicht verhindern konnten, gibt es nur noch eine Möglichkeit der Rehabilitierung: die Rückführung des Gesuchten nach Polen. Vorzugsweise in einem Kofferraum.“

Seine Äußerung ist vielen in Polen übel aufgestoßen. Sie fühlten sich an die Ermordung von Jerzy Popiełuszko erinnert. Vor 40 Jahren wurde der Priester von hohen Funktionären der polnischen Stasi (SB) entführt, bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen, gefesselt in einem Kofferraum transportiert und noch am Leben in den Fluss geworfen. 


Sonntag, 22. Dezember 2024

Die Jagd auf Marcin Romanowski

Was hat es mit dem Zwerg auf dem Foto unten auf sich? Es ist eine von vielen Figuren, den verkörperten Zeugnissen des Kampfes mit dem Kommunismus. Die politische Oppositionsbewegung „Orange Alternative“ hat in den 80. Jahren Wichte als Graffiti gemalt und auf diese Weise protestiert. Heute schmücken sie als Bronzefiguren die ganze Stadt Wrocław (Breslau). Wie komme ich aber im Fall Romanowski auf die antikommunistischen Zwerge? Weil man zurzeit in Polen starke Déjà-vus erleben kann. Was man hierzulande bei Merkel als Affinität erkannte, erscheint bei Donald Tusk, ihrem Protegé und aktuellem Premier von Polen, als starke Prägung: damit meine ich die Fixierung auf die kommunistischen Methoden.


Das Echo des Kommunismus

Noch im Wahlkampf hat Tusk angekündigt, dass er keine Gesetze brauche, um die PiS zu vernichten. Es würden ihm ein paar harte Jungs reichen. Im kommunistischen (realsozialistischen) Polen erledigten dreckige Geschäfte die verhassten ZOMO (Motorisierte Reserven der Bürgermiliz).

Wie ernst Tusks Ansage war, merkte man bereits an der Übernahme der ÖRR auf eben diese kommunistische Art. Er kopierte dabei die Einführung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981. Die Jagd auf Marcin Romanowski, Ex-Vize-Justizminister, bildet nur ein Puzzle-Stück in dem ganzen Spektakel, aber diesmal dringt das Echo in die Medien über die Grenzen hinaus. Denn Tusk lässt Romanowski mit einem Europäischen Haftbefehl suchen. Der gejagte wollte sich nicht einbuchten und brechen lassen und tauchte in Ungarn unter, wo man ihm bekanntlich Asyl gewährte. 

Wichtiger als Gericht

Im Gespräch mit Polsat News sieht sich Patryk Jaki, Europaabgeordneter, an die Zeiten der PRL (Volksrepublik Polen) erinnert: 

„Vor dem kommunistischen Regime flüchteten Menschen auch.“

Damals waren Machthaber wichtiger als Gerichtsurteile. Auch heute entscheiden die Regierenden, welche Urteile sie respektieren und welche nicht. Premier Tusk „bricht ostentativ das Gesetz“ und lache darüber. Er missachte Gerichtsurteile und erkläre dann, dass sie „nicht den Kriterien des Anstands entsprechen". 

„Verzeihung, kann Romanowski nicht das Gleiche sagen?“, fragt Jaki.

Die bedingte Rückkehr 

Patryk Jaki nennt notwendige Bedingungen für die Rückkehr von Romanowski nach Polen. 

„Es müssen in Polen die Kriterien der Rechtsstaatlichkeit erfüllt werden. Der rechtmäßige legale Nationalstaatsanwalt muss wieder eingesetzt und Richter ausgelost werden, dann kommt er sofort zurück.“

Ach herrje! Ich wette, dass dies unter Tusk nicht gelingen wird. 

Dienstag, 10. Dezember 2024

Wie es euch gefällt? Das polnische Drama

 Mit Shakespeare hat dieses politische Spektakel nichts zu tun. Und leider ist das auch keine Komödie.  Das Thema ist todernst, es geht um den Rechtsstaat.

Screenshot

Es wird Tusk nicht gefallen


Die Venedig-Kommission hat ihre Stellungnahme bekanntgegeben, was sich als ein gewisses Problem für die aktuelle polnische Regierung unter Tusk erweisen wird, mutmaßt „Rzeczpospolita“, eine der größten Tageszeitungen in Polen. 

Bevor ich zur Sache komme, eine kurze Vorstellungsrunde:

Die Venedig Kommission war vom Europarat 1990 – in einer Zeit revolutionärer Umwälzungen in Osteuropa – durch eine Resolution des Ministerkomitees ins Leben gerufen worden, um in Übergangsprozessen befindlichen Staaten juristische Soforthilfe in Verfassungsfragen zu leisten. Heute gehört die Venedig Kommission als unabhängiges Beratungsorgan zu den renommiertesten Einrichtungen für Gutachten und Beratungen in Verfassungsfragen in Europa.“
„Der Europarat ist eine am 5. Mai 1949 gegründete europäische internationale Organisation. Dem Europarat gehören 46 Staaten mit über 700 Millionen Bürgern an.“ (Wikipedia)

Kein Nikolausgeschenk für Tusk


Während ihrer Plenarsitzung am 6. Dezember (Plenarsitzungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt) befasste sich die Venedig-Kommission unter anderem mit Polen und den angestrebten von der Tusk-Regierung  „Verfassungsänderungen in Bezug auf das Verfassungsgericht und zwei Gesetzentwürfen über das Verfassungsgericht“. 

Die polnischen Vorschläge gehen in Augen der Kommission eindeutig zu weit.  

„Der Gesetzesentwurf zur Änderung der Verfassung sieht die Abberufung aller derzeitigen Richter des Verfassungsgerichtshofs (Trybunał Konstytucyjny) vor. Laut Venedig-Kommission wäre dies ein Verstoß gegen geltende Standards der Unabsetzbarkeit von Richtern und daher inakzeptabel, sagte der Vize-Justizminister Dariusz Mazur (er nahm an der Sitzung teil) und merkte an, dass diese Frage die größten Bedenken der Kommission hervorgerufen habe“, schreibt "Rzeczpospolita".

Na sowas! Da wundert sich Herr Mazur erst jetzt, obwohl Bedenken und Kritik viel früher und laut genug erklangen und unter anderem von Präsidenten Andrzej Duda, der selbst ein Jurist ist, und der Richterin Monika Michalska-Marciniak, Initiatorin der Richtervereinigung „Aequitas“, geäußert wurden.

Freitag, 6. Dezember 2024

Sie irren sich, Herr Merz!

 Ich greife aus dem Gespräch bei Maischberger einen Punkt auf, den Friedrich Merz ganz unmissverständlich formuliert (im Gegensatz zu anderen Bereichen): das Bürgergeld. Er will es nämlich abschaffen.

Screenshot

Das Märchen von der Vollbeschäftigung


Das Thema „Bürgergeld“ wird von der Opposition heiß gekocht. Man weckt bewusst ziemlich niedrige Instinkte und hantiert mit Halbwahrheiten oder ganzen Lügen. 

Merz beschreibt das Problem folgend: 

"Wir haben ein System geschaffen, dass es für diese Menschen (Bürgergeld-Empfänger) attraktiver macht, nicht zu arbeiten, und Transferleistungen zu bekommen, als in den Arbeitsmarkt zu gehen."

Tatsächlich? Diese "faulen Säcke" könnten arbeiten, wollen aber nicht?

Das ist eine These, die nach Beweisen schreit. Jene fehlen aber. Wie auch der Kontext, in dem wir uns bewegen.

Denn zum einen braucht man dafür unbedingt einen entsprechenden Rahmen: die Vollbeschäftigung. Sollte dieser Rahmen jedoch nur ein Märchen sein, ist die Forderung; jede und jeder müsse einen Arbeitsplatz finden, ein eindeutiges Ablenkungsmanöver. Und zugleich ein Geständnis der eigenen Unfähigkeit, das Kind beim Namen zu nennen. 

An dieser Stelle halte ich fest: eine Vollbeschäftigung ist ein Traum. Oder ein Märchen. Nicht mal der Kommunismus (realexistierender Sozialismus) konnte das Märchen verwirklichen. Und heute rückt dieser Traum noch weiter von der Wirklichkeit ab. Es wird nicht mehr, sondern weniger Arbeit geben. Die Automatisierung und Digitalisierung vernichten bereits jetzt viele Arbeitsplätze. Und das ist nur der Anfang.

Wie antwortet auf diese Herausforderung Herr Merz? Ihm fällt es nichts anderes ein, als auf die Schwächsten draufzuhauen, weil sie keine Lobby haben, die er fürchten müsste. 

Wo sind die Beweise?


Merz‘ Pläne der Abschaffung des Bürgergeldes resultieren nicht aus seiner Ahnungslosigkeit, wie die Entwicklung vonstattengeht. Er ist nicht dumm und weiß, dass wir uns, ob wir es wollen oder nicht, in der vielfältigen Zeitenwende befinden. Worum es ihm geht, ist die Antwort auf die Frage: Wer bezahlt die Rechnung für diese Transformation?

Darf ich ihm überhaupt diese fiese Manipulation unterstellen? Ja, weil er keine Beweise liefert, dass der aktuelle angebliche Fachkräftemangel im kausalen Zusammenhang mit dem Bürgergeld steht. Das Problem kennen auch andere Länder, die kein Bürgergeld eingeführt haben.  

Außerdem vermisse ich zuverlässige Daten, die belegen, wer und warum die Arbeit verweigert habe. Wieso liefert Herr Merz diesbezüglich keine Fakten? Vielleicht, weil die angeprangerten Arbeitslosen keine Angebote bekommen und die Institutionen - die Arbeitsagentur und Jobcenter - die die Arbeit vermitteln sollten, dies nicht tun? Und zwar aus einem einfachen Grund: sie leben von den Arbeitslosen. 

Ein miefendes Armutszeugnis  


Merz zaubert aus dem Hut als Lösungsvorschlag ein stark miefendes altes Konzept:  Hartz IV. Es wäre saukomisch, wenn es nicht derart armselig wäre. 

Really, Mister Merz?

Unsere heutigen Probleme verdanken wir im großen Teil auch der Hartnäckigkeit, mit der sich Merkel die ganzen 16 Jahre eben an Hartz IV festklammerte. 

Dienstag, 3. Dezember 2024

Die politische Merkel

 Ich bin kein Fan (Fanin?) von Angela Merkel. Diese Aussage ist hochgradig euphemistisch formuliert. Hier, in meinem Blog, findet man einige kritische Posts über sie. Es darf also nicht wundern, dass ich ihr Buch nicht lesen werde. Außerdem vertraue ich der Rezension von Jan Fleischhauer, der von „furchtbarer Ödnis“ spricht. Ich fühle mich zudem bestätigt, was mein Bild von Merkel betrifft, durch das Spiegel-Interview „Gespräch mit der Ex-Kanzlerin über ihre Memoiren“.  Daraus lässt sich viel über sie herauslesen.


Gestaltung mit Suchtpotenzial


Wie tickt also Merkel wirklich? Was ist ihr am wichtigsten? Diese Frage lässt sich ziemlich leicht beantworten: Macht, Macht und noch einmal Macht. Die politische Landschaft, die die Parteien verkörpern, erscheint ihr deswegen in dieser Form:

„Parteien sind Machtapparate, da gibt es eben Machtkämpfe.“

Na gut, könnte man dazu sagen, da beschreibt sie lediglich die Realität; das ist einfach so. Ohne Macht kann man doch die Politik nicht gestalten. Wenn sich aber die Politikerin oder der Politiker ausschließlich dem Kampf um die Macht verschreibt, dann verkommt die Macht zur Waffe, mit der man eigene Position verteidigt. Als Konsequenz verlieren machtbesessene Politiker die demokratische Legitimation, die die Wähler den sogenannten Volksvertretern mit ihren Stimmen verleihen. Die Macht verkommt zur Droge und machtbesessene Politiker zu Süchtigen. Das Verlangen nach mehr Stoff – Macht – wächst mit der Zeit, wie das von anderen Süchtigen bekannt ist.

In diesem Kontext erklären sich die auf den ersten Blick unverständlichen maulwurfartigen Purzelbäume von Merkel (bei einem Maulwurf dienen Purzelbäume zu einem Richtungswechsel um 180 Grad). Es ging nie um die Sache, sondern um den Machterhalt. 

Aus dieser Perspektive betrachtet sie ihr Umfeld. Deswegen kann sie nichts Interessantes über andere Politiker und Gesprächspartner sagen, außer Bemerkungen, inwieweit jene in dem Machtspiel für sie eine Konkurrenz darstellen. 

Ein Schlenker nach Polen


Im Merkels Muster-Schüler, Donald Tusk - dem aktuellen Premier von Polen, erkennt man einen Menschen vom gleichen Schlag. Auch er gehört zu der Sorte "heute hui, morgen pfui". So führte er seinen Wahlkampf mit einer europaweit verbreiteten Kampagne gegen die Befestigung der Grenze zu Belarus auf hysterische Art. Dies störte ihn absolut nicht daran, seine Position diesbezüglich nach der Machtübernahme diametral zu ändern

Tusk verdankte Merkel 2014 seinen Posten als Präsident des Europäischen Rates (bis 2019). Sie lobte ihn damals überschwänglich, er sei  "leidenschaftlicher, überzeugter und überzeugender Europäer", was heißen soll, er sei kein Konkurrent, eher ein nützlicher Idiot.

Nebenkriegsschauplatz in der DDR


Merkel kann man nicht ohne ihre Zeit in der DDR verstehen. Bezeichnend sind dabei ihre eigenen Schilderungen:

„Für mich war sie keine Last, die ich abwerfen muss, sondern Teil meines Lebens. Mich hat irritiert, welche Jagd Journalisten in den Nachwendejahren veranstaltet haben, auf meine Pflichtarbeit an der Uni in Marxismus-Leninismus, nachdem ich am 3. Oktober 1992 bei einer Veranstaltung von ihr erzählt hatte. Nach dem Motto: Wo sind die Akten? Was hat sie geschrieben? Jetzt haben wir sie! Mein Leben in der DDR schien in manchen Medien nur zur Skandalisierung zu taugen. Doch für solche Nebenkriegsschauplätze hatte ich keine Zeit und keine Kraft.“

So spricht kein Mensch, der eine Diktatur ablehnt, vielmehr jemand der mit ihr – der Diktatur – liebäugelt, nicht wahr?

Samstag, 23. November 2024

Tusk, PiS und der Kreuzzug

 Die Staatliche Wahlkommission (PKW) in Polen hat den Jahresabschluss der PiS-Partei für das Jahr 2023 abgelehnt.  Die Entscheidung befürworteten 5, dagegen stimmten 4 Mitglieder der Kommission. Noch im August hat die PKW bereits den Bericht der PiS-Wahlkommission nicht akzeptiert. Infolgedessen fällt die größte Oppositionspartei in puncto Finanzen Tusks Kreuzzug zum Opfer. 


Spielt mit!


Rafał Woś, polnischer Journalist, dessen Texte u. a. in der "Zeit" und im "Stern" erschienen, alarmiert auf interia.pl (führende Nachrichtenplattform in Polen): 

"Im Moment dieses finanziellen Schlags gegen die PiS sollten bei allen echten Demokraten die Alarmglocken schrillen. Denn hier geht es keineswegs um die „Wiederherstellung der Demokratie“. Es ist genau umgekehrt."

Auf "X" ruft Woś zu einem Gedankenspiel auf:

„Wir reisen in der Zeit zurück in das Jahr 2019. Jetzt stellen wir uns vor, dass die PKW der PO (der Bürgerplattform von Tusk) für drei Jahre die Finanzierung entzieht. Wie würden dann die Reaktionen aussehen? Von:
A. „freien Medien“,
B. der Europäischen Kommission,
C. allen anderen Demokratie-Hütern.“

Ich setze das Spiel fort: Nehmen wir an, dass die Ampel kurz vor ihrem Titanic-mäßigen Untergang unter hanebüchenen Vorwänden der CDU, der größten oppositionellen Partei also, die Finanzierung entzieht. Könnt ihr euch derartiges Szenario vorstellen?! Nicht? Ich auch nicht. Donald Tusk, Premier von Polen, dagegen schon. Die Vernichtung der Opposition gehört zu seinen Prioritäten. Tragikomisch muten dabei seine Beschwörungen an: Er tue dies im Namen der Verfassung (konstytucja) und der Demokratie. Gott, schütze uns vor solchen Beschützern!

Eine neue Qualität


„Natürlich legen wir gegen diese Entscheidung Berufung ein, obwohl der Vertreter der Wahlkommission, Ryszard Kalisz, verkündete, dass sich die PKW von den Gerichtsurteilen nicht beeinflussen lässt“, antwortet Jarosław Kaczyński den Journalisten, die ihn im Sejm – dem polnischen Parlament – umkreisen.
Wer jetzt ungläubig den Kopf schüttelt, wird es bei diesem Vorfall nicht aufhören können:  Denn die Pressesprecherin der Generalstaatsanwaltschaft, Staatsanwältin Anna Adamiak. droht unverhüllt einem Journalisten, der unbequeme Fragen stellt: 

„Haben Sie das Nötigste schon gepackt? (Es heißt: Sind Sie für die Haft vorbereitet?)“

Zygmunt Czaban, polnischer Blogger und X-Nutzer, kommentiert den Vorfall: 

„Das ist eine neue Qualität: den Journalisten auf den Pressekonferenzen mit Gefängnis zu drohen.“


Dienstag, 12. November 2024

Anne Applebaum, erhöhte Aktivität und gespaltener Kern

 Ich lehne Thesen von Anne Applebaum ab. Gleichzeitig aber bestehe ich auf ihr Recht, sie ungestört zu präsentieren.  Das ist – so glaube ich – der wichtigste Unterschied zwischen uns. 


Die krampfhafte Suche nach dem Splitter


In dem Interview für die ARD klagt Applebaum die US-Republikaner an:

„Es geht ganz klar um eine radikale Umgestaltung der Institutionen, zum Beispiel durch Massenentlassungen von Beamten.“

Für derartige Beschuldigungen bleibt mir nur müdes Lächeln übrig. Die Dame sieht den Splitter im fremden Auge, aber nicht den Balken im eigenen. Denn zurzeit lebt sie in Polen und will – das merkt man deutlich – Interessen des politischen Lagers von der aktuellen Regierung nach Außen propagieren und kraftvoll verteidigen. Der polnische Premier Tusk entlässt seit seiner Machtergreifung Ende 2023 alle, die jemals in Berührung mit der PiS-Partei kamen und kümmert sich dabei nicht mal um die Verfassungskonformität seiner Handlungen. Offen gibt er die Anwendung von Mafia-Methoden (starke Kerle statt Gesetze) zu.

Des Altruismus nicht verdächtigt


Bei alldem, was wir noch von Applebaum lesen und hören werden (und ich gehe jede Wette ein, dass sich ihre Aktivitäten in nächsten Monaten enorm erhöhen), sollten wir im Hinterkopf behalten, dass sie die Ehefrau eines Ministers in der Tusk-Regierung ist. Es handelt sich dabei nicht um irgendeinen beliebigen, sondern um Radosław Sikorski, den polnischen Außenminister. Er hat große Ambitionen und gibt noch nicht die Hoffnung auf, der nächste Präsident von Polen zu werden. Die Wahlen finden vermutlich im Mai 2025 statt; der Termin steht noch nicht fest.

Der Nebentraum von Applebaum nimmt höchstwahrscheinlich die Gestalt der First Lady an.  Die bildliche Wirkung derartiger Konstellation hätte auch mir gefallen: das polnisch-amerikanische  Paar als lebendes Symbol des polnischen Staates. Derartige Voraussetzungen reichen aber nicht aus, um das Amt würdig auszuführen.  Ich werfe Frau Applebaum vor, dass sie stets Öl ins Feuer gießt, mit Anklagen um sich nur so wirft und genug spalterischer Energie besitzt, um sogar einen Atomkern zu spalten.

Regulieren, zensieren, bolschewisieren 


Genauso wie Tusk duldet sie keine abweichenden Meinungen. Daher sieht sie die wichtigste Aufgabe bei der schwierigen internationalen Lage in den Einschränkungen der Meinungsfreiheit:

„Die EU muss sich jetzt ernsthaft mit der Regulierung der sozialen Medien befassen.“

Übersetzt heißt das: Entweder sprecht ihr mir nach, oder ich erteile euch das Redeverbot.  Mit Demokratie haben derartige Gelüste absolut nichts am Hut. Ich spreche in diesem Fall von der bolschewistischen Sicht der Dinge. Zur Erinnerung  Bolschewiki waren ein kleines Grüppchen, das mit ihrem Namen Mehrheit suggerierte und die Oktoberrevolution anzündete. Sie beanspruchten die Macht über die ganze Welt. Ehrlicherweise sprachen sie von Diktatur als ihr Ziel.

Was den Vergleich von Trump mit Hitler angeht, schäme ich mich für Frau Applebaum fremd. Bereits mit ihrem inakzeptablen Beharren auf das Adjektiv „polnische“ in Verbindung mit den Konzentrationslagern spielte sie der Nazi-Propaganda in die Hände (ob bewusst oder nicht, ist dahingestellt). Dass sie Opfer mit Tätern verwechselt, kann ich ihr, immerhin einer Historikerin, nicht verzeihen.

Sollten Menschen, wie Frau Applebaum, an die Macht kommen, werde ich mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht mehr so von der Seele schreiben dürfen. Dann nimmt man mich fest und nicht nur blockt, wie Frau Applebaum schon vor Jahren getan hat. Jetzt, nach 6 Jahren, habe ich sie zurückgeblockt. 

Gestoppter Nazi-Thriller

 Na so was! Da spekulierte ich in meinem letzten Post fantasievoll über die möglichen politischen Verwicklungen der "Sächsischen Separatisten" und ahnte nicht, dass es wirklich derartige Verbindungen gibt. Und zwar hier in Deutschland. Der Spiegel lässt die Bombe platzen (vielleicht ist das nicht die glücklichste Formulierung, wenn man von Terroristen spricht), schon im Titel: "Ex-CDU-Politiker Peter Kurth überwies 100.000 Euro an mutmaßliche Terroristen".


Der nicht arme Ahnungslose


"Sächsische Separatisten" haben mit diesem Geld oben abgebildetes Haus gekauft. Peter Kurth, der früher Berlins Finanzsenator war, zeigt sich jetzt ahnungslos: 

„Ich habe dieses Gedankengut bei den genannten Personen nicht wahrgenommen, ansonsten hätte es den Hauserwerb auch nicht gegeben.“

Das Immobiliengeschäft kam also nur deswegen zustande, weil Herr Kurth nicht wusste, was die Kerle so treiben. Wer’s glaubt, wird selig. Denn Herr Kurth soll "nach Recherchen des SPIEGELS und des MDR zwischen 2019 und 2022 insgesamt rund 240.000 Euro in Firmengeflechte der rechtsextremen »Identitären Bewegung« gesteckt haben."

Grenzen des Wahnsinns


Der Anführer der mutmaßlichen SS-Terroristen (wie Spiegel den Namen abkürzt), der 23-jährige Jörg S.,  wurde in Polen, in Zgorzelec, festgenommen. Von der polnischen ABW - Agentur für Innere Sicherheit -, wie die Medien in Polen informieren. Wollte sich der mutmaßliche SS-Terrorist vor Ort in Polen erkunden, wie seine zukünftigen Gebiete des neuen nationalsozialistischen Staates aussehen? Bestimmt. Ich bin überzeugt, dass Sächsische Separatisten beim Erschaffen ihres Reiches nicht vor Grenze haltgemacht hätten. Schließlich taten dies ihre Vorbilder – die Nazis – auch nicht.  

Vorerst wollten sie ihren Versammlungsort einrichten:

„Gekauft worden war die Gewerbeimmobilie nach SPIEGEL-Recherchen von drei mutmaßlichen »SS«-Terroristen dem Grimmaer AfD-Stadtrat Kurt Hättasch, 25, seinem gleichaltrigen Parteifreund Kevin R. und einem 26-Jährigen namens Martin K. aus Leipzig. Der notariell beurkundete Kaufvertrag, der dem SPIEGEL vorliegt, ist auf den 19. Oktober 2023 datiert, der Kaufpreis betrug demnach 90.000 Euro. Allerdings stehen die drei Männer noch nicht als Eigentümer im Grundbuch – wegen bislang ungeklärter, formaler Fragen verzögert sich die Eintragung.“

Die Verzögerung wird jetzt mutmaßlich länger dauern.



Sonntag, 10. November 2024

Haben „Sächsische Separatisten“ den MDR gekapert?

 Wieso stelle ich derart provozierende Frage? Weil fast zeitgleich mit den Meldungen über eine Razzia gegen „Sächsische Separatisten“ auf  MDR ein merkwürdiger Artikel erschien, der derartige Rückschlüsse zulässt.


Separierter Größenwahn 


Die Polizisten haben "an rund 20 Orten in Deutschland, Polen und Österreich zahlreiche Liegenschaften durchsucht und acht Beschuldigte festgenommen."

Die sächsischen Terroristen träumten separatistisch größenwahnsinnig:

„Die Gruppe habe sich darauf vorbereitet, in einem Teil Sachsens Gebiete zu besetzen, diese mit rechtsextremen Milizen abzuriegeln und dort auch ethnische Säuberungen an Migranten und Mitgliedern der staatlichen Ordnung zu begehen. Die Rede soll dabei auch von einem "Holocaust" gewesen sein. Der Gruppe wird daher vorgeworfen, einen gewaltsamen Systemumsturz zum "Tag X" herbeiführen zu wollen, dessen Zweck auch darauf gerichtet ist, Mord oder Totschlag zu begehen.“

Da frage ich sofort nach: Wie stellten sich die Separatisten dieses neue Sachsen vor? Wo würden die Grenzen verlaufen? Bietet diesbezüglich der erwähnte Artikel womöglich einen Hinweis, wie sich die Pläne konkretisieren sollten? 

Natürlich handelt es sich hier lediglich um meine Spekulationen, die mit dem auf den ersten Blick harmlosen MDR-Text eine ordentliche Portion Nahrung bekamen. 

Sachsen oder Ausdehnung des Gebiets


Die Wiederentdeckung der deutschen Schriftzüge an Fassaden in Polen stellt für mich kein Problem dar. Wie man darüber berichtet, dagegen schon:

„Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Spuren deutschen Lebens systematisch entfernt“, lesen wir im MDR-Artikel.

Das klingt nach „How dare you!“ Plötzlich sind also Polen fuchsteufelswild geworden, anstatt weiter wie während des Krieges ihren Status der Untermenschen zu akzeptieren. 

Obendrauf schmückt der MDR den Artikel mit ausgerechnet dieser historischen Karte:

Was will man damit sagen? Dass sich Wrocław, Opole und Katowice (auf Deutsch: Breslau, Oppeln, Kattowitz) auf der falschen Seite der Grenze befinden?

Schützenhilfe von Tusk


Passend dazu bemühte sich Anfang des Jahres der frischgewählte Premier Donald Tusk das geteilte Polen nicht wieder zu einen, sondern noch ein bisschen mehr zu spalten, und brachte auf den Weg das Gesetz zur Anerkennung des schlesischen Dialekts als eine unabhängige Sprache. Er startete zugleich eine aggressive – wie oft in seinem Fall – Kampagne, die sein Vorhaben untermauern sollte.

Gegen das Projekt haben sich sowohl Experten – Sprachwissenschaftler (es handle sich um einen Dialekt, nicht eine selbständige Sprache) -, wie auch Präsident Andrzej Duda ausgesprochen.

Ich frage also – rein spekulativ: Wollte Donald Tusk womöglich zuerst die Sprache, dann das ganze Gebiet für unabhängig erklären? Wie komme ich auf die – ich gestehe - ziemlich abstruse Idee? Ich versuche dies zu erklären, allerdings muss ich dafür weit ausholen.

Geschichte mit dem Verschwinden und Wiederkehren


In drei Schritten wurde Polen - damals ein territorialer Gigant, von der Türkei größer -, als unabhängiger Staat ausgelöscht. Die "netten" Nachbarn teilten sich das Land unter sich. Am 24. Oktober 1795 verkündeten Preußen, Österreich und Russland die Dritte Teilung; Infolgedessen verschwand Polen gänzlich von der Landkarte. Erst nach dem I. Weltkrieg kehrte es 1918 zurück. Über die Grenzen entschieden in Versailles die Siegermächte. Am 31.08.1939, also direkt vor dem Nazi-Überfall, sah Polen wie auf der Karte unten aus:

Quelle: Portal Statystyczny



In der Zwischenkriegszeit lebten in Polen viele Nationen - u.a. um die 3,5 Mio. Juden (10 %) und eine Million Deutsche. Die deutsche Minderheit verfügte über eigene Schulen, hunderte Zeitschriften, Sport- und Kulturvereine und viele politische Parteien. Die vier größten hießen: Deutsche Vereinigung aus Pomern (Pomorze), Volksbund aus Schlesien (Śląsk), Deutscher Volksverband aus Zentralpolen und die Jungdeutsche Partei. Die Jungdeutsche Partei wurde 1921 als Deutscher Nationalsozialistischer Verein für Polen in Bielsko gegründet.

Und weiter in der Geschichte zu der Fünften


Zu den oben genannten Parteien muss man noch illegale Organisationen hinzufügen. Ihre Mitglieder wurden in Deutschland geschult. Danach kehrten sie mit Spionage-Ausrüstung nach Polen zurück. Antipolnische Terroranschläge stiegen an, besonders im Westen des Landes. 

Als dann der Krieg begann, unterstützten bereits gutvorbereitete Kampftruppen, die aus "polnischen" Deutschen bestanden, die einmarschierten Nazis. 

Zu einer sehr „effizienten“ Art der Hilfe gehörten Sonderfahndungsbücher, mit denen man die Gestapo ausgestattet hat. Darin befanden sich Zigtausende Namen von Polen, die man liquidieren sollte. Diese Listen haben in Fleißarbeit Deutsche, die zugleich polnische Bürger waren (also Nachbarn und Einwohner), erstellt. 



Die fünfte Kolonne findet kaum Erwähnung hierzulande, obwohl sie doch Großes für die Nazis geleistet hat. Vor diesem Hintergrund stelle ich meine letzte in diesem Post ganz spekulative Frage: Kann sich die Geschichte wiederholen?



Mittwoch, 6. November 2024

And the winner is: Donald Trump!

 Wir wachten heute in einer anderen Welt auf. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach wird Donald Trump der nächste Präsident der USA. Die entscheidenden sogenannten Swing States haben für ihn gestimmt. 

Screenshot 

Und Gratulanten gab es schon auch. Einer der ersten war der französische Präsident Macron, wie auch der NATO-Generalsekretär Mark Rute. Wolodymyr Selenskyj und der polnische Präsident Andrzej Duda gratulierten ebenso.

Olaf Scholz glückwünscht auch dem neuen Präsidenten:

 Elon Musk, „der Genie“ wie ihn Trump nennt, spricht von einem „crystal clear mandate for change.“

Das Volk hat also entschieden.

 Rolf Mützenich, Chef der SPD-Fraktion warnt unterdessen vor "weniger Berechenbarkeit (…), Effekthascherei und einer Schwächung der internationalen Organisationen.“ Das ist der Mann, der keine Kritik an Putin zulässt, wie die FAZ zuletzt berichtete. Schon komisch. Findet ihr nicht? Bei mir sieht das eher umgekehrt aus.

Die Demokraten haben aus verschiedenen Gründen verloren. Ich könnte ihnen vorwerfen, dass sie von den richtigen Forderungen und Vorsätzen ausgehend, eine falsche Politik machen. Sie schreiben zwar die Toleranz groß, aber scheinen den Geist der Inquisition auferstehen zu lassen: Wehe, du wirst nicht so, wie wir es sind. Sie versuchen die Rechte der Minderheiten auf eine ähnliche Art durchzusetzen, wie es Bolschewiki in der Oktoberrevolution taten. Zu Beginn ein kleines Grüppchen wählte den Namen Bolschewiki, der von „groß“ (большой) stammt, demnach mit der Realität nichts am Hut hatte. Ihre Ziele waren aber tatsächlich groß. Sie wollten die ganze Welt verändern. Bekanntlich duldeten sie dabei keine Abweichler von ihrer de facto Minderheitsvision. 

Sonntag, 3. November 2024

Um Gottes Willen, Olaf, lass bitte die Finger davon!

 Konstantin von Hammerstein schreibt in seinem alarmistischen Artikel, dass "Tusk enttäuscht ist und die Hoffnung aufgegeben hat, dass ihm Scholz bei seinem schwierigen Kampf gegen die populistischen Deutschlandhasser von der PiS noch helfen könnte. Gegen Jarosław Kaczyńskis Partei Recht und Gerechtigkeit, die in ihren acht langen Jahren an der Regierung Demokratie und Rechtsstaat im fünftgrößten Land der EU mit Füßen getreten hat."

Ist das nicht rührend, wie sich der deutsche Journalist, um das Wohlbefinden des polnischen Premiers sorgt? Der arme Schlucker leide, da müsse man doch zur Hilfe eilen. Und der Olaf tue es nicht. Ach!

Ich bin dagegen erleichtert. Gott sei Dank, Olaf! Und lass bitte die Finger davon! Du bist doch ein wahrer Demokrat und kein Lupenreiner wie Tusk, der echte Hetzer und Hasser.


Verfassung und Schluckauf

Eins muss man Tusk lassen: Er ist ein Meister der Intrige und schwimmt liebend gern im trüben Wasser. In seinem Handeln erkennt man ohne Mühe diktatorische Züge. Ein kleines Beispiel gefällig? Bis heute verweigert er TV Republika, einem der größten Privatsender, den Zutritt zu seinen (oder von ihm veranlassten) Pressekonferenzen. Dass er damit gegen die Verfassung verstößt, kümmert ihn nicht. Er mag keine unbequemen Fragen - Verfassung hin oder her. 

Apropos Verfassung, noch im Wahlkampf wiederholte Tusk Schluckauf-artig das Wort Konstytucja (Verfassung auf Polnisch) und warf dem politischen Gegner Verstöße dagegen vor. Heute sagt er öffentlich, dass er sich nicht an die Gesetze halten werde, weil er ein größeres Ziel im Auge habe. Da müsse die Verfassung – leider, leider – einfach weichen.

Dass dies der Duktus der Diktatoren ist, stört ihn mitnichten. Im Gegenteil, er kopiert und verwendet oft Methoden der kommunistischen Machthaber aus der Zeit des Kriegsrechts in Polen. Daher hätte er am liebsten die Opposition ausgelöscht. Tusk unternimmt viele Versuche, die darauf ausgerichtet sind. Er überzieht das Land mit Entlassungen und Verhaftungen.

Aller schlechten Dinge sind drei

Zu seinen Lieblingsmethoden gehört das Anschwärzen, oder grob gesagt: jemanden mit Dreck zu bewerfen. In diesem Geist verlief auch am 30.10. die Pressekonferenz über russische Einflussnahme in Polen. Die TV Rebublika wurde auch diesmal nicht zugelassen. Tusk machte im Vorfeld Stimmung: er könne nur drei Worte sagen, worum es gehe  – Macierewicz, Verrat, Staatsanwaltschaft.

Jarosław Stróżyk aus dem Militärischen Abschirmdienst (SKW) präsentierte dann den Rapport, der nichts Konkretes, dafür viele krude Thesen und wilde Anschuldigungen beinhaltete. Danach wurden zwar großzügig 15 Minuten für Fragen eingeräumt, nach zwei harmlosen und nicht mal 5 Minuten war es dennoch vorbei.

Wir können diesen Bericht nicht ernst nehmen, kommentierte kurz darauf die PiS.

Ich frage mich daher, wieso man sich hierzulande (die Mainstream-Medien auf jeden Fall) derartige Politik und einen derartigen Politiker wünscht.

Einer der Gründe ist womöglich die Ankündigung, die Tusk direkt nach der Machtergreifung machte, die Beweise für die schrecklichen Schandtaten von Polen im II Weltkrieg zu liefern. 

Vielleicht gefällt es Herrn Hammerstein & Co. der Gedanke, dass nicht die Nazis, sondern die „Untermenschen“-Polen die Täter sein sollten. 

Es nennt sich aber Täter-Opfer-Umkehr. 


Donnerstag, 31. Oktober 2024

Wandel, Wende und gute Laune

 "Was wir gerade erleben, ist ein tiefgreifender Wandel in Deutschland", schreibt Gabor Steingart in "Focus". Tja, den Wandel erleben wir mindestens seit dem Mauerfall vor 35 Jahren.

Hier stand "Berliner Mauer 1961 - 1989"

Im alten Korsett


Unterwegs gab es noch die Zeitenwende, die Olaf Scholz verkündete:

"Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents. Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen - aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime infrage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen."

Steingart interessieren vor allem ökonomische Veränderungen:

"Die Stagnation der Wirtschaft und die Krise bei Volkswagen markieren den Beginn eines tiefgreifenden Wandels. Alte Industrien verschwinden, neue Herausforderungen belasten die deutsche Wirtschaft.

Was das Land als Krise erlebt, ist in Wahrheit der Beginn einer sehr umfassenden Transformation. Viele Gewissheiten der vergangenen Jahrzehnte, die wir vereinfacht „Normalität“ genannt haben, verschwinden vor unser aller Augen im Nebel der Geschichte."

Er beschreibt jedoch die neue Situation mit alten Kategorien und merkt nicht, dass dieses alte Korsett nicht mehr zu den Zukunftsherausforderungen passt.

Muff und Flügel 


Kurzfristig brauchen wir Investitionen, die aber eine langfristige Perspektive haben müssen. Anders gesagt: Wir brauchen Visionäre und Visionärinnen sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft. Und die wachsen nicht zwischen altbackener Ausbildung und der Arbeitswelt und dem Schulwesen, die auf den Gehorsam ausgerichtet sind. 

Unser Gold steckt in der Kreativität der Menschen und jene erstickt im Muff der Bürokratie und Handsteuerung. Wir benötigen ein kluges System der Unterstützung von Talenten, in allen Schichten verstreut, und eine Atmosphäre, in der man sich traut, die Flügel auszubreiten. Daher ist eine Absicherung „nach unten“ notwendig. Das Bürgergeld bedeutet ein Schritt in die richtige Richtung. Im Digitalzeitalter, wenn es in Deutschland irgendwann soweit wird, sollte man es unbedingt durch das Bedingungslose Grundeinkommen ersetzen.

Bei allen Veränderungen "dürfen wir nicht die gute Laune verlieren“. In diesem Punkt gebe ich Steingart recht.

Freitag, 18. Oktober 2024

Gisèle Pélicot und die Scham der Frau

Es war Gisèle Pélicot selbst, also das Opfer, die die Zulassung der Öffentlichkeit im Prozess verlangte. Sie habe schließlich keinen Grund, sich zu schämen. Richtig! 

Figuren am Rathaus in Wrocław

Regeln des Spießrutenlaufs

„Die Scham muss die Seite wechseln“, sagte sie und wurde dafür gefeiert. Von Feministinnen, erklärten die Medien. Aber wir alle – alle Menschen mit Anstand -, sollten uns bei Frau Pélicot bedanken, weil sie das Thema „Scham“ vom Kopf auf die Füße gestellt hat. 

Denn wir, ob mit oder ohne Anstand, sind dafür verantwortlich, dass sich stets die Opfer verstecken müssen, weil die Regeln, die wir als Gesellschaft aufgestellt haben, das Rücksichtslose bevorzugen und das Schwache verachten. 

Vor Gericht verurteilen wir zwar die Täter (meistens), danach aber bereiten wir den Opfern einen gnadenlosen Spießrutenlauf vor.  

Grammatisch, aber nicht paritätisch

Die Welt ist nur grammatisch weiblich. Frauen werden in dieser Welt benachteiligt. Im Westen natürlich viel weniger als woanders. Dennoch zeigt sich der Abstand zu Herren der Schöpfung auch hier immer noch viel zu groß und in Deutschland noch größer.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Aussage von Friedrich Merz über die Geschlechterparität in einer Regierung mehr als merkwürdig.

"Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen", behauptete Merz neulich.

Was soll das heißen? Dass es mehr inkompetente Frauen gebe als Männer? Oder dass Frauen von Natur aus blöder seien?

Ich wette, dass eine Liste der Gegenbeispiele unendlich lang wäre.  

Merz' Ablehnung der Parität lässt sich nicht durch seine christlich-konservative Einstellung rechtfertigen. Im Laufe der Jahre bin ich auch konservativ geworden, christlich kommt noch dazu,  und eben deswegen sehe ich in der Gleichberechtigung die einzige Option für die Zukunft. Und übrigens, Jesus war ein durch und durch Feminist.


Mittwoch, 16. Oktober 2024

Tusk, Duda und die Grenze

 Premier Donald Tusk will das Recht auf Asyl in Polen „vorübergehend aussetzen“ und die Grenze zu Belarus weiter befestigen.  Deutsche Medien berichten darüber fast ausführlich. Fast. Denn sie vergessen hinzuzufügen, dass Tusk damit eine 180-Grad-Wende hinlegt. Genauso wie seine Fans hierzulande. Noch vor Kurzem überschlugen sich hiesige Politiker und Medien unisono  vor scharfer Kritik an die damals regierende PiS für ihre angeblich inhumane Migrationspolitik, obwohl sich die PiS-Regierung zum derart radikalen Schritt (Tusk verkündet selenruhig, dass ihm die EU-Position dazu egal sei) nicht hinreißen ließ. 

Screenshots

Land der Freiheit und der Mann mit dem Herzchen 


Heute kommentierte im Sejm (polnisches Parlament) Tusks Wende Präsident Andrzej Duda:

„Ich freue mich, dass jetzt auch die Regierung von Premier Tusk zu den Verteidigern der polnischen Grenze zählt. (…) Besser spät als nie.“

Gleichzeitig kritisierte Duda aber das Aussetzen des Asylrechts.

„Dieser Schritt wird keineswegs helfen, die Grenzen dicht zu machen, sondern wird verhindern, dass belarussische Oppositionelle in Polen Zuflucht finden. Polen war, ist und hoffentlich bleibt ein Land der Freiheit und  Solidarität 

Putin und Lukaschenko versuchen, die Lage an unserer Grenze und in der EU zu destabilisieren, und Sie antworten darauf damit, dass Sie denjenigen, die von Putin und Lukaschenko inhaftiert und verfolgt werden, das Asyl verweigern. Das ist ein fataler Fehler.“

Tusk antwortete darauf in seiner gewohnten Manier mit Beleidigung und Häme: der Präsident konnte nichts Blöderes sagen und es lohne sich überhaupt nicht, über seine Ansprache (übrigens eine sehr gute) zu debattieren. 

Donald Tusk trägt zwar gern das Herzchen am Revers, dennoch tritt er noch lieber unter die Gürtellinie.

Freitag, 11. Oktober 2024

Es geht um den Rechtsstaat, stupid!

 Einmal wieder zerrt man die PiS-Partei, zurzeit in der Opposition in Polen, ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, und beschimpft, sodass ich rufen will: Hey, die PiS regiert nicht mehr, schaut euch endlich an, was die Tusk-Regierung veranstaltet!

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Chaos und aktive Reue


Johannes Fechner, SPD, bezeichnet in seiner Rede im Bundestag die frühere PiS-Regierung als „autoritäre Machthaber“ und beschuldigt sie, das Verfassungsgericht lahm gelegt zu haben. 

Ähm, schon mal vom heutigen Zustand der Justiz in Polen Notiz genommen, Herr Fechner? Ich vermute, dass die Antwort Nein lautet. Denn kaum jemand behält in dem aktuellen Chaos den Durchblick. 

Wie es sich der Premier Donald Tusk den Rechtstaat vorstellt, lässt sich schwer sagen. Über Plattitüden kommt er nicht hinaus.  Er wolle das System verbessern, "damit man den Leuten Geld, Leid und Zeit ersparen kann". 

Diese Reform präsentiert dann, neben dem Premier stehend, der Justizminister und Generalstaatsanwalt Adam Bodnar. Was ihn hauptsächlich interessiert, ist die Abrechnung und Absetzung der sogenannten Neorichter (ernannt nach 2018). Er unterteilt jene in Funktionen in drei Kategorien (in Farben dargestellt - Grün, Gelb, Rot): Die erste Gruppe besteht aus Personen, "die keine andere Wahl hatten", weil sie frisch ihre Ausbildung beendet haben. Der Rest hatte diese Wahl und sich doch „für die Kariere nach 2018 entschieden". Wobei die einen nur, weil sie sich als Teil eines gemeinsamen Projektes gesehen haben. Ihre Beförderung wird jetzt rückgängig gemacht. Dagegen erscheint die letzte Gruppe als die schlimmste in Bodnars Augen: sie bewiesen nämlich „unwiderstehlichen Willen, in der Justizstruktur aufzusteigen“. Um überhaupt arbeiten zu dürfen, müssen sie ein Geständnis ablegen, dass dies „ein Fehler in ihrem Leben war“ und „aktive Reue“ (czynny żal) wie Verbrecher zeigen.

Gebrochene Rückgrate sind keine Reform 


„Wenn man in den Gerichten Säuberungen veranstaltet und den Richtern das Rückgrat bricht, dann handelt es sich um keine Reform, sondern um Diskriminierung“, lautet die Kritik von Richterin Monika Michalska-Marciniak, Initiatorin der Richtervereinigung „Aequitas“.

Im Gespräch mit der „Rzeczpospolita“ bemerkt die Richterin, dass es schon früher Versuche gab, einen politischen Einfluss auf die Richter zu nehmen. Aber Minister Bodnar diskriminiert Richter "im massiven Ausmaß". 

Die Reformpläne von Bodnar verblüffen sie:

„Ich konnte nicht glauben, dass ein Jurist, ein Professor einen derartigen Vorschlag legitimiert. Hier greift man in die Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit der Richter ein. Das alles widerspricht in eklatanter Weise der Verfassung. Meiner Meinung nach ist diese Ankündigung von Säuberungen (czystki) politisch motiviert. Sollte das gelingen, schafft man einen sehr gefährlichen Präzedenzfall für die zukünftigen Regierungen. Richter wird man dann unter jedem Vorwand absetzen können.“

Dudas Veto




 Präsident Andrzej Duda spricht sich entschieden gegen derartige Pläne aus. Auf einer wissenschaftlichen Konferenz am Obersten Gerichtshof sagte er:

"In einem demokratischen Rechtsstaat sind derartige Lösungen unzulässig, weil sie gegen die Verfassung verstoßen und Unabhängigkeit der Justiz verletzen. Ich versichere es Ihnen, dass ich bis zum letzten Tag meiner Amtszeit als Präsident derartige verfassungswidrige Regelungen mit allen mir zur Verfügung stehenden rechtmäßigen Mitteln verhindern werde." 

Unterdessen zählt Donald Tusk öffentlich die Tage bis zu Dudas Abschied, denn danach kann er machen, was er will.

Gott, steh uns bei!

Montag, 7. Oktober 2024

Das Attentat oder was Ursula von der Leyen mit der EU vorhat

 Die EU braucht einen neuen Anstrich. Viele sehen den Reformbedarf als dringend. Diesbezüglich lautet die wichtigste Frage: In welche Richtung soll sich unsere Gemeinschaft entwickeln?  Unterdessen warnt die polnische Zeitung "Rzeczpospolita" wortwörtlich vor dem Attentat, das von der Leyen auf das „Europa der Regionen“ vorbereitet. 


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Zum Beispiel Bundesländer


Das Adjektiv "regional" erlebte in den letzten Jahren eine enorme Aufwertung. Regional sei ökologisch, nachhaltig, gut. Darf man das automatisch über "Europa der Regionen" behaupten? Dabei handelt sich hier um ein politisches Konzept, "das die Regionen innerhalb Europas unabhängig von den EU-Mitgliedstaaten fördern und in ihrer regionalen Eigenständigkeit unterstützen soll." (Wikipedia) Ein Beispiel von Regionen sind die deutschen Bundesländer.

Der größte Vorteil lässt sich leicht formulieren: Eine Region zeigt sich übersichtlicher als ein Staat und menschennah. Was hat also von der Leyen dagegen?

Einfach, flexibel, nicht gut?


Von der Leyen will nicht mehr und nicht weniger als das Ende der EU-Regionalpolitik, behauptet Anna Słojewska in der „Rzeczpospolita“. Die Autorin stützt sich auf die inoffiziellen Aussagen von Experten. 
„Ursula von der Leyen schlägt anstelle der bisherigen 530 Programme (davon 398 im Bereich der Kohäsionspolitik) 27 nationale operationelle Programme vor.“

Auf den ersten Blick wirkt der Vorschlag als ein Ausweg aus einem bestimmt chaotischen Zustand. Gleichzeitig aber ersetzt man das Regionale durch das Nationale. 

„In jedem dieser (nationalen) Programme sollten alle Ausgaben enthalten sein, die sich bisher aus der Kohäsions- und der Agrarpolitik zusammensetzen, einschließlich der Subventionen für die Landwirte. Diese Programme werden in Sektoren wie Verkehr, Energie, Landwirtschaft oder Inneres und Migration unterteilt. Es gehe dabei, laut von der Leyen, um Vereinfachung und Flexibilität.“

Lieblingsfeind an die Wand gemalt


Wieso soll dieses Vorhaben also gefährlich sein? Die Abgabe der Kompetenzen bedeute, dass viele Regionen über keine schlüssige Investitionsprogrammen verfügen werden, urteilt die „Rzeczpospolita“. Außerdem will von der Leyen  die Auszahlung der Gelder an die staatlichen Reformen anknüpfen, auch wenn Regionen darauf keinen Einfluss haben.  Was die „Rzeczpospolita“ aber besonders aufschreckt, ist folgendes Szenario: 

„Wenn die Staatsregierung eine andere politische Orientierung als die in der Region hat,  könnte sie die Verteilung von EU-Finanzmitteln als Belohnung für Parteifreunde missbrauchen. Stellen Sie sich diese Situation vor, die PiS kehrt an die Macht zurück und gibt den Woiwodschaften und Städten, wo die PO (Tusk-Partei) regiert, kein Geld.“

Wenn der Lieblingsfeind der EU und Donald Tusk kein Argument ist!

Donnerstag, 26. September 2024

Warten auf die Welle in Wrocław (Breslau). Erkenntnisse? Teil 3

 Gestern stand das Hochwasser auf dem Programm im Sejm, dem polnischen Parlament. Premier Donald Tusk zog als erster Bilanz. Er bedankte sich bei "den stillen Helden - den Einwohnern von den überfluteten Gebieten". 

"Wir alle verbinden uns heute mit euch", versicherte Tusk.


Politisches Wasser

Tusk betonte das nie da gewesene in Mitteleuropa Ausmaß der Katastrophe und verteidigte seine Handlungsweise wie die Fernsehübertragungen von Sitzungen des Krisenstabs. 

Die Zerstörung durch die Flut sei groß, dennoch zeigen sich Wohnungsschäden in ersten Schätzungen zehnfach kleiner als 1997. 


"Flutopfer erwarten von uns Solidarität und keine politische Schlägerei", sagte Premier, um später doch gegen die oppositionelle PiS auszuteilen.


Noch am Mittwochsmorgen bemängelte Łukasz Schreiber. PiS-Abgeordneter, die geplanten Rahmen für diesen Punkt der Sitzung auf X/Twitter:

„Erst hatten wir eine Parodie der Krisenstäbe und jetzt bekommen wir eine Parodie der parlamentarischen Debatte. Zuerst müssen 14 (sic!) Minister stundenlang sprechen. Jeder wird pflichtbewusst den Premierminister und ein paar andere Kollegen loben. Dafür begrenzt man die Redezeit der Abgeordneten (eine Minute), genauso wie die Zahl der Fragen (20 für die Opposition).“

Der Anruf, der zu spät kam


Die heutige „Rzeczpospolita“ präsentiert Vorwürfe von Michał Piszko, Bürgermeister von Kłodzko. dass "Wody Polskie" (Polnisches Gewässer), zuständig für die Gewässerunterhaltung, zu spät am 15.09. über den Dammbruch am Fluss Morawka in Stronie Śląskie informierten. Obwohl sich der Vorfall schon um 10:35 ereignete, bestätigt wurde er offiziell erst um 13 Uhr.


Riesige Wassermassen strömten nach dem Dammbruch die Biała Lądecka hinunter in das Einzugsgebiet der Nysa Kłodzka und verwüsteten u. a. Stronie Śląskie, Lądek-Zdrój und Kłodzko.

Laut Wody Polskie existierte zu der Zeit keine telefonische Verbindung. Der Bürgermeister glaubt nicht daran:

„Ein Anwohner veröffentlichte ein Foto des gebrochenen Damms im Internet noch vor der öffentlichen Mitteilung. (…) Hätte ich diese Information 2 – 3 Stunden früher erhalten, würde ich alle Mittel und Kräfte mobilisieren, um die Bewohner vor dem Wasser aus dem Damm in Stronie zu warnen. Sie hätten etwas von ihrem Hab und Gut retten können. Zum Glück ist niemand hier ertrunken.“

Während der Pressekonferenz versprach Joanna Kopczyńska, Präses von Wody Polskie seit Januar 2024, dass man demnächst die nötige Ausrüstung für die alternative Kommunikation kauft.


Alle Fotos habe ich in Wrocław aufgenommen.






Vorausgehend:    Teil 1
                            Teil 2

Mittwoch, 25. September 2024

Warten auf die Welle in Wrocław (Breslau). Ursula kommt. Teil 2

 Das Drama spielt sich weiter südlich ab. „Teile Tschechiens, Polens und Österreichs sind unter Wasser“, berichtet am Sonntag, den 15.09., der „Nordkurier“. Aus Polen kommen genaue Messdaten:

Die Alarmstufe wurde am Sonntag um 6 Uhr morgens an 31 hydrologischen Stationen im Odereinzugsgebiet überschritten. Den größten Anstieg verzeichnete die Station Brzeg Dolny an der Oder - um 313 cm.“ 

Mit Sand gewappnet

Das Hochwasser zerstört alles auf ihrem Weg: Lądek Zdrój wird von der Welt abgeschnitten, Głuchołazy und Kłodzko hart getroffen. Die Einwohner von Stronie Śląskie verkünden das Ende der Stadtexistenz.

Der Ernst der Lage in der Region soll der Krisenstab darstellen. Mit grimmigen Gesichtern sitzen Entscheider und Experten unter Vorsitz von Premier Donald Tusk in Wrocław im Gebäude des Woiwodschaftsamtes, direkt an der Oder.



Das Fernsehen ist auch da: heute zu sehen der TVP-Wagen. Später - von Polsat ersetzt.



Die niederschlesische Metropole wappnet sich indes gegen das Hochwasser. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist riesig. Es bilden sich Bürgergruppen, die die Deiche kontrollieren und jeden Riss den zuständigen Diensten melden. Die Soldaten, Feuerwehrleute, Pfandfinder helfen ebenso. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gibt es genug Sand und Säcke. Am Tag und in der Nacht füllt man sie auf. Deiche und Häuser werden abgedichtet. 

So sieht die Dominsel Ostrów Tumski aus:




Die Zugänge zum Ufer sperrt man ab.




Am Mittwoch, den 18.09. soll die Scheitelwelle Wrocław erreichen. Niemand wagt eine konkrete Prognose, was das für die Stadt bedeutet.

Ursula an der Oder

Am Donnerstag kommt Ursula von der Leyen, um sich selbst von der Flut ein Bild zu machen. Auf seine Einladung, wie Donald Tusk unmissverständlich betont. Vorsorglich verweigert er den Journalisten des durchaus kritischen Senders „Telewizja Republika“ den Zutritt. 

Von der Leyen besucht u.a. Marszowice,  ein Bezirk in Wrocław, der tapfer gegen das Hochwasser ankämpft.

An diesem Tag spreche ich mit zwei Feuerwehrmännern, dessen Fahrzeug sich hinter dem Sitz des aktuellen Krisenstabs befindet.

„Das Wasser ist um eine Stufe zurückgegangen, sehen Sie?“ – fragt mich der eine.



Der andere stellt fest, dass das Rückhaltebecken Racibórz Dolny seine Rolle erfüllt habe. Ich ziehe daraus das Fazit, dass man mehr derartiger Einrichtungen bauen solle. 

„Sagen Sie das den Bewohnern, die dagegen laut protestierten“, antwortet er.

Ich nicke und erzähle eine neulich aufgeschnappte Geschichte, dass man sich angeblich in Kłodzko gegen solch ein Becken ausgesprochen und stattdessen einen Sandstrand gegönnt hat. 

„Hier in der Nähe gab es bis vor kurzem auch einen. Die Leute haben aber jetzt den Sand gebraucht und sich ihn in der Nacht geholt“, höre ich daraufhin.

Vorerst aufgehoben

Die Stadt atmet nach Tagen der Angst auf. Heute, am Mittwoch, den 25. September, hob der Präsident von Wrocław den Hochwasseralarm für die Flüsse Oder, Olawa, Sleza und Widawa innerhalb der Stadtgrenzen auf. Vorerst.



Vorausgehend Teil 1

Nachfolgend    Teil 3