Montag, 21. November 2016

Angela Merkel und die Zukunft

Ich hab’s gewusst! Wie auch einige andere, die keine Sekunde daran gezweifelt haben, dass Angela Merkel wieder als Kanzlerkandidatin antreten wird. Darunter auch Norbert Röttgen, der mit dieser Nachricht zu früh vorgeprescht hat  und damit die perfekte Inszenierung zerstörte.


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Sich zeigen und allen zeigen


Merkel hat den Zeitpunkt der Verkündung ihrer Kandidatur sehr bedacht gewählt: In ihrem beständigen Streben nach Macht vertraut sie der Wirkung der Bilder. Zuerst zeigte sie sich also mit Obama und europäischen Staatschefs in Berlin und sendete damit eine wichtige aus ihrer Sicht Botschaft, dass sie als unerlässliche Mitspielerin auf der Weltbühne agiert. Da sich aber die Wirkung von visuellen Darstellungen als ziemlich flüchtig erweist, schob sie nach der Pressekonferenz, auf der sie ihre erneute Kandidatur publik machte, einen Besuch bei Anne Will nach. Sie hat sich kurzfristig selbst eingeladen  und die ganze Sendung damit durcheinander gebracht. Einige Gäste musste man ausladen.

Apropos Anne Will: Ich hätte wirklich gern erfahren, wieviel Einfluss Merkel auf die Verbannung der Sendung von Anne Will aus dem Sonntag im Jahre 2011 hatte. 

"Kann ich etwas tun für den Zusammenhalt in der so polarisierten Gesellschaft?"


Die obige Frage sehe ich als entscheidend für jede Kanzlerkandidatur. Merkel stellt sie lediglich rhetorisch. Für sie ist die Antwort selbstverständlich und ohne Zweifel. Sie glaubt an sich und kümmert sich um die Kritik wenig. Es sei denn, jene Kritik bedroht ihre Machtposition. 

Ich vermisse bei ihrer reflexartigen  Bejahung die Selbstreflexion. Sie geht mit sich selbst unkritisch um. Was sie gemacht hat, war stets gut. „Schauen Sie, wir haben das und das erreicht…“ – lautet ihre Standarderwiderung.

Sie merkt zwar, dass sich etwas verändert hat– auch oder vor allem die politische Landschaft -, Merkel spricht sogar von dramatischen Veränderungen, was sie aber als Lösung vorschlägt, ist im Grunde die alte Formel „weiter so“, weil „die Konstanten“ für sie gleich geblieben sind. Unter den Konstanten versteht sie hauptsächlich die soziale Marktwirtschaft – ein Begriff, der zu einer leeren Worthülse verkümmerte. Die Vorgehensweise bleibt, betont Merkel bei Anne Will. Anders ausgedrückt: Merkel bietet auf die neuen Herausforderungen alte Antworten und nennt dies eine Politik von Maß und Mitte. 

Anne Will hakte bei diesem Punkt nach, erkundigte sich nach dem Konkreten und erfuhr nur Schleierhaftes: „Wir arbeiten daran.“ Das ist mir viel zu wenig. Spätestens in diesem Moment wird es klar, dass Merkel keine Vision der Zukunft hat; sie weiß einfach nicht, wie sie die Spaltung der Gesellschaft überwinden soll. Da gebe ich dem Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz recht: „Das ist das Problem, dass Merkel nur reagiert und sich durchzumogeln versucht.“

Die da oben und die da unten oder die Gesunden und die anderen


Wie weit sich Merkel von der Realität entfernt hat, zeigt ihre Reaktion auf den Vorwurf des enorm gewachsenen Elitenverdrusses. „Jeder kann sich einbringen“, sagte sie, als ob es um individuelle und nicht strukturelle Probleme ginge. 

In die gleiche Kerbe schlug Giovanni di Lorenzo, der sich am Sonntag, den 20.11.16, bei Anne Will als Merkelversteher übte: „Ich wünsche mir einen besseren Blick für das Gute und Gesunde im Lande.“  

Ich dagegen glaube, dass wir vom derartigen Blick schon mehr als genug hatten. Jetzt wird es an der Zeit, den Tatsachen in die Augen zu schauen und Probleme endlich zu lösen, statt sie weiter zu ignorieren. Dass diese schwierigen Aufgaben mit Merkel als Kanzlerin gelingen, glaube ich absolut nicht. 

Montag, 7. November 2016

Im Niqab bei Anne Will

Es nützt nichts, sich von der Wirklichkeit beleidigt zu fühlen. Sie bleibt trotzdem real. Daher wäre es notwendig, eine Antwort auf die Frage zu finden, wieso sich Jugendliche radikalisieren. Dass sie es tun, ist eine Tatsache. Das Thema der Sendung von Anne Will am Sonntag, den 6.11., ist deshalb wichtig für uns alle.

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Ins Schwarze getroffen


Niemand darf erwarten, dass eine Talkshow Lösungen von Problemen präsentiert. Dafür ist diese Plattform nicht gedacht und nicht geeignet. Sie bietet lediglich einen Raum für Diskussionen, die eigentlich die Politik führen müsste, was sie leider zu selten tut. Dafür ist sie zu sehr mit der Nabelschau beschäftigt.  

Anne Will nimmt sich harte Brocken an. Dabei führt sie auf ihre unaufgeregte Art genauso gut durch wildes Wasser wie auch im undurchsichtigen Labyrinth. Dass sie mit ihrer letzten Sendung ins Schwarze getroffen hat, zeigen unter anderem die heftigen Reaktionen auf Twitter. Noch lange danach konnte sich die Online-Gemeinde nicht beruhigen und twitterte munter weiter.

Das Spiel des Gesichts


Schwarz wurde uns vor Augen auch während der Sendung: Nora Illi, Frauenbeauftragte des "Islamischen Zentralrats Schweiz", trat im Niqab auf, was sowohl einige Gäste als auch viele Zuschauer als Provokation empfanden.  Eines der Argumente gegen derartige Verkleidung, vorgetragen von Ahmad Mansour, einem Islamismus-Experten und Psychologen, hob die Bedeutung der nonverbalen (außersprachlichen) Kommunikation hervor. 

Die Mimik - das Spiel des Gesichts - bringt mit sich selbstverständlich zahlreiche Informationen, die eine sprachliche Aussage ergänzen, oder ihr widersprechen. Wir haben gelernt, derartige Hinweise zu interpretieren und zu nutzen.  Wir haben uns auch daran gewöhnt, dass uns ein Gesprächspartner sein Gesicht zeigt. Das ist aber mitnichten eine gültige Regel: Am Telefon oder im Radio hören wir nur, was jemand zu sagen hat, und stören uns nicht daran.

Wo liegt also das Problem? Ich hätte gesagt: nicht in der Verschleierung selbst, sondern in ihrem radikalen Hintergrund und in unserer Angst.  Wir haben meistens Angst davor, was wir nicht verstehen. Umso mehr, seitdem grausame Taten unsere Vorahnungen bestätigten.  Spätesten nach dem 9.11.2001 befürchten wir radikale Ideologien und Richtungen, weil wir gesehen haben, wohin sie führen. 

Beides trifft auf Frau Illi zu: Wir verstehen ihre Entscheidung nicht, sich gänzlich hinter einem schwarzen Stoff zu verstecken, und vermuten dahinter eine radikale und gefährliche Weltanschauung.

Worthülsen und Seelenfänger


Wieso agiert eine junge und anscheinend intelligente Frau dermaßen befremdlich? Wieso ignoriert sie alles, was uns wichtig und heilig ist? Oder sollte man die Frage doch umformulieren? Wieso ist uns nichts wichtig und heilig? Das ist eine Frage nach den Werten, die uns zwar stets glatt über die Lippen gehen, sich aber meist als absolut leere Worthülsen entpuppen. 

Die Radikalisierung von Jugendlichen ist ein Symptom kranker Gesellschaft. Ein Symptom und gleichzeitig eine Antwort auf nicht gelöste Probleme. Seelenfänger, die nach Unerfahrenen und Enttäuschten Ausschau halten, nützen jene Lücken, die wir nicht geschlossen haben. Sie suchen sich die Schwachen aus, diejenigen, um die wir uns nicht gekümmert haben. 

Ich habe auch kein Rezept, wie man dagegen vorgehen soll. Dennoch glaube ich, dass eine ehrliche Diskussion ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Dienstag, 18. Oktober 2016

Urteile über dich selbst!

Eindeutiger konnte das Votum des Fernsehpublikums von „Terror – Ihr Urteil“ nicht ausfallen. Die überwiegende Mehrheit sprach den Piloten frei. Ich selbst war allerdings froh, dass ich nicht wirklich entscheiden musste.

In einem Extremfall, wie aus diesem verfilmten Stück von Ferdinand von Schirach, bleibt es wenig Zeit zum Nachdenken und zum Debattieren. Die Zuschauer würdigten sowohl den Mut des Piloten zum Handeln und unter diesen Umständen eine eigene Entscheidung treffen zu wollen, als auch seine Bereitschaft, die daraus folgenden Konsequenzen zu tragen. Im täglichen politischen Geschäft hätten wir uns viel mehr davon gewünscht, statt Scheinhandlungen und Weiter-so-Taktik, die nur dem Erhalt eigener Macht dient.



                                                    Martina Gedeck als Staatsanwältin. Screenshot


Seien wir ehrlich!


Die filmische Staatsanwältin, von Martina Gedeck grandios gespielt, erinnert, dass Recht und Moral strengt zu trennen sind: "Niemals darf eine moralische Einstellung über die Verfassung stehen." Bekanntlich lautet der erste Artikel unserer Verfassung – unseres Grundgesetzes - wunderbar humanistisch: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Nach diesem obersten Prinzip soll also die Staatsgewalt (im Sinne von Organen und Institutionen des Staates) agieren und entscheiden. Seien wir aber ehrlich: Danach richtet sich der Staat nicht in erster Linie. Die Würde wird relativ oft geopfert. Daran scheinen wir uns inzwischen gewöhnt zu haben.

Vom Subjekt zum Objekt


Die Würde ist ein Attribut eines Subjektes, eines Menschen also, der selbst über sich bestimmt. Entscheidet man über seinen Kopf hinweg, degradiert man ihn zu einem Objekt. Dies geschieht auf verschiedenen Wegen: von ganz offensichtlicher Versklavung zu subtileren Methoden, die auf den ersten Blick einen Anschein der Rechtsmäßigkeit bewahren. 

Dazu zählt zum Beispiel die staatliche Tolerierung von massenhafter Armut in einem reichen Land wie Deutschland, mit dem Argument: selbst schuld. Oder Zerstörung der Zukunftschancen von den armen Kindern, weil nur die Eltern für sie verantwortlich sein sollten. Das ist aber lediglich ein nicht zu großer Teil der Wahrheit, weil es hier um strukturelle und nicht individuelle Probleme geht. Wie auch in dem besonders drastischen Beispiel der Hartz-Gesetze. Von einem Kriminellen entworfen, gaukeln sie uns vor, die Notwendigkeit von Druckausübung auf die angeblich faulen Arbeitslosen.  

In Wirklichkeit werden die Hartzer in Geiselhaft genommen. Niemand bemüht sich ernsthaft, sie in Arbeit zu bringen. Man braucht sie zu anderen Zwecken als Sündenböcke, die abschreckend auf die Arbeitnehmer wirken sollen. 

„Die da oben“ und der Rest


Es wäre jedoch zu einfach „die da oben“ allein für die Missstände verantwortlich zu machen. Jede und jeder von uns trägt in seinem kleinen oder größeren Bereich auch die Verantwortung für die Entwicklung – entweder zum Guten oder zum Schlechten. Weil Terror hier unter uns entsteht. 

Legt also bitte Hand aufs Herz und urteilt über Euch selbst: Seid Ihr wirklich unschuldig?

Sonntag, 18. September 2016

Kraftprobe zwischen einer Umfrage und Bautzen

In einer Umfrage sprechen sich über zwei Drittel der Deutschen dafür aus, dass Flüchtlingskinder gleiche Rechte wie die hiesigen bekommen. Während sich Medien und das Publikum darüber entzückt zeigen, sehe ich keinen Grund zur Freude.

                                                               So weit darf es nicht kommen. Screenshot

Das steht nicht zur Debatte!


Wieso habe ich mit diesem durchaus positiven Ergebnis Probleme? Was stört mich daran, dass sich eine Mehrheit für das Selbstverständliche ausspricht? Eben dieser Umstand, dass es sich um ein elementares und selbstverständliches Recht handelt. Müssen wir wirklich erst ermitteln, was jedem Menschen von Beginn an gebührt? 

Was wäre, wenn wir auf einmal darangingen zu fragen, ob wir Unbequeme, Andersdenkende, Schwache und Kranke töten dürfen? Klingt das entsetzlich und bescheuert? Ist es auch. Diese Frage stellt sich für redliche, fühlende und denkende Menschen überhaupt nicht! Weil wir uns längst darauf geeinigt haben, dass wir menschlich bleiben wollen und dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Es steht also nicht zur Debatte, ob es einigen von uns auch gleiche Rechte zustehen oder nicht!

Raus aus dem Rahmen


Für ein Land wie Deutschland – zivilisiert und hochentwickelt – lege ich die Messlatte wesentlich höher als für sonstige mit Demokratie nicht vertraute Staaten. Umso größer ist meine Frust. Stets aufs Neue schlagen mir aus den unerwarteten Seiten dreiste Versuche entgegen, Menschenrechte auszuhöhlen. 

Einerseits helfen aufopferungsvoll und selbstlos unzählige Ehrenamtliche die sogenannte Flüchtlingskrise zu meistern. Ohne diese wunderbaren Menschen wäre der deutsche Staat zusammengebrochen. Anderseits machen andere –nicht nur die Rechten, sondern auch nicht wenige Politiker und die eigentlich zuständigen Behörden – diese Bemühungen zunichte. Es fehlen Konzepte, es fehlen schnelle Entscheidungen, es fehlt oft der gute Wille, die Verantwortung für diejenigen zu übernehmen, die man ins Land hereingelassen hat.

Und dann gibt es noch Bautzen. Bautzen ist – Gott sei Dank – nicht überall, aber Bautzen ist nicht ein einziger Ort, wo sich Nazis und Rassisten stark fühlen und die Polizei überfordert ist. Oder sogar gibt sie sich geschlagen, wie Maik Baumgärtner in seinem Kommentar zu den Konsequenzen der gewalttätigen Auseinandersetzungen am Mittwoch, 14.09.16, meint:

„Tatsächlich hat sie (die Polizei, Anm. GG) den Rechtsextremen das Feld überlassen, indem sie die Flüchtlinge in ihre Unterkünfte sperrt.“

Gleiche Rechte? Vergiss es!

Dass es sich um eine durchaus schwierige Situation handelt, muss man nicht sonderlich erklären. Nicht mal der wahre Verlauf der Ereignisse lässt sich rekonstruieren. Flüchtlinge gegen Deutsche oder Deutsche gegen Flüchtlinge – je nachdem, wer darüber berichtet, ändert sich der Blickwinkel. Die Polizei verlautet, dass Gewalt von Asylsuchenden ausging. Einige Zeugen sahen das Gegenteil vor Augen.

Unterdessen sind neue Demonstrationen von den Rechtsextremisten angekündigt. Es sieht nach einer Kraftprobe aus. Schon am besagten Mittwoch haben die Nazis gebrüllt: „Das ist unser Nazikiez.“

Jetzt kommt es darauf an, wie sich die Polizei präsentiert und agiert. Denn eine Polizei, die sich unter Rechtsextremen nicht nur wohlfühlt, sondern auch mit ihnen identifiziert, passt nicht in den Rahmen eines demokratischen Staates. 

Freitag, 9. September 2016

Angeblich geht es uns gut. Wirklich?

Nein, früher war nicht alles besser. Und heute ist nicht alles schlecht. Angeblich geht es uns außerdem gut. Besonders denjenigen, die die ordentlichen Scheuklappen tragen und nur das sehen, was sie sehen wollen. Einige Politiker gehören natürlich auch zu dieser Klasse: Sie blenden Probleme aus und sprechen stattdessen über ihre Erfolge. Das ist schlecht für die Probleme: sie werden nicht gelöst, sondern verschleppt, also im Endeffekt verschlimmert. Was uns allen schadet.


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Oh, wie ist das schön über 200 Burkas zu diskutieren


Was sollen wir als Gesellschaft tun? Wir können gebetsmühlenartig so lange „Oh, wie ist das schön“ wiederholen, bis alle daran glauben. Auch die Obdachlosen, auch die verarmten Alleinerziehenden, auch die Rentner, die sich von der Tafel die Essensreste abholen müssen. Ein unrealistisches Szenario? Es nennt man Propaganda. Sie funktioniert doch nach wie vor erstaunlich zuverlässig. Wir lassen uns viel einreden und uns einlullen. 

Wir können aber auch über sage und schreibe 200 bis 400 Burkas in Deutschland in allen Gremien und auf allen politischen Ebenen diskutieren und Dampf ablassen. Gibt es noch jemanden, der sich nicht darüber geäußert hat (mich selbst eingeschlossen)? Sollte einer in der Zukunft über diese Tage in Archiven forschen, muss er der Intensität der Auseinandersetzung entnehmen, dass es sich um eine echte Invasion von Burkas gehandelt hat. 

Sind das Peanuts? 


Schauen wir lieber mutig der Wahrheit in die Augen. Den Mut braucht man dazu unbedingt. Weil die Wahrheit – oh! – nicht schön ist. Zu ihr gehören nicht nur die Schokoladenseiten der Gesellschaft. Die nicht geliebten Mitglieder unserer menschlichen Familie zählen auch dazu. Die versteckt man gerne und schweigt sich über sie aus. In diesem Fall handelt sich nicht wie bei Burkas um läppische zweihundert oder vierhundert. Wir reden hier über viele Millionen von abgehängten Menschen.  Wie zum Beispiel Hartz-IV-Empfänger, deren Zahl sich seit Jahren nur geringfügig verändert. Im April dieses Jahres bezogen 4,4 Millionen Deutsche und 1,5 Millionen Ausländer – zusammen 5,9 Millionen - Hartz-IV-Leistungen. Darunter sind 2,6 Millionen Menschen, die seit mindestens vier Jahren (!)auf Hartz-IV angewiesen sind. 

Und die ganze Nation schreit nicht auf und diskutiert nicht darüber, wie es überhaupt dazu kam und wieso wir uns damit abfinden? Sind das vielleicht nur Peanuts? 

Vermögensverteilung und Gewissen


In der mit großer Aufmerksamkeit von Medien aufgenommen Studie „Generation Mitte 2016“ halten 64% der Befragten im Alter von 30 bis 59 Jahren die Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland für ungerecht und 66% finden den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwach oder sehr schwach. Die Solidarität ist also ein politisches Mythos, die Wirklichkeit spiegelt ein dschungelähnliches Bild wider. 

Dieser traurige Befund stellt gleichzeitig eine Quelle der Hoffnung dar. Das Gewissen der Gesellschaft scheint gesund zu sein und erkennt die Ungerechtigkeit.

Jetzt müssen endlich Taten folgen! Wenn Deutschland, das reichste Land in Europa, das nicht schafft, wer denn sonst?

Donnerstag, 1. September 2016

Wir schaffen das. Oder doch nicht?

Das war ein Satz, der unter die Haut ging. „Wir schaffen das“, sagte die Bundeskanzlerin Merkel vor einem Jahr und eroberte damit unsere Herzen.

„Noch im Juli hatte Merkel dem palästinensischen Flüchtlingsmädchen Reem gesagt: "Wir können nicht alle aufnehmen." Was ist seitdem in Merkel gefahren? – wunderte sich damals zeit.de - Die Antwort lautet: die Realität. Plus ein großer Schuss Weltgeschichte – die Krisen im Nahen und Mittleren Osten sind auch Folgen der europäischen Kolonialpolitik, die Umbrüche auch ein Echo auf den 11. September. Plus vielleicht ein Schuss Gefühle. Beinah stündlich kommen in der Woche danach Flüchtlinge in München an.“


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Was bedeutet „das“?


Nach einem Jahr ist die Frage berechtigt, was wir eigentlich schaffen sollen und wollen. Das ist eben der Knackpunkt in dem schönen Satz von Merkel. Wenn wir nicht konkretisieren, worum uns geht, bleibt nur eine zynische Wischiwaschi-Aussage übrig: irgendwas schaffen wir doch immer.

Das reicht mir nicht. Denn ich will genau wissen, was mit den Menschen, die hierher kommen, passieren wird. Wie soll sich ihr Leben in Deutschland gestalten? Welche Chancen bekommen sie und welche werden ihnen verwehrt? Ob sie mit der traditionellen Ablehnung der sogenannten Aufnahmegesellschaft stets kämpfen müssen? Ob sie ausgeschlossen und diskriminiert werden?

Was für ein Ziel verfolgt also die Politik den Flüchtlingen gegenüber? Sollen sie wie gleichwertige Bürger behandelt oder als Freiwild – billige und willige Arbeitskräfte - rausgequetscht und ausgebeutet werden? Das passiert eben zurzeit: Viele Flüchtlinge arbeiten unter schlechten Bedingungen schwarz.

Warten auf Godot?


Die, die hierher kommen, hoffen auf ein besseres Leben und wollen sich dafür auch anstrengen. Es passiert aber vorerst nichts. Sie müssen warten. Auf diese Weise vergeudet man kostbare Zeit, zerstört leichtsinnig die Träume und stellt die Neuankömmlinge auf eine unnötige und harte Probe. Sie verstehen nicht, worauf sie warten sollen. Auf Godot? Bekannterweise war das Warten im Stück von Samuel Beckett vergeblich.

Die, die hierher kommen, wissen nicht, dass Deutschland strukturelle Probleme hat und dass die hiesige Politik nicht imstande ist, sie zu lösen. Sie kennen ein schlimmeres Gesicht der Armut als die Menschen von hier und ahnen nicht, dass sie größtenteils zu den Verlierern gehören werden, was ein genauso schweres Schicksal bedeutet, wie das in ihrer Heimat.

Man lässt sich hier eben Zeit, als ob wir in der alten Epoche lebten, in der man sich nur zu Fuß und mit Kutschen fortbewegte, und nicht in der sich rasant entwickelten digitalen Welt. Man bemüht sich hierzulande die Dinge per Hand zu steuern. Man zementiert die feudalen Verhältnisse, achtet penibel, dass sich die Schichten nicht vermischen, und regiert nach Gutsherrenart.

Werden wir endlich solidarisch?


Auf welchem Weg werden wir in die Zukunft schreiten? „Weiter so“ bedeutet einen Stillstand und bringt uns nicht voran, genauso wenig wie kosmetische Veränderungen, die an existierenden Zuständen nicht wirklich rütteln.  Die Gesellschaft driftet inzwischen immer mehr auseinander. 

Wir hätten aber endlich den Kurs wechseln und die sogenannte Flüchtlingskrise zum radikalen Umbau des Staates nutzen können. 

Als Erstes lösen wir die deutschen Guantanamo-Einrichtungen – die Jobcenter – auf: Wer sie geschaffen hat, kann sie auch abschaffen.  Sie werden nicht mehr gebraucht. Jede/jeder Arbeitslose, der arbeiten will, bekommt innerhalb eines Monats ein zumutbares Angebot, sonst muss die Arbeitsagentur bezahlen: Das Arbeitslosengeld steigt monatlich um 100 Euro. Wetten, dass wir dann keine Arbeitslosigkeit haben?

Im gleichen Schritt verbieten wir sowohl ausgiebige Bewerbungsunterlagen als auch die unsinnigen entsprechenden Kurse. Ein Lebenslauf muss reichen. 

Wir erheben zum Prinzip „learning by doing“ – Lernen durch Handeln – und lassen an den Schnittstellen zu Wirtschaft, Dienstleistungen und Unis verschiedene Möglichkeiten der Weiterbildung neben dem Job und ohne Diskriminierung entstehen.

Wir führen eine Obergrenze für Managergehälter ein: 10 mal so viel wie der niedrigste Lohn dürfen sie verdienen, nicht mehr. Wetten, dass wir keine Probleme mehr mit Niedriglöhnen haben?

Wir werden endlich solidarisch, lassen alle in die Bürgerversicherung einzahlen und finanzieren menschenwürdige Renten aus den Steuern. Wir lassen niemanden hängen. 

Oder wir gehen gleich zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) über. Deutschland ist ein reiches Land, das diese Herausforderung schaffen kann. Ja, das können wir wirklich schaffen, statt die Neuankömmlinge gegen die „altansässigen“ Massen von Armen auszuspielen.

Mittwoch, 24. August 2016

Panik machen und durch die Verbreitung von Angst regieren?

Das Leben ist gefährlich, gar keine Frage. Angst hilft uns, in gefährlichen Situationen zu überleben. Zu viel Angst dagegen hindert uns daran, ein Teil der Gesellschaft zu werden, sie mitzugestalten, am Leben teilzunehmen.


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Außerdem weist dieser Umstand auf psychische Probleme, eine psychische Krankheit hin. Wer den Menschen ohne Grund Angst einjagt, handelt daher – gelinde gesagt – unmoralisch. Christian Lindner, der Vorsitzender der FDP, nennt es „unsensibel“:


Teufel rufen?


Nachdem die Beschwichtigungen – „Wir schaffen das“ – nicht mehr zu wirken scheinen und von Freund und Feind kritisiert wurden, entstaubten die Kanzlerin Angela Merkel und ihr Innenminister Thomas de Maizière eine vermottete Sicherheitskiste. Der Teufel, den sie jetzt gemeinsam an die Wand malen, kommt uns sehr bekannt vor. Den ruft man gewöhnlich zur Hilfe, wenn man nichts Anständiges im Sinn hat. Diesmal geht es – nicht zum ersten und bestimmt nicht zum letzten Mal – um die nahenden Wahlen und um die Macht, die man/frau unbedingt behalten will.

Erweiterter Selbstmord?


Heute durften wir in den Medien eine gleichlautende dpa-Bekundung lesen (hier von sueddeutsche.de)

„Die (sic!) Bundeskabinett hat das umstrittene Konzept zur Zivilverteidigung verabschiedet und damit Pläne auf den Weg gebracht, die im Fall einer Terrorattacke oder eines Cyberangriffs wirksam würden. Die Regierung reagiert mit der neuen "Konzeption Zivile Verteidigung" auf die veränderte sicherheitspolitische Lage. Unter anderem geht es darum, den zivilen Katastrophenschutz mit Vorbereitungen für einen Verteidigungsfall zu verzahnen. Innenminister de Maizière will das Konzept am Nachmittag vorstellen.“

Zivile Verteidigung? Nur wegen eines lausigen Wahlkampfes sollen wir alle in den Krieg ziehen? Gegen wen? Oder laden uns Frau Merkel und Herr de Maizière zum erweiterten Selbstmord ein?

Zurück in die Vergangenheit?


Ausgeruht, vom Urlaub zurück, in dem sie womöglich die Zeit hatte, alte Erinnerungen aufzufrischen, verpasst uns Merkel ein Kalter-Krieg-Revival. Wer Computer-Ballerspiele liebt, wird sich freuen: endlich Action! Ich suche aber nicht nach einem alternativen Kick, sondern interessiere mich für die realen Probleme. Davon haben wir hier, im reichsten Land Europas, mehr als genug.

Zur Erinnerung: Armut, darunter Kinder- und Altersarmut, Langzeitarbeitslosigkeit, verfehlte Integration, allgegenwärtige Diskriminierung und Rassismus. Für den Anfang reicht es doch, nicht wahr? Ich schlage vor, wir sollen endlich anfangen, die Probleme zu lösen.