Montag, 21. November 2016

Angela Merkel und die Zukunft

Ich hab’s gewusst! Wie auch einige andere, die keine Sekunde daran gezweifelt haben, dass Angela Merkel wieder als Kanzlerkandidatin antreten wird. Darunter auch Norbert Röttgen, der mit dieser Nachricht zu früh vorgeprescht hat  und damit die perfekte Inszenierung zerstörte.


                                                                                                                    Screenshot 


Sich zeigen und allen zeigen


Merkel hat den Zeitpunkt der Verkündung ihrer Kandidatur sehr bedacht gewählt: In ihrem beständigen Streben nach Macht vertraut sie der Wirkung der Bilder. Zuerst zeigte sie sich also mit Obama und europäischen Staatschefs in Berlin und sendete damit eine wichtige aus ihrer Sicht Botschaft, dass sie als unerlässliche Mitspielerin auf der Weltbühne agiert. Da sich aber die Wirkung von visuellen Darstellungen als ziemlich flüchtig erweist, schob sie nach der Pressekonferenz, auf der sie ihre erneute Kandidatur publik machte, einen Besuch bei Anne Will nach. Sie hat sich kurzfristig selbst eingeladen  und die ganze Sendung damit durcheinander gebracht. Einige Gäste musste man ausladen.

Apropos Anne Will: Ich hätte wirklich gern erfahren, wieviel Einfluss Merkel auf die Verbannung der Sendung von Anne Will aus dem Sonntag im Jahre 2011 hatte. 

"Kann ich etwas tun für den Zusammenhalt in der so polarisierten Gesellschaft?"


Die obige Frage sehe ich als entscheidend für jede Kanzlerkandidatur. Merkel stellt sie lediglich rhetorisch. Für sie ist die Antwort selbstverständlich und ohne Zweifel. Sie glaubt an sich und kümmert sich um die Kritik wenig. Es sei denn, jene Kritik bedroht ihre Machtposition. 

Ich vermisse bei ihrer reflexartigen  Bejahung die Selbstreflexion. Sie geht mit sich selbst unkritisch um. Was sie gemacht hat, war stets gut. „Schauen Sie, wir haben das und das erreicht…“ – lautet ihre Standarderwiderung.

Sie merkt zwar, dass sich etwas verändert hat– auch oder vor allem die politische Landschaft -, Merkel spricht sogar von dramatischen Veränderungen, was sie aber als Lösung vorschlägt, ist im Grunde die alte Formel „weiter so“, weil „die Konstanten“ für sie gleich geblieben sind. Unter den Konstanten versteht sie hauptsächlich die soziale Marktwirtschaft – ein Begriff, der zu einer leeren Worthülse verkümmerte. Die Vorgehensweise bleibt, betont Merkel bei Anne Will. Anders ausgedrückt: Merkel bietet auf die neuen Herausforderungen alte Antworten und nennt dies eine Politik von Maß und Mitte. 

Anne Will hakte bei diesem Punkt nach, erkundigte sich nach dem Konkreten und erfuhr nur Schleierhaftes: „Wir arbeiten daran.“ Das ist mir viel zu wenig. Spätestens in diesem Moment wird es klar, dass Merkel keine Vision der Zukunft hat; sie weiß einfach nicht, wie sie die Spaltung der Gesellschaft überwinden soll. Da gebe ich dem Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz recht: „Das ist das Problem, dass Merkel nur reagiert und sich durchzumogeln versucht.“

Die da oben und die da unten oder die Gesunden und die anderen


Wie weit sich Merkel von der Realität entfernt hat, zeigt ihre Reaktion auf den Vorwurf des enorm gewachsenen Elitenverdrusses. „Jeder kann sich einbringen“, sagte sie, als ob es um individuelle und nicht strukturelle Probleme ginge. 

In die gleiche Kerbe schlug Giovanni di Lorenzo, der sich am Sonntag, den 20.11.16, bei Anne Will als Merkelversteher übte: „Ich wünsche mir einen besseren Blick für das Gute und Gesunde im Lande.“  

Ich dagegen glaube, dass wir vom derartigen Blick schon mehr als genug hatten. Jetzt wird es an der Zeit, den Tatsachen in die Augen zu schauen und Probleme endlich zu lösen, statt sie weiter zu ignorieren. Dass diese schwierigen Aufgaben mit Merkel als Kanzlerin gelingen, glaube ich absolut nicht. 

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