Donnerstag, 5. September 2024

Wer oder was wurde eigentlich ausgetauscht?

 Die polnische Zeitung„Rzeczpospolita“, im Westen am liebsten zitiert, informiert heute über neue beunruhigende Erkenntnisse in einem nicht ganz neuen Fall.

Abhorchapparat aus dem I. Weltkrieg, Deutsches Spionagemusem, Berlin

Waschechter Skandal


Vor einem Monat lief über die Bühne der bis dato größte nach dem Ende des Kalten Krieges Gefangenenaustausch. Polen nahm auch daran teil, jedoch evident einseitig: es ließ auf Wunsch der Amerikaner den russischen Agenten Pawel Rubzow frei, bekam aber nichts dafür. Die Opposition erhob gleich schwere Vorwürfe: man hätte unbedingt die Freilassung von Andrzej Poczobut, einem Polen im belarussischen Gefängnis, verlangen müssen.  

Durch  heutige Enthüllungen der „Rzeczpospolita“ wächst der missratene Austausch zu einem waschechten politischen Skandal. Präsident Andrzej Duda, der zusammen mit dem Präsidenten  von Litauen, Gitanas Nausėda,  vor die Medien trat, erinnerte an den Kooperationsvertrag von 2012, der damalige (und aktuelle) Premier Tusk mit dem russischen Geheimdienst FSB unterschrieben hat. „Man gewinnt den Eindruck, dass der Vertrag immer noch gilt“, kommentiert Duda.

Einsicht ohne Rücksicht


Von Putin persönlich empfangener Pawel Rubzow scheint nicht mit leeren Händen gekommen zu sein.

Vor seiner Auslieferung an Russland erhielt der russische Spion Pawel Rubzow uneingeschränkten Zugang zu Ermittlungsakten, darunter auch geheimen, obwohl die Staatsanwaltschaft die Einsicht verweigern konnte, aufgrund des vorrangigen Staatsschutzes, lesen wir in der „Rzeczpospolita“. 

Woher kam diese herzliche Offenheit der Staatsanwaltschaft gegenüber jemandem, dem man Spionage vorwirft? 

Piotr Niemczyk, ehemaliger Vize-Chef des Staatsschutzes UOP, mutmaßt, dass für Russen besonders interessant wären Informationen zum Verlauf der Enttarnung, wie also die polnischen Geheimdienste arbeiten. Ebenso wertvoll wären Profile der Mitarbeiter, auch ohne persönliche Daten. Alles das konnte man wahrscheinlich aus den Akten herauslesen.  

Mit einer klaren Vorstellung, wie sich die Staatsanwaltschaft verhalten sollte, meldete sich zu Wort Kazimierz Olejnik, früherer stellvertretender Generalstaatsanwalt (von 2003 bis 2006):

„Lediglich ausgewählte Beweise, auf die sich die Anklage stützte, sollte man Rubzow zur Verfügung stellen.“

Die ungewöhnliche Transparenzlust der Staatsanwaltschaft findet er befremdlich:

„Und wenn in den Akten der Name eines im Kreml sitzenden Hauptinformanten stände, hätte man dem Verdächtigen der Spionage für Russland diesen Namen auch gezeigt?“, fragt Olejnik


Update am 6.09.24

Jacek Siekiera, Chef des Büros für Nationale Sicherheit in Polen, widerspricht am Freitag, den 6.09., in einem Radiointerview der Behauptung, dass die Untersuchungsakten, die der russische Spion Pawel Rubzow einsehen durfte, nichts wichtiges enthalten. Im Gegenteil, derartige Dokumente seien für jeden Geheimdienst-Agenten eine Quelle vom "außergewöhnlichen Wissen".

„Durch den Zugang zu den Untersuchungsakten konnte er (Pawel Rubzow) erfahren, welches Material gesammelt wurde, ob sich darunter zum Beispiel seine SMS oder Signal- und Whatsapp-Gespräche befinden oder nicht. Nach der Rückkehr nach Moskau könnte er dann seinem Chef, Admiral Igor Kostujukow, beispielsweise melden: Die Polen haben über mich SMS, Anrufe und Rechnungen gesammelt, aber nicht die mit Signal verschickten Nachrichten. Darauf folgt dann in der Meldung die Schlussfolgerung: Sie besitzen keine entsprechende Spionagesoftware, deswegen sollte man in Polen Weg der Kommunikation nutzen.“

Rubzow gehört zu den hochrangigen Offizieren der GRU (russischer Militärnachrichtendienst), betont Jacek Siekiera. 

„Er (Rubzow) verfügte über ein breites angeworbenes Netz und stand hinter einer ganzen Reihe der FSB-Operationen. Solch einen Offizier kann man mit einer Waffe der Geheimdienste vergleichen. Für ihn sind Dokumente mit Informationen die Munition.“


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