Donnerstag, 31. Juli 2025

Ausflug zum Preußeneck. Teil 1

 Preußen, die ihren Namen den Prußen (Pruzzen) – einem heidnischen Volk – verdanken, sind längst von der Bühne verschwunden. Ihre Geschichte (oder ihr Geist) scheint dennoch fortzudauern. Sie ist mit der polnischen Historie verwachsen und eben dort – in Polen – nahm sie ihren Lauf. Der polnische Herzog Konrad von Masowien lud Anfang des XIII. Jahrhunderts den Deutschen Orden, der soeben seine Bleibe in Jerusalem an die Moslems verlor, zu sich ein und beschenkte sie noch mit Ländereien. Dafür erwartete der Pole, dass ihm Krzyżacy – wie man die Brüder auf Polnisch nannte, vom Kreuz, ihrem Symbol, abgeleitet – die lästigen Prußen, also die Heiden, vom Hals halten. Einige behaupten, dass dies die schlimmste Entscheidung in der polnischen Geschichte war. Denn der Deutsche Orden eroberte nicht nur die Gebiete der Heiden, sondern auch zum erbitterten Feind seiner Gastgeber wurde.


Rotes Denkmal

Das Preußeneck mussten Preußen aber nicht erobern; sie haben dieses 2,2 Hektar Land auf der Südwestspitze Butjadingens zusammen mit insgesamt  340 Hektar großem Gebiet von Oldenburg einfach abgekauft (der Jade-Vertrag vom 20.07.1853), um einen Kriegshafen einzurichten.

Auf der Pfahltafel aus dem obigen Foto lesen wir:
"1853/ Grenzpfahl/ zwischen dem/ Großherzogtum/ Oldenburg/ und dem/ Preußeneck/ einem Stützpunkt des/ Königreichs Preußen/ zur Sicherung der Einfahrt/ von Wilhelmshaven".
Über diese Landspitze herrscht ein roter Leuchtturm: das Oberfeuer Preußeneck. Die 45-Meter hohe Konstruktion steht unter Denkmalschutz. Die Geschichte des Oberfeuers Preußeneck ist relativ kurz: 1962 in Betrieb genommen, 2012 in Ruhestand versetzt. Was diesen Turm auszeichnet, ist eindeutig sein Look: 
Der rote vierbeiniger Stahlturm, dessen Beine nach oben zusammen laufen, steht auf der Deichkrone, am südwestlichsten Punkt der Halbinsel Butjadingen. Der Turm ist auf 4 Pfählen mit einem Durchmesser von 32 cm und einer Länge von 19,80 m gegründet. Die Pfähle sind mit Stahlbetonbalken verbunden.“






Während meines Aufenthalts wechselt das Wetter wie im Kaleidoskop: mal Regen, mal Sonne und dazwischen Wind. Das Wasser hat sich zuerst zurückgezogen. So sieht hier die Ebbe aus.




Am Nachmittag kommt die Flut:




Nachfolgend     Teil 2

Dienstag, 29. Juli 2025

Soll man Tusk wegrekonstruieren?

 Ich bin von der neuesten Umfrage, durchgeführt für die „Rzeczpospolita“, nicht überrascht. Auf die Frage, ob die groß angekündigte Rekonstruktion ihre zunehmend schlechte Meinung über die Regierung beeinflusst habe, antworten fast 80 % der Polen mit Nein.


Drehung im Kreis


Von einer Personalrochade lassen sich Bürger nicht beeindrucken. Der Politologe Antoni Dudek schätzt im Interview für die „Reczpospolita“ die letzte Entwicklung folgend ein:

"Der Tee wird vom Umrühren nicht süßer. Die Änderungen wurden in etwa im gleichen Kreis vorgenommen und als unbedeutendes Ummöblieren verstanden.“

Sogar 54 % der KO-Wähler (Bürgerplattform von Tusk) und 59 % des Elektorats von Rafał Trzaskowski sieht das genauso.

Die Rekonstruierung lässt sich vor allem als Tusks Kampfansage interpretieren:

„Die Ablösung von Adam Bodnar durch Waldemar Żurek ist eine Kriegserklärung von Tusk an Karol Nawrocki. Die Stärkung von Radosław Sikorski könnte die Ankündigung der Nachfolge bedeuten“, sagt Dudek.

Strohhalm der Koalition


Unterdessen fallen die Umfragewerte der Regierungskoalitionäre. Zurzeit führt die oppositionelle PiS mit 28,3 % vor der KO – 25,8 %.

Was soll die aktuelle Regierung also tun, um zu überleben? 

„Die Präsidentschaftswahl hat eine starke Wirkung auf die Gesellschaft gezeigt. Das einzige, was jetzt die Stimmung der Öffentlichkeit beeinflussen könnte, wäre der Rücktritt des Premiers“, schlägt der Politologe Dudek vor.

Der Vorschlag ist nicht neu, aber in dieser Situation ähnelt er dem Greifen eines Ertrinkenden nach dem Strohhalm. Viel Zeit bleibt es für diese Lösung laut Dudek auch nicht: 

„Wenn sich die Umfragewerte der Tusk-Regierung und der KO (seiner Partei) bis November nicht verbessern, wird der Rücktritt von Tusk allein nicht mehr helfen und die Nominierung von Sikorski als Regierungschef  zu spät kommen.“

Donnerstag, 24. Juli 2025

Polen unter Tusk: Erneuerte Regierung, alter Kurs?

 Donald Tusk hat gestern seine rekonstruierte Regierung vorgestellt, zugleich das Trauma nach der Präsidentschaftswahl für beendet erklärt. Sein Statement war eine Kampfansage an die Feinde außerhalb und innerhalb des Landes. Um wen es sich im Inneren handeln könnte, weiß man inzwischen nur zu gut. Tusk beabsichtigt nach wie vor, die PiS, die größte oppositionelle Partei, zu zerstören. Das zeigt auch die Ernennung von Waldemar Żurek zum neuen Justizminister und Generalstaatsanwalt. Diese Personalie löst die meisten Kontroversen aus.


Präsident Andrzej Duda vereidigt die neuen Ministerinnen und Minister 
nach der Rekonstruktion der Regierung

Nicht mal ein Denkeschön

Auf der gestrigen Pressekonferenz bedankte sich Donald Tusk artig bei den scheidenden Ministerinnen und Ministern für ihre Arbeit und ihren Einsatz. Mit einer Ausnahme. Er erwähnte mit keinem Wort Adam Bodnar, den Justizminister und Generalstaatsanwalt. Darauf machte Magdalena Chrzczonowicz von OKO.press aufmerksam: „Nicht mal ein Denkeschön hat er (Bodnar) bekommen.“

Andrzej Bobiński, Vorsitzender von Polityka Insight weist darauf hin, dass das Verhältnis zwischen den beiden seit Langem nicht gut war:
„Darüber haben wir oft gehört, dass Donald Tusk seinen Minister (Adam Bodnar) nicht gut bewertet hat, dass es Konflikte gab und dass Tusk viele Vorwürfe äußerte.“

In die Traufe

Der Nachfolger von Bodnar, Waldemar Żurek - immer noch ein aktiver Richter, soll es endlich nach Vorstellungen von Tusk das Justizwesen richten. 

Jarosław Kaczyński kommentiert den Wechsel mit einer Redewendung:
"Manchmal kommt man vom heftigen Regen in die Traufe."
Michał Moskal, PiS-Abgeordneter, zeichnet ein sehr kritisches Profil von Żurek:
„Es ist traurig, dass ein Mann mit zweifelhaften intellektuellen Qualitäten zum Justizminister wird. Er sprach sich gegen die Offenlegung des Vermögens von Politikern. Danach kämpfte er dafür, dass nur sein Vermögen geheim bleibt. Außerdem verklagte er den Staat auf eine Million Zloty. Jetzt muss man abwarten, ob er als Justizminister einen Vergleich mit sich selbst schließt.“
Patryk Jaskulski, Abgeordneter der Bürgerplattform (PO) von Tusk. sieht das natürlich anders:
„Ich bin mir sicher, dass Minister Żurek den Erwartungen des Premiers und der Öffentlichkeit gerecht wird.“

Nachgeholtes Dankeschön

Heute wurden die neuen Minister vom Präsidenten Andrzej Duda vereidigt. Nach der Rekonstruktion ist die Regierung kleiner und besteht aus 21 Ministerien, statt früheren 26.

Donald Tusk nutzte die Gelegenheit und bedankte sich diesmal besonders beim Ex-Justizminister Adam Bodnar, nachdem er ihn gestern – mit Absicht wie viele Beobachter meinen – nicht mit einem Wort erwähnt hat. 

Präsident Duda wandte sich an die Minister mit einer Bitte: 

„Unsere Bürger interessieren sich meistens nicht für politische Belange und für Äußerungen von Politikern oder ihre Streitigkeiten und rhetorische Auseinandersetzungen. Wie sich der Alltag gestaltet, wie man lebt, das ist das Wichtigste für die meisten. Danach beurteilen Menschen Politiker, wenn sie wählen gehen. Als scheidender Präsident bitte ich Sie, dies zu bedenken.“

Dienstag, 22. Juli 2025

Wen lobt Dobrindt eigentlich an der polnischen Grenze zu Belarus?

 Deutsche Medien berichten wohlwollend über den Besuch des deutschen Innenministers Alexander Dobrindt an der polnischen Grenze zu Belarus. Er bestaunte die dortige Mauer und verlangte mehr Wertschätzung für die Sicherung der EU-Außengrenze, die Polen leistet. Zusammen mit dem polnischen Innenminister, Tomasz Siemoniak stellten sie sich vor den hohen Zaun und präsentierten sich dort im Osten einig (im Westen sieht die Situation etwas anders aus).

Dobrindts Lorbeeren sind aber falsch adressiert. Die Bürgerplattform (PO), die Partei von Siemoniak (unter Führung von Donald Tusk), hat mit der Entstehung dieser Grenzsicherung wirklich nichts am Hut, im Gegenteil: sie sprach sich entschieden gegen den Bau aus.

Screenshot

Weder noch oder doch?


Donald Tusk, zu der Zeit in der Opposition, stimmte im Sejm im Jahr 2021 gegen das Projekt. Er behauptete damals:

„Sie (die PiS-Regierung) wollen keine Mauer bauen. Die Mauer wird weder in einem noch in drei Jahren entstehen, weil sie nicht die Errichtung von guten, effektiven Absperrungen beabsichtigen. Sie beschränken  sich zu emotionalen Spektakeln, verbunden mit den enormen Geldausgaben.“

Dass Tusk voll daneben lag, kann jetzt auch der deutsche Innenminister mit bloßem Auge sehen. 

Der imposante Grenzzaun wurde von der PiS-Regierung innerhalb von wenigen Monaten – vom Januar bis zum Juni 2022 – fertiggestellt. 

Das obige Foto zeigt also die aktuelle Kulisse, stammt aber aus der anderen Zeit. Es ist eine Szene aus dem Jahr 2022 (wahrscheinlich im Juni entstanden). Der Ex-Premier Mateusz Morawiecki und Ex-Innenminister Mariusz Kamiński verkünden hier das baldige Ende der Arbeiten.

Übrigens, nach der Machtübernahme im 2023 ließ Donald Tusk den Ex-Innenminister Kamiński (zusammen mit Maciej Wąsik) im Gefängnis einsperren und verschaffte ihm somit den Status eines politischen Gefangenen in einem EU-Land. 

Darüber habe ich in meinem Blog geschrieben unter dem Titel: "Der Fall Kamiński und Wąsik oder eine wilde Fahrt mit der Tusk-Achterbahn".

Migration – ob legal oder illegal – ein Problem


In der Migrationspolitik findet längst ein Paradigmenwechsel statt. Er charakterisiert sich durch Härte, Abwehrhaltung und Verschärfung der Regeln. Egal, wie man dazu steht, es ist eine Konsequenz der verfehlten früheren Politik, Überforderung der Gesellschaft und nicht zuletzt der gewaltsamen Übergriffe und Morde von einzelnen Migranten begangen. 

Der Polnische Grenzschutz (Straż Graniczna) meldete unterdessen gestern, an dem gleichen Tag, als die Pressekonferenz von Dobrindt und Siemoniak stattfand, 165 Versuche von illegalen Grenzübertritten. Einigen gelingt es nach wie vor, die Mauer zu überwinden. 


Dienstag, 8. Juli 2025

Ein privates Treffen ganz politisch

 Wenn sich Politiker privat treffen, dann oft nicht um sich mit dem Smalltalk zu vergnügen, sondern um unter Ausschluss der Öffentlichkeit wichtiges zu besprechen. Über ein derartiges Treffen berichteten neulich ziemlich alle Medien in Polen. Das Nachrichtenportal „Okopress“ referiert mit Suspense: 

„Hołownia traf sich mit einem Kaczyński-Anhänger unter dem Schutz der Nacht: Journalisten von Radio Zet und Newsweek deckten auf, dass Sejmmarschall Szymon Hołownia den PiS-Abgeordneten Adam Bielan in seiner Wohnung am Donnerstagabend besuchte. Auch Jarosław Kaczyński sollte an dem Treffen teilgenommen haben.“

Screenshot

Diskrete Schritte 


Inzwischen hat Kaczyński seine Teilnahme bestätigt. Mit einer doppelten Verneinung:
„Ich sage nicht, dass ich nicht im Treffen teilnahm.“
Er betonte zugleich, dass man sich zur Diskretion verpflichtet habe:
„Ich weiß nicht, wieso die Vertraulichkeit nicht eingehalten wurde.“
Nach dem Thema des Gesprächs gefragt, verwies Kaczyński auf die Diskretion, die er nicht brechen wolle, was er aber sagen konnte, wirkte pathetisch: "Wir sprachen über die Rettung von Polen."

Ob er mit dem Resultat des Treffens zufrieden sei, ergründete eine Journalistin.
„Das ist Politik. Schritt für Schritt. Wenn wir den ganzen Weg schaffen, werde ich zufrieden“, antwortete Kaczyński.

Sturm danach


Szymon Hołownia äußerte sich ebenfalls zum Treffen, das einen politischen Sturm ausgelöst hat. Denn der Sejmmarschall vertritt die regierende Koalition und somit gehört dem mit der PiS „verfeindeten“ Lager an. Hołownia verteidigte seinen Besuch bei dem PiS-Abgeordneten als eine Maßnahme gegen die Polarisierung, die "das Krebsgeschwür unserer Politik“ sei. Man müsse miteinander reden. 
„Das tue ich und das werde ich tun. Ich bin vielleicht aktuell (hoffentlich nicht für immer) der einzige Politiker im zerrissenen Polen, der dazu in der Lage ist.“
Der Zeitpunkt des Treffens ist genauso brisant. Die Präsidentschaftswahl hat Karol Nawrocki, unterstützt von der PiS, gewonnen. In der Koalition kracht es deswegen ziemlich laut. Tusk will die Regierung reorganisieren. Und Koalitionäre spielen mit dem Gedanken, den Premier auszuwechseln.

Das Portal „Okopress“ schreibt dazu:
„Das Treffen in der Wohnung eines Politikers der PiS gewinnt zusätzlich an Bedeutung. Die Anwesenheit des Vorsitzenden der PiS, Jarosław Kaczyński, des Sejmmarschalls Hołownia und eines Politikers, der im Wahlkampf von Karol Nawrocki eine wichtige Rolle gespielt hat, könnte Spannungen in der Koalition beweisen.“

Diner mit dem Satan


Die Kritik aus dem Regierungslager reißt unterdessen nicht ab. Inzwischen hat Hołownia den Ort des Treffens als Fehler eingeräumt, nicht aber das Treffen selbst.

„Ich habe Prügel bekommen; weil ich mich mit dem Satan getroffen habe, wie konnte ich das bloß tun. Ich glaube aber nicht, dass Kaczyński Satan sei. Wenn halb Polen heute hinter ihm steht, habe ich die Pflicht, mit ihm zu reden“, erklärte Hołownia heute in einem Radio-Interview.