Freitag, 15. August 2025

Ausflug nach Bremen: Das Prinzip Freiheit. Teil 1: Roland und der Kriecher

 Wie steht es um die Freiheit in Deutschland heutzutage? Wird sie etwa gefährdet? Und wenn ja, von wem? Wie sollen wir sie schützen? Die Bremer wissen es; sie haben ihren Roland, den Wächter der Freiheit.

Ausgetauschter Kopf

Der Wächter der Freiheit hat seinen Kopf eigentlich verloren:
1982 wurde der Ritter enthauptet, um das Original vor dem weiteren Verfall zu bewahren. Obwohl der ihn umgebende Baldachin zeitweise einen Witterungsschutz trug, hatten Regen und Kälte dem Stein stark zugesetzt, Frostrisse durchzogen den Elmkalk. Mehrere Flickstellen, angestückte Partien und mit Zement verkittete Nähte und Sprünge  verraten das wahre Alter der jugendlich wirkenden Gestalt. Immerhin steht er schon seit 1404 auf dem Marktplatz, wo er im Zusammenhang mit dem Neubau des Rathauses errichtet wurde und seinen hölzernen Vorgänger ersetzte.“

Trotzdem ist er der größte. Als eine erste freistehende Statue des Mittelalters erreicht Roland zusammen mit Baldachin 10,2 m (ohne misst er 5,5 m). Leider verlor er seine bunten Farben, weil er im 18. Jahrhundert grau überstrichen wurde. Die Nazis missbrauchten ihn als Versteck und mauerten in seinem Bauch eine Schatulle mit Nazipropaganda ein. Jene wurde im Nachhinein historisch revidiert. Hier folgt die ganze Geschichte: 
Die Schatulle wurde lediglich geöffnet, ihr Inhalt entnommen – inklusive Überraschung in Form einer Karstadt-Tüte. „Das gab natürlich ein großes Hallo, denn diese Tüten gab es in den 1930er-Jahren, als man die Kassette einbaute, noch gar nicht“, erzählt der Stadtführer. Er hat die Erklärung für dieses Rätsel parat: 1984, also bevor die Figur offiziell geöffnet wurde, wurde der Kopf des Roland ausgetauscht, der durch den sauren Regen in den 1970er- und 1980er-Jahren angegriffen war. „Und bei dieser Gelegenheit haben Steinmetze, deren Chef die Geschichte der Kassette im Roland kannte, ihrerseits einen Kommentar geschrieben und diesen in einer Karstadt-Tüte auf die Schatulle gelegt.“ In ihrem Schriftstück erinnerten die Handwerker daran, dass durch Hitler Millionen Menschen sterben mussten. 
Die Dokumente aus dem Inneren des Roland sind jetzt im Staatsarchiv aufbewahrt. Und der Roland ist bestimmt froh, dass man ihn von seinem düsteren Geheimnis befreit hat." 

Wessen Freiheit und wogegen

Zuerst wurde der Markt „befreit“, Im Jahr 965 erhielt Bremen aus der Hand Kaiser Ottos I. das Marktprivileg mit Marktzoll, Münzrecht und Marktgericht. Seit dem 13. Jahrhundert lebt Bremen nach Stadtrecht. 


Roland sollte von seiner Höhe aus über die Freiheit und Rechte der Stadt Bremen wachen, als sozusagen Bürgerrechtler, und sie vor weltlichen und kirchlichen Mächten schützen.
„Nichts verdeutlicht das Streben nach Unabhängigkeit mehr als der Roland, Bremens traditionelles Wahrzeichen. 1404 läßt der Rat - im Angesicht des erzbischöflichen Domes - den steinernen Roland als Symbol für städtisches Recht und Treue zum Reich errichten. Den Anspruch auf Freiheit und Reichsstandschaft verdeutlichen ebenso die Skulpturen des Kaisers und der sieben Kurfürsten der nur wenig später entstehenden Rathausfassade.“
 

Wer kriecht denn da?

Ziemlich unpassend zu hochtrabenden Emotionen und Parolen, die mit Freiheit stets verbunden werden,  erscheint ein Kriecher unter den Füßen von Roland. Dieser Krüppel verbildlicht den Helden aus der Sage Emma von Lesum:


„Die verwitwete Gräfin Emma von Lesum galt als fromm und wohltätig. Ihre Herzensgüte war bei den Bürgern bekannt, eine Eigenschaft, die ihren Schwager Herzog Benno von Sachsen zur Sorge um sein Erbe veranlasste. Einmal sprach die Gräfin zwei Bürgern mehr Weideland für ihr Vieh zu, "soviel ein Mann in einer Stunde umgehen könne". Ihr listiger Schwager wählte für diesen Ausmessungsmarsch einen Bettler aus, der sich ohne fremde Hilfe nicht bewegen konnte. Die Gräfin Emma jedoch legte ruhig ihre Hand auf seinen Kopf, betete und forderte ihn auf, es zu versuchen. Das Laufen gelang ihm nicht, aber er kroch. Die Bürger zogen sich enttäuscht zurück und hatten kaum Hoffnung, dass der Bettler eine besonders große Weidefläche "abkriechen" könne. Der "Krüppel" kroch jedoch beständig weiter und am Abend waren sie über das große Gebiet überrascht. Heute noch kennen wir dieses Gebiet als Bürgerweide. Die Bremer haben den "Krüppel" nicht vergessen und ehrten ihn zu Füßen des Rolands.“
Der Glaube macht Wunder wahr.

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