Glaubt man den lauten Unkenrufen, versinken wir soeben im Ozean des Faschismus, oder stehen kurz vor der Katastrophe.
Unterdessen widerspricht der gesunde Menschenverstand: Man kann nicht jede Person, die einem nicht in den Kram passt, zum Faschisten erklären. Die ganze Menschheit bestehe doch nicht ausschließlich aus Faschisten.
Dennoch warnen auch gemäßigte Beobachter der Realität ebenso vor der Gefahr: Wehret den Anfängen. Ja gut, wie sehen die Anfänge aber aus?
Am Anfang war ein Symbol
„Das Wort Faschismus hat seine Wurzeln im italienischen fascio, Rutenbündel. Es stammt aus dem lateinischen fasces, jener von einem Bündel hölzerner Ruten umschlossenen Axt, die bei öffentlichen Aufzügen zum Zeichen der Macht und der Einheit des Staates vor dem Magistrat von Rom hergetragen wurde. Vor 1914 wurde die Symbolik der fasces gewöhnlich von der Linken verwendet.“
Dann kam Mussolini
„An diesem Morgen trafen sich etwa mehr als einhundert Personen, darunter Kriegsveteranen, Syndikalisten, die den Krieg unterstützt hatten, und Intellektuelle aus der Bewegung des futurismo sowie einige Reporter und Neugierige im Sitzungssaal der Mailänder Industrie- und Handelskammer, von dem aus man die Piazza San Sepolcro überblicken konnte, um „dem Sozialismus den Krieg zu erklären … denn er hat sich dem Nationalismus entgegengestellt“. Hier nannte Mussolini seine Bewegung erstmals Fasci di combattimento, frei übersetzt also etwa „Kampfbund“.
„Das Programm (…) war eine kuriose Mischung aus Veteranenpatriotismus und radikalem sozialen Experiment, eine Art „nationaler Sozialismus“. Auf der nationalen Seite forderte er die Erfüllung der expansionistischen Ziele Italiens auf dem Balkan und im Mittelmeerraum, die nur wenige Monate zuvor auf der Pariser Friedenskonferenz gestoppt worden waren. Auf der radikalen Seite stand die Forderung nach dem Frauenwahlrecht, dem Wahlrecht mit achtzehn Jahren, der Abschaffung des Oberhauses, der Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung (vermutlich ohne Monarchie) , dem Acht-Stunden-Arbeitstag, Arbeiter-Mitbestimmung beim „technischen Management der Industrie“, der „Teilenteignung aller Art von Reichtum“ durch eine hohe und progressive Kapitalsteuer, der Einbeziehung der Kirchenbesitztümer und der Konfiszierung von 85 Prozent der Kriegsgewinne.“
Mittel zum Zweck
„Am 15. April 1915 nach der Gründung der faschistischen Bewegung an der Piazza San Sepolcro, stürmte eine Gruppe von Freunden Mussolinis (…) die Mailänder Büros der sozialistischen Tageszeitung Avanti, deren Chefredakteur von 1912 bis 1914 Mussolini selbst gewesen war. Sie zertrümmerten Druckerpressen und die übrige Einrichtung. Dabei wurden vier Personen getötet, darunter ein Soldat, und 39 verwundet. Der italienische Faschismus brach also mit einem Gewaltakt in die Geschichte ein – sowohl gegen den Sozialismus als auch gegen das bürgerliche Rechtssystem, im Namen eines behaupteten höheren nationalen Gutes.“