Mittwoch, 19. März 2025

Ein Fall, ein Tod und das Schweigen der deutschen Medien

 Während in Deutschland die Debatte über das Finanzpaket die Aufmerksamkeit erregt, zieht in Polen ein Skandal immer weitere Kreise. Präsident Andrzej Duda erklärte ihn sogar zu einer Staatsaffäre. 

In Deutschland erfährt man davon nichts. Das ist merkwürdig, in Anbetracht der früheren Sensibilität der deutschen Medien, die jeden Pappenstiel von damaligem Anführer der Opposition Donald Tusk hoch emotional herausposaunten, 

Ich will das gegenwärtige Totschweigen nicht hinnehmen, deswegen schreibe ich hier. 

Andrzej Duda äußert sich zum Tod von Barbara Skrzypek am 18.03. Schreenshot

Der Fall


Zurzeit erleben Polen die heiße Phase des Wahlkampfs. Im Mai wird der neue Präsident gewählt. Er spielt eine andere Rolle als in Deutschland und hat viel mehr Befugnisse. Das ist das Problem von Donald Tusk. Denn Andrzej Duda, der aktuelle Präsident, stammt aus einem anderen politischen Lager, was Tusk nicht akzeptieren will und öffentlich die Tage bis zum Ende der Amtszeit von Duda zählt. Tusk will die ganze Macht an sich reißen und im Präsidentenpalast seinen Mann einsetzen. Dabei ist ihm jedes Mittel recht, was er übrigens vom ersten Tag seiner Regierung (der dritten inzwischen) beweist. 

Seit Anfang des Jahres macht Tusk einen enormen Druck auf seine Mittstreiter: Sie sollen endlich liefern, was heißt: sie sollen die größte Oppositionspartei und ihren Kandidaten vernichten. 

Den neuesten Skandal kann man nur In diesem Kontext verstehen. 

Dafür wurde ein alter Fall aufgewärmt („zwei Türme*), damit man Jarosław Kaczyński, den Kopf der größten Oppositionspartei - der PiS -, treffen könnte. Da dies aber ein harter Gegner ist, nahm man sich eine Person vor, die politisch wenig erfahren und kaum bekannt war: Barbara Skrzypek, ehemalige Leiterin des Büros von  Kaczyński. 

Skrzypek wurde als Zeugin in dem sogenannten „zwei Türme“-Fall vernommen.  

Das Verhör


Am 12.03. erschien Barbara Skrzypek mit ihrem Anwalt, Krzysztof Gotkowicz, zur Befragung. Sie habe gesundheitliche Probleme, erklärte sowohl die Zeugin als auch ihr Vertreter, nachdem man dem Anwalt die Teilnahme verweigerte. Es half nichts, er musste den Raum verlassen. So entschied die Staatsanwältin, Ewa Wrzosek.

Zwei Vertreter des Anklägers, Anwälte Krystian Lasik und Jacek Dubois, durften dagegen bleiben und auch Fragen stellen. Barbara Skrzypek, eine ältere Dame, die mit der Justiz noch nichts zu tun hatte und selten im Rampenlicht stand, wurde von drei Personen stundenlang verhört,  

Die Befragung wurde nicht aufgezeichnet, was sonst zur gängigen Praxis in Polen gehört. Ein Protokollant war auch nicht dabei. Aber es existiert ein Protokoll, das Skrzypek unterzeichnete, obwohl sie wegen Sehschwäche das Schriftstück nicht richtig lesen konnte. 

Am 15.02. starb Barbara Skrzypek. Die angeordnete Obduktion stellte einen Herzinfarkt als Ursache fest.

Die Statements


Der Zusammenhang zwischen dem Verhör und dem Tod wurde seitens der Opposition sofort konstatiert. Aber auch auf der Seite der Machthaber kamen anscheinend Zweifel auf, weil man ungewöhnlich schnell reagierte und das Protokoll der Vernehmung veröffentlichte.

Zum Wort meldete sich mit scharfer Kritik Jarosław Kaczyński: „In Polen gilt gegenwärtig das Recht nicht, aber bis jetzt gab es keine Todesopfer. Und heute haben wir das erste.“

Andrzej Duda traf sich sowohl mit Krzysztof Gotkowicz, dem Anwalt von Barbara Skrzypek, wie auch mit Marcin Wiącek, dem Beauftragten der Bürgerrechte und äußerte sich sehr besorgt. 

Hinterher richtete er sich an Premier Donald Tusk hinsichtlich der Aufklärung der Umstände des Todes von Barbara Skrzypek. Darin lesen wir u.a. die Bedenken des Präsidenten, betreffend Ewa Wrzosek, die das Verhör durchgeführt hat. 

„Die Staatsanwältin Ewa Wrzosek hat wiederholt in den Medien und auf der Plattform X ihr politisches Engagement bekundet, was sich mit den Pflichten eines Staatsanwalts nicht vereinbaren lässt. Laut Art. 96 §2 vom 28.01.2016 des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft soll ein Staatsanwalt sowohl im Dienst als auch außerhalb die Würde des Amtes wahren und alles unterlassen, was dagegen verstößt und die Unparteilichkeit gefährdet. (…) Besonders erschütternd erscheint  daher die folgende Aussage von Ewa Wrzosek: Leider ist jetzt kein guter Zeitpunkt, um sich in positivistischer Art streng an den Buchstaben des Gesetzes zu halten.“

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen fahrlässigen Totschlags eingeleitet.

……….
*) Gerald Birgfellner, österreichischer Investor, verwandt mit Jarosław Kaczyński, war an einem gescheiterten Hochhausprojekt in Warschau beteiligt und fühlte sich um sein Geld betrogen. Der Fall machte 2019 Schlagzeilen.

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