Samstag, 31. August 2024

Weidels Methode oder Masche

 Morgen finden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen statt. Ein Fest der Demokratie und ihre Niederlage zugleich. Denn in beiden Ost-Bundesländern zeichnet sich ein Desaster der Volksparteien ab. Dagegen feiert sich die AfD bereits jetzt als Sieger. Es graut mir davor.

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Wer schüttelt da den Kopf?

Ich versuche mich mental vorzubereiten und sehe mir die Rede von Alice Weidel  an, auf dem letzten Bundesparteitag der AfD in der Phoenix-Übertragung. Was sie vorträgt, setzt sich aus lauter Widersprüchen zusammen. Die von ihr benutzten Bezeichnungen und Begriffe entsprechen nicht dem Inhalt. Das scheint überhaupt ihre Methode zu sein. Die Anhänger werden ja verstehen, die Unentschiedenen könnte man mit diesen Fake-Etiketten anlocken. Sie bleiben womöglich kleben.  

Weidel zitiert direkt nach der Begrüßung Ignazio Silone: "Wenn der Faschismus wiederkehrt, dann wird er nicht sagen, ich bin der Faschismus, sondern ich bin der Antifaschismus." 

Soll es etwa heißen, dass sie, Alice Weidel und die AfD, die wahren Antifaschisten sind? Wenn das nicht so traurig wäre, hätte man laut lachen müssen.

Währenddessen erfasst die Kamera Björn Höcke, der sein Handy ablegt, sich zum Sitznachbar beugt und dabei den Kopf schüttelt. Die liebe Alice habe doch zu dick aufgetragen.

Pöbelei versus Respekt 

Alice Weidel beansprucht für sich und ihre Partei den Respekt:

"Wir fordern als Partei einen respektvollen Umgang auf Augenhöhe, denn wir sind die Alternative für Deutschland."

Wer ein derartiges Postulat stellt, muss selbst „einen respektvollen Umgang“ präsentieren, denn Respekt beruht auf Gegenseitigkeit. Davon merkt man aber nichts, wenn Weidel über politische Gegner herzieht und sie „selbsternannte Volksparteien“, Woker-Hippie-Wahn oder Laientheatergruppe nennt. Und schon gar nicht, wenn sie der Regierung „Hau ab!“ zuruft. 

Biografie-Nachweis erforderlich?

In Weidels Augen sei die AfD die einzige demokratische Partei:

"Das, was sich da draußen abspielt, hat mit Demokratie nichts zu tun." 

Sie wisse, wie sich Demokraten verhalten müssen, vor allem seien sie diszipliniert, denn  man habe wirklich genug "von den abgebrochenen, verkrachen Biografien in den Führungsriegen der anderen Parteien."

Wer wird also unsere Biografien prüfen und wer wird entscheiden, ob wir dazugehören dürfen oder auch nicht und womöglich ins Lager müssen?



Samstag, 17. August 2024

Der „Spiegel“ und der Faschismus, oder Wie blöd muss der Leser (Leserin) sein?

 Am Anfang war das Spiel, dann kam durch einen Zufall der Faschismus zustande: so könnte man den Artikel im neuen „Spiegel“ auf eine (ich gestehe) ausgesprochen fiese Art zusammenfassen.

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Mordende Bande


Lothar Gorris und Tobias Rapp,  Autoren von „Wie Faschismus beginnt. Die heimlichen Hitler“, beschreiben zuerst das Spiel „Secret Hitler“ und ziehen daraus ihre Schlussfolgerungen: 

"Eine falsche Entscheidung, die sich richtig anfühlt, und schon ist Hitler Reichskanzler. Alles Zufall, so wie es auch 1933 keine Zwangsläufigkeit gab."

Das kann ich nicht so stehen lassen. Vom Zufall darf man überhaupt nicht reden. Weder Zufall noch  das Schicksal spielten den Bösewicht. Nazis, diese mordende Bande, kamen an die Macht nicht durch den Missbrauch des Vertrauens, sondern durch die physische Liquidierung ihrer Gegner. Das waren rücksichtslose Verbrecher, die sich auch gegenseitig mordeten und die sich die Gesellschaft nach und nach unterjocht haben. 

Mischmasch aus einem Topf


Die Konservativen, die angeblichen Populisten und die Faschisten in einen Topf zu werfen, um eine spektakuläre Warnung auszusprechen, mag ein wirksames Stilmittel sein, historisch ist es falsch und für die Gegenwart bedeutet einfach die Verfälschung der Tatsachen.

Das schwarzweiße Bild der Welt sagt nichts über die Farben, somit kann es nur ein Teil der Wahrheit oder der Lüge sein. Der Anspruch dieses vereinfachenden Bildes zeigt sich aber viel größer, sogar größenwahnsinnig.  

Die Behauptung: Nur wir sind die Guten, die anderen sind die Bösen, funktioniert vielleicht im Spiel und im Wahlkampf. Im Alltag wird dagegen dieser Versuch, die Erde zu verflachen, stets  scheitern. Denn Menschen sind nicht blöd und wollen nicht für dumm verkauft werden.

Die Bibel der Ungläubigen


Ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt über die Hörigkeit der intellektuellen Eliten gegenüber der wechselnden ungläubigen „Propheten“. Nachdem die Bibel ausgedient hat, übernimmt ein Aufsatz, Essay oder eine Abhandlung den freigewordenen Platz und strebt die Unfehlbarkeit an.

Wo ist denn die Bereitschaft zur Debatte geblieben?  Eine Hilfestellung: Mit Gleichgesinnten muss man überhaupt nicht debattieren.

Die Verteufelung von Social Media und besonders von Elon Musk erscheint mir ausgesprochen primitiv.  Die Meinungsfreiheit bewahrt man doch nicht, indem man sie zensiert.

Ich lebe hier in Deutschland, was bedeutet, ich kenne auch Faschismus, für den sich die Nazi-Nachkommen und willigen Schüler der alten "Meister" weiter einsetzen. Er erschreckt mich jedes Mal, weil er in allen Parteien und allen Schichten der Gesellschaft vorkommt. 

Gleichzeitig sehe ich unzählige anständige und mutige Menschen, die im Alltag, und nicht nur auf den Antirechts-Demos, so leben und handeln, dass der Faschismus  keine Chance hat.

Dienstag, 13. August 2024

Ein Gefangenenaustausch ohne Austausch: Der Fall Andrzej Poczobut

Bei dem letzten Gefangenenaustausch zwischen Westen und Russland durfte der russische Spion Pawel Rubzow eine polnische Haftanstalt verlassen und nach Russland zurückkehren. Dafür müsste man aber die Freilassung von Andrzej Poczobut verlangen, bemängelt die Opposition das Versagen der polnischen Unterhändler.  

Poczobut wurde in Belarus zu acht Jahren Haft in einer Strafkolonie mit strengem Regime verurteilt. Jetzt meldet sich zu Wort die einzige Person, die ihn dort besuchen durfte: Andzielika Borys, Chefin des Bunds der Polen in Belarus (Poczobut ist der Vize).


„Es brach mir das Herz“

„Andrzej sah sehr schlecht aus. Es brach mir das Herz", sagte Borys der polnischen Zeitung "Rzeczpospolita". 

Ihr Besuch liegt einige Monate zurück. Im April übermittelte sie persönlich die Informationen an Präsident Andrzej Duda. Danach veröffentlichte das Büro des Präsidenten eine kurze Mitteilung.

Sie entschied sich jetzt, an die Öffentlichkeit zu gehen, anlässlich der aktuellen Debatte und verbreiteten Fakenews . Es stimme nicht, bekräftigt Borys, dass Poczobut das Land nicht verlassen wolle. Die Spekulationen von Politikern diesbezüglich seien falsch. Poczobut willigte in die Ausreise ein.

„Ich appellierte, die Gespräche über die Freilassung von Andrzej zu führen. Ich bat darum, bitte weiter heute und werde auch die belarussischen Behörden darum bitten, seine Lage zu ändern. Es geht um das Leben meines Kollegen.“

„Als Geste des guten Willens“?

Aus Belarus äußert sich zu dem Thema Yury Voskresensky, ein dem Diktator Lukaschenko nahestehender Politiker. Er behauptet, dass Lukaschenko "als Geste des guten Willens" Poczobut an Polen ausliefern wollte, aber „die Regierung in Warschau“ seinen Vorschlag abgelehnt habe.

„Das Regime in Minsk scheint den laufenden polnisch-polnischen Krieg über den Fall Poczobut anzuheizen wollen“, kommentiert die „Rzeczpospolita“.

Tomasz Siemoniak, Geheimdienstkoordinator in der Tusk-Regierung, widerspricht der belarussischen Version vehement:

„Wir bitten und fordern auf jede mögliche Art und Weise seit Monaten, dass Belarus Andrzej Poczobut freilässt. Niemals hat die belarussische Seite zugestimmt.“

Unterdessen schweigt das MSZ und beantwortet die Anfrage der „Rzeczpospolita“ nicht.


Donnerstag, 8. August 2024

Eine Legende im Interview des Grauens

 Lech Wałęsa ist eine Legende als Anführer des Streiks in Gdańsk in 1980, Mitbegründer von Solidarność und erster demokratisch gewählter Präsident in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg (1990 – 1995). Was für ein Mensch! Was für eine Geschichte! 

Darf man an dem märchenhaften Image kratzen? Viele haben dies in der Vergangenheit versucht, aber niemand tut es so gründlich, wie Wałęsa selbst. 

Links auf dem Foto Lech Wałęsa, rechts  Václav Havel 
(Ausstellung von NAF Dementi) 

Versprochen wird gebrochen?

Lech Wałęsa hat heute dem Radio Gdańsk ein Interview gegeben. „Rzeczpospolita“ veröffentlichte kurz danach die Auszüge. 

Nach der Regierung von Donald Tusk gefragt, antwortete der frühere Präsident:

„Wir sollten auf den Knien nach Częstochowa (Tschenstochau) pilgern und uns dafür bedanken, dass wir diese exzellenten Menschen haben, die sich um alles kümmern.“

Das Pilgern zum polnischen berühmtesten Wallfahrt-Ort ist keine gute Idee, denn Tusk bekämpft die Kirche, wo er nur kann. Was Wałęsa und Tusk wirklich zusammenschweißt, ist ihr gemeinsamer Hass.

Genauso wie Tusk gehört auch Wałęsa zu den entschiedensten Gegnern der PiS-Partei und ihres Chefs Jarosław Kaczyński. Wałęsa beschuldigt die ehemalige Regierung, sie habe „so viele Minen, so viele Fallen, so viele Sicherheitsvorkehrungen installiert“, dass sich das neue Team an der Macht sehr bemühen müsse, um alles aufzuräumen. Dennoch sei Wałęsa mit der Koalition des 15. Oktober (Datum der Wahlen) sehr zufrieden. Anders als die Mehrheit von Polen. Etwa 40 % glauben noch, dass die neue Regierung ihre Versprechen realisiert. Wałęsa sieht hier kein Problem:

"Wenn dieser Präsident, der stört, wegfällt (die Amtszeit von Andrzej Duda endet im August 2025), wenn wir die Gerichte ein bisschen auf Linie bringen, dann beginnt die Arbeit der Regierung." 

Die beste Lösung?!

Wałęsa hätte da aber auch einen anderen Vorschlag:

„Was soll man tun, wenn die Gerichte dagegen sind und alles maximal behindern? Am besten wäre es, wenn ein paar Oberste die Macht übernehmen würden und die Verantwortlichen einsperren ließen. Nachdem sie Ordnung schaffen, geben sie die Macht nach drei Monaten zurück. Das wäre die beste Lösung, die alles beschleunigt. Aber das können wir nicht tun. Und so mit diesen Regeln, demokratisch, rechtlich, lässt sich nichts besser und klüger machen, obwohl der Wille da ist.“

Welche Fehler hat die Tusk-Regierung begangen, wollte der Interviewer wissen. Keine, antwortete Wałęsa. Die Schuld trage die PiS, die das Land in eine Ruine verwandelt habe, daher sei „die Säuberung nötig, damit man diese Blockade beseitigt.“



Freitag, 2. August 2024

Der Gefangenenaustausch der Superlative

 Wie im Kalten Krieg tauscht man die Gefangenen weiter aus. Der aktuelle Austausch des Westens mit Russland sei der größte, heißt es in den Medien. Im Kalten Krieg liefen die Spione über die Glienicker Brücke in zwei gegensätzlichen Richtungen. Der Schauplatz der aktuellen Aktion lag in Ankara

Der Trabant 601, umgebaut mit Überwachungstechnik, 
stand in den Diensten der Stasi (Deutsches Spionagemuseum in Berlin)

Aus dem polnischen Gefängnis


In die Verhandlungen waren sieben Staaten involviert, unter anderem Deutschland und Polen. Mariusz Kamiński, Ex-Minister und Geheimdienstkoordinator in der Regierung von Mateusz Morawiecki, verrät auf „X“ (Twitter), dass Gespräche mindestens eineinhalb Jahre dauerten und dass er darin teilgenommen hat. 

Während sich Deutschland mit seinen Wünschen durchgesetzt hat, können polnische Unterhändler dies nicht behaupten.

Polen wurde von den USA gebeten, den russischen Agenten Pawel Rubzow, der in der polnischen Haftanstalt auf seinen Prozess wegen Spionage wartete, im Austausch zu berücksichtigen. 

Rubzow, GRU-Offizier, wurde kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine an der polnisch-ukrainischen Grenze festgenommen. Er besaß zwei Pässe, einen russischen und einen spanischen mit dem Namen Pablo Gonzalez, und arbeitete als Journalist. 2023 wurde ihm der Preis für Meinungsfreiheit von der Union der Valencianischen Journalisten (UPV) aberkannt.

Pawel Rubzow wurde in der Sowjetunion geboren. Seine Mutter stammt aus Spanien, das sie in den 1930er Jahren verlassen hat. In den 1980ern kehrte sie dorthin zurück. Sein Vater Alexei arbeitet seit Ende der 1990er Jahre als Manager der Medienholding RBC.

Free Andrzej Poczobut!


Die polnische Opposition kritisiert die Tusk-Regierung scharf dafür, dass sie im Gegenzug nicht die Freilassung von  Andrzej Poczobut verlangte. Mariusz Kamiński schreibt auf „X“: 

„Das Team von Tusk hat den wertvollsten Agenten (Pawel Rubzow) den Russen ohne Gegenleistung zurückgegeben. Eine Schande!“

Andrzej Poczobut  ist stellvertretender Vorsitzender des Bunds der Polen in Belarus und Journalist. Er wurde am 25.03.2021 festgenommen und am 8. 02.2023  zu acht Jahren Haft in einer Strafkolonie mit strengem Regime verurteilt. Die Vorwürfe lauteten: "Aufrufe zu Handlungen, die die nationale Sicherheit von Belarus bedrohen" und "Anstiftung zu Feindseligkeit und Konflikten“.

Auf Nachfrage von Journalisten beschwichtigt jetzt Außenminister Radosław Sikorski, dass die Verhandlungen über die Freilassung von anderen in Russland und Belarus inhaftierten Gefangenen, darunter Andrzej Poczobut, weiterlaufen.

„Ich denke jeden Tag an Andrzej Poczobut", sagt Radosław Sikorski.

Ob das reicht?

Donnerstag, 1. August 2024

Am Rande des 80. Jahrestages von Warschauer Aufstand

 Frank-Walter Steinmeier, der während der Feierlichkeiten eine Rede neben dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda hielt, sagte, dass es nicht selbstverständlich sei, an diesem Tag einen deutschen Präsidenten sprechen zu lassen. In Warschau hat Steinmeier die Polen um Vergebung für das grausamste Verbrechen gebeten. Dafür verdient er unseren Respekt.

Ein Foto aus dem Jahr 2021 

Das Fackeln der Erinnerung


Wie sich einige nicht wenige Deutsche (keineswegs nur AfD-Anhänger) an den Zweiten Weltkrieg erinnern wollen, ist eine Zumutung. Als ob es nicht gereicht hätte, dass Polen überfallen und zerstört, seine Bürger zu Untermenschen erklärt, versklavt und gemordet wurden, versucht man heute immer noch im Sinne der Nazipropaganda aus den Opfern Täter zu machen. 

Umso wichtiger erscheint unsere gemeinsame Aufgabe auf beiden Seiten der Grenze, gegen das Vergessen zu kämpfen. Diesbezüglich verdanken wir viel der PiS-Partei. Sie setzte sich vorbildlich für die Wiederentdeckung des Leids im okkupierten im Krieg Land ein. Damit machte sich die Partei viele Feinde – heute wie damals, als sie die Regierung stellte. Noch vor ein paar Jahren wurde die PiS angefeindet, weil sie weltweit für die korrekte Bezeichnung „deutsche Konzentrationslager“ kämpfte und ein entsprechendes Gesetz verabschiedete.  

Im Nachhinein frage ich mich, wie konnte man den Siegeszug der - natürlich anderslautenden - Nazipropaganda zuzulassen? Diese Propaganda beschuldigte dafür die Polen. Kann man sich eine größere Verhöhnung der Opfer vorstellen?

Eine neue zu schöne Geschichte


In den deutschen Medien tauchen unterdessen auf, neben dem unisono-Lob für das Tusk-Team an der Macht, weiter Anklagen gegen die PiS.  Die vorherige PiS-Regierung habe Ressentiments gegen Deutsche geschürt. Jein. Das ist nur die halbe Wahrheit. Oder eine halbe Lüge. Da ich aber keine Anwältin von der PiS bin, verweise lediglich auf die konsequente und unfaire Bekämpfung dieser Regierung seitens Deutschlands. 

Bald jedoch könnte das „Problem“ verschwinden. Tusk will nämlich der PiS-Partei fast gänzlich die Finanzierung streichen. Dass diese Art von Behandlung der Opposition weder mit Rechtsstaatlichkeit noch mit der Demokratie zu tun hat, ist für mich sonnenklar. Und wie seht Ihr das?

Wenn das wirklich passiert, wird man sich sowieso an die Naziverbrechen nicht mehr erinnern wollen. Tusk hat direkt nach der Machtübernahme den Fokus auf die polnischen Schandtaten während des Zweiten Weltkriegs richten wollen.  Wird die Geschichte also neu geschrieben?