Dienstag, 16. September 2025

Polens Präsident Karol Nawrocki – ein Gast wie kein anderer

 Polens Präsident Karol Nawrocki hat sich heute mit Frank-Walter Steinmeier und Friedrich Merz getroffen. Die Themen standen noch vor dem Besuch fest: die Sicherheit und aktuelle Entwicklung an der NATO-Ostflanke, außerdem Reparationen für Kriegsschäden im II. Weltkrieg.

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Der Ton macht die Musik

In Polen hat man den rauen Ton der deutschen Medien registriert. Dass z. B. das „Handelsblatt“ Nawrocki als „einen unbequemen Gast“ und „rechten Nationalist“ bezeichnet.

Der Spiegel schlägt in die gleiche Kerbe und schreibt über „den polnischen Rechtspopulisten Nawrocki“. Die Zeitschrift beschäftigt sich im Vorfeld des Besuchs vor allem mit den aus deutscher Sicht ungerechten Forderungen und titelt den Artikel entsprechend: „Polen fordert Reparationszahlungen – und Deutschland bietet Sicherheitsgarantien.“ 

Die Gastgeber selbst – Präsident Steinmeier und Kanzler Merz – zeigten dem Gast dagegen Freundlichkeit und Respekt.

Abschließend geklärt?

Laut letzter Umfrage befürwortet die Mehrheit - 54% - von Polen Nawrockis Forderungen nach Reparationen. Anders als die aktuelle polnische Regierung von Donald Tusk, die die deutsche Sichtweise übernimmt.

Für Frank-Walter Steinmeier sei „diese Frage aus deutscher Sicht rechtlich abschließend geklärt“. 

In der Pressemitteilung vom Bundeskanzler Merz kommt das Reizwort überhaupt nicht vor, stattdessen betont man die wichtige Rolle des Nachbars:
„Der Bundeskanzler würdigte Polen als wichtigen europäischen Nachbarn und engen Freund Deutschlands. Polen spiele eine Schlüsselrolle in der Europäischen Union und bei der Stärkung des europäischen NATO-Pfeilers. Die Versöhnung mit Polen nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzung zu befördern, bleibe für die Bundesregierung historische Verantwortung."

Abstrakte Vorstellungen

Gestern erschien in der polnischen Zeitung „Rzeczpospolita“ eine interessante Meinung zu diesem Thema von Marek A. Cichocki, einem polnischen Philosophen und Politikwissenschaftler. Seine Hauptthese lautet: Reparationen können über die deutsch-polnischen Beziehungen entscheiden. Er konstatiert, dass man in Berlin immer noch nicht den radikalen Wechsel der polnischen gesellschaftlichen Stimmung bemerkt hat.
„Die Frage der Reparationen, Entschädigung und Wiedergutmachung hat angesichts der fürchterlichen Verbrechen und Zerstörung, die Polen während des Zweiten Weltkriegs durch Deutschland erlitten hat, ein enormes moralisches und emotionales Potenzial in den polnisch-deutschen Beziehungen. Die Versäumnisse der deutschen Seite bei der Wiedergutmachung sind enorm und offensichtlich. Es stimmt  auch nicht, dass deutsche Politiker dessen nicht bewusst sind. Aus diesem Grund reagieren sie derart emotional und nervös auf die polnischen Forderungen und fürchten vor allem Imageverluste. Der „Reparationsdruck” ist aber deshalb nicht nur ethisch richtig, sondern auch ein notwendiger und wesentlicher Bestandteil der polnischen Politik gegenüber Deutschland bei der Verwirklichung konkreter Ziele. Und es gibt absolut keinen objektiven, rationalen Grund, warum Warschau darauf verzichten sollte, nur im Namen irgendwelchen abstrakten Vorstellungen von einer „polnisch-deutschen Interessengemeinschaft”.

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