Samstag, 2. Dezember 2017

Wenn wir über die Justizreform in Polen reden

Sprecht Ihr, meine lieben Leser, polnisch? Nein? Kein Wunder. Obwohl Polnisch seit 2004 zu den 24 Amtssprachen der Europäischen Union gehört und die zweitgrößte Sprecherzahl von den slawischen Sprachen hat, ist das keine weitverbreitete Sprache. Daher muss man sich auf die Vermittler verlassen, wenn es um die Nachrichten über den nahen Nachbar geht. Vorsicht ist dabei auf jeden Fall geboten! Die Berichterstattung ist überall auf der Welt mehr oder weniger parteiisch. Auch in Deutschland. Über die Justizreform in Polen zum Beispiel lesen wir hierzulande nichts Gutes.


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Das Recht, Relikte zu beseitigen


Nicht nur Deutschland, sondern auch die EU sorgt sich um die Unabhängigkeit von polnischen Gerichten und einen zu großen Einfluss des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten. 

Auf den ersten Blick: absolut berechtigt. Auf den zweiten: nicht wirklich, wenn man die Gegebenheiten vor Ort betrachtet. Die polnische Justiz ist immer noch mit den Relikten des vergangenen totalitären Regimes belastet. 

Wie befreit man sich von derartiger Erblast? 

In Deutschland arbeiteten Nazis noch in den 70er Jahren in Gerichten und im Bundesjustizministerium.

„Im Untersuchungszeitraum von 1949/1950 bis 1973 lag die Zahl der ehemaligen NSDAP-Mitglieder deutlich über 50 Prozent und in manchen Abteilungen des Ministeriums zeitweilig sogar über 70 Prozent, wie aus dem Abschlussbericht der Kommission mit dem Titel "Die Akte Rosenburg" weiter hervorgeht.“  

Wieso hat man hier solange die Justiz nicht ausgemistet? Und wie kann man jetzt der polnischen Regierung vorwerfen, dass sie eben dies tut?

Gerichtliches Lotto im neuen Jahr


Die Bevölkerung befürwortet mehrheitlich die Reform. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist die Aussicht auf eine echte Veränderung,  was die Trägheit der Gerichte betrifft. 80 % klagen, dass diese Institutionen viel zu langsam arbeiten, die Prozesse ziehen sich unendlich lang.

In Deutschland haben wir inzwischen schon vergessen, was wir der Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verdanken. Sie hat sich für gesetzliche Regelungen eingesetzt, die jene Unendlichkeit der Prozesse beenden, in dem sie den Betroffenen finanzielle Entschädigungen zusichern. Die Polen wollen jetzt ihre Justiz dahingehend reformieren. 

Dafür, dass es gerechter unter den Richtern zugeht, soll eine andere Idee sorgen. Am 16. Oktober begann in Polen der Probelauf eines Projekts, in dem die Verfahren durch die Auslosung den Richtern zugewiesen werden. Der Computer entscheidet absolut unabhängig, wer welchen Prozess führen darf. Ab dem neuen Jahr wird das gerichtliche Lotto schon im ganzen Land „gespielt“. 

„Dieses System garantiert eine gleichmäßige Verteilung der Arbeit auf alle Richter – schreibt Wioletta Olszewska aus dem Büro des Justizministers in einer E-Mail an mich -  Es ist in der Lage, unterschiedliche Verfahren zu „wiegen“, das System kann also den Grad der Kompliziertheit bestimmen und nach einheitlichen Regeln die Arbeit zuweisen. Dies garantiert die Unabhängigkeit der Richter, die für ihren Ungehorsam nicht mehr durch die Zuteilung von zu vielen Verfahren bestraft werden können.“

Keine schlechte Idee, nicht wahr?

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