Dienstag, 5. Juli 2022

Ich habe das 9-Euro-Ticket gestreckt. Teil 5: gemischte Wurzeln

 Von Luxemburg kehre ich über die unsichtbare Grenze zurück nach Trier und zu den Wurzeln. Zu unser aller Wurzeln. Und die sind bekanntlich christlich. Waren wir aber davor nicht alle ein bisschen Römer?

Die Kopie einer Grabinschrift für eine clarissima femina 
(Museum am Dom in Trier)
"Romula (?), Frau senatorischen Stands, liegt hier, eine Mutter, die es verdiente mit Gottes Erbarmen, das bittre Begräbnis ihres Kinds nicht zu sehen, das bald in Frieden gefolget. Trost ward ihr im Gedanken ans Weiterleben der Tochter, hoffend für sie auf ein Leben mit vielen glücklichen Jahren."

Das Grabgedicht von höchster literarischer Qualität ist Ausdruck des hohen Bildungsniveaus in den Familien des Adels, der Traditionell zur Mitgliedschaft im römischen Senat qualifiziert war. *)

In Trier kann man sich eine große an drei Orte verteilte Ausstellung ansehen, die die verschiedenen Facetten des Untergangs des Römischen Reiches zeigt (bis 22. November). Ich entscheide mich für das Museum am Dom mit der Präsentation: "Im Zeichen des Kreuzes - eine Welt ordnet sich neu".



„Weder Dekadenz noch Gegner wie die Hunnen (haben) das Römische Reich zu Fall gebracht. In Wahrheit zerstörte sich das Imperium durch innere Machtkämpfe selbst. (in: Rom gegen Rom, Frank Thadeusz, Der Spiegel, Nr. 26)

Flapsig gesagt: Den Rest hat dem Römischen Reich Konstantin der Große, einer der römischen Kaisers, gegeben. 


Woher kam sein Sinneswandel? Tja, er hatte eine Vision:

„Um die Stunde der Mittagszeit, ..., habe er, so sagte der Kaiser, mit eigenen Augen oben am Himmel über der Sonne das Siegeszeichen des Kreuzes, aus Licht gebildet und dabei die Worte gesehen: "Durch dieses siege!" (Eusebius von Caesarea, Vita Constantini) *)

Graffito mit Christogramm, Mitte 4. Jh.

„Von der abgelehnten und verfolgten Religion hat sich nach der Konstantinischen Wende von 312/313 das Christentum stufenweise zur geduldeten, geförderten, privilegierten und schließlich zur einzig akzeptierten Religion emanzipiert. Das Christogramm wird Bestandteil kaiserlicher Propaganda. Die Huldigung des Kreuzes und die Verehrung der Reliquien werden in öffentliche Bauprogramme aufgenommen. Nach dem Wegbrechen der römischen Staatsmacht im 5. Jahrhundert und der Auflösung der Verwaltungsstrukturen übernahmen Bischöfe politische Verantwortung als Amtsträger, Richter und Feldherren.

Die Taufe Chlodwigs um 500 n Chr. bietet den zweiten entscheidenden Wendepunkt. Im ehemals gallischen Raum können sich die Kirchlichen Würdenträger auf die Unterstützung jetzt christlicher germanischer Fürsten verlassen. Eine Kontinuität von der Antike zum frühen Mittelalter hat auf deutschem Boden allein die ehemals römische Metropole Trier aufzuweisen.“ *)

Was für ein Siegeszug! Bildlich führt uns diese rekonstruierte Statue den Umbruch vor Augen:

Zerschlagene Statue des Kriegsgottes Mars 
aus Kalkstein, 2. Hälfte 2. Jh

"Einige Denkmäler römischer Zeit, vor allem Götterbilder, weisen Spuren absichtlicher Zerstörung auf. Die Statue des römischen Kriegsgottes Mars ist aus zahlreichen Fragmenten wieder zusammengefügt worden. Ursprünglich hatte die Statue als Kultbild zu einem Heiligtum in dem großen Tempelbezirk im Altbachtal am Rand des römischen Trier gehört. Die sehr kleinen Bruchstücke sind wiederverbaut aus Mauern von zwei späteren Häusern geborgen worden. In zerstörerischer Absicht muss das Götterbild kleingeschlagen worden sein.“ *)

Woraus bestand die Anziehungskraft des neuen Glaubens?

"In den Krisen des 3. Jahrhunderts scheinen besonders Erlöserreligionen die Menschen angesprochen zu haben. Neu bei den Christen waren die Taufe als Initiationsritus, das unblutige Kultmahl, die Armenfürsorge, die Sorge für ein würdiges Begräbnis aller, die Jenseitserwartung sowie die Wertschätzung eines jeden Menschen unabhängig von Geschlecht oder sozialem Status. Zudem kannten die Christen, wie auch die Juden, nur einen Gott." *)

Huch, was für eine Idee! -  „die Wertschätzung eines jeden Menschen unabhängig von Geschlecht oder sozialem Status“. Klingt das nicht wirklich revolutionär?

Zum Schluss meines Ausstellungsbesuchs habe ich noch eine Anmerkung: die ersten Christen waren ausschließlich Juden, nicht wahr? 


*) Zitate stammen aus den Infotafeln der Ausstellung "Im Zeichen des Kreuzes - eine Welt ordnet sich neu", Museum am Dom.


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