Montag, 2. Oktober 2017

Der größte Fehler der SPD

Nobody is perfect. Fehler machen alle. Es geht also nicht darum, dass wir vollkommen sein sollten. Vielmehr handelt es sich um das Eingestehen und die Lehren, die wir aus den Fehlern ziehen.


                                                                                                                Foto: Autorin

Kein Interesse an Ursachen


Der größte Fehler der SPD waren meiner Meinung nach die Hartz-Gesetze. Wie wir wissen, wurden sie von einem Gremium, das damaliges VW- Personalvorstandsmitglied Peter Hartz leitete, gebrütet. Umgesetzt hat sie Gerhard Schröder. Das hehre Ziel lautete, die Arbeitslosenzahl zu halbieren.

Bereits der zündende Funke war aber mit einem gravierenden Missverständnis belastet. Die Hartz-„Weisen“ dokterten an den Symptomen, statt Ursachen zu erforschen:

„Statt die ökonomischen Entwicklungsdeterminanten zu problematisieren und ein in sich schlüssiges Konzept der Krisenbewältigung mittels ihrer Beeinflussung durch eine aktive Wirtschafts-, Struktur- und Beschäftigungspolitik zu entwickeln, trat sie (die Hartz-Kommission, Anm. GG) dem Problem hauptsächlich im staatlich-administrativen und Vermittlungsbereich entgegen, wodurch der Eindruck unterstrichen wurde, dass es die Betroffenen letztlich selbst verschulden, weil sie faul seien, zu wenig Eigeninitiative entfalteten und nur deshalb nicht sofort nach ihrer Kündigung eine neue Stelle fänden“ – diagnostiziert trefflich Christoph Butterwegge.

Der Verrat unter dem Motto „Fördern und Fordern“


Die folgenreiche Verschiebung der Schuld von den ernsten strukturellen Problemen auf die Arbeitslosen stellt den größten Verrat der SPD an ihren Wählern dar. Die SPD begab sich in diesem Moment auf die Seite des Stärkeren – der Wirtschaft –und ist dort auch geblieben. Damit mutierte sie zu einer schlechten Kopie der CDU. Kein Wunder, dass sich Wähler für das Original entscheiden.

Die Schwachen konnten sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf die SPD verlassen. Ausgerechnet die Genossen setzten die grausamsten „Reformen“ durch. Der Faulheit verdächtigt werden seitdem die Hilflosen in meist idiotische Maßnahmen gesteckt, drangsaliert und sanktioniert. Von „Fördern und Fordern“, Zuckerbrot und Peitsche, ist nur die Peitsche geblieben: Entweder spurst du oder verreckst du ohne Geld.

Die Hartz-Gesetze, besonders Hartz-IV, zeigen auf eine spektakuläre Weise, dass die Würde des Menschen sehr wohl antastbar ist, sobald ein Mensch keine Verwertung in der Wirtschaft hat. Jene Gesetze initiierten einen Abwärtstrend, für noch weniger Geld arbeiten zu wollen und auf noch mehr Rechte zu verzichten, um den Erniedrigungen zu entkommen.

Derartige Politik hat die Gesellschaft tief gespalten und die Zahl der verarmten Malocher stark vergrößert. Im reichsten Deutschland wächst die Armut, darunter die Kinderarmut.

Opposition und Hartz-Trauma


Dass sich Angela Merkel bei Gerhard Schröder für diese Gräueltaten bedankt, darf niemanden überraschen. Dank dem Genossen der Bosse konnte sie bis heute ihre verheerende Weiter-so-Politik fortsetzen. Denn die ganzen Schichten der Gesellschaft wurden tatsächlich entmachtet und dem Kampf um bloßes Überleben ausgesetzt.

Wie wird die SPD mit dem Hartz-Trauma jetzt in der Opposition umgehen? Wird sie ihren Fehler eingestehen? Ich bin gespannt, ob und wie sich die Partei mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt. Denn sie hat das ihr geschenkte Vertrauen in die Gerechtigkeit zerrüttet.

Das ungerechte Hartz-System beißt sich inzwischen in den Schwanz: in einer Atmosphäre der Angst und Erniedrigung kann nichts Gutes entstehen.  Statt Talente herauszufischen und zu unterstützen, lässt man sie vergammeln.  Weil das einzige was zählt, scheint im Hartz-System der Gehorsam zu sein.

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