Samstag, 20. August 2016

Burka und Nessie oder worüber wir nicht reden

Nach den schrecklichen Ereignissen, die die üblichen zu dieser Zeit locker-flockigen Darstellungen verdrängt haben, bekommen wir endlich unser Sommer-Nessie höchst persönlich von der Kanzlerin serviert. Nessie heißt in diesem Sommer „Burka“ und wie es sich für ein Ungeheuer gehört,  jagt uns sie – die Burka – jede Menge Angst ein. Sie ist so gefährlich, dass sie in die Tagesschau schafft und dass sich die CDU-Innenminister ernsthaft mit ihr beschäftigen.




Die Burka ist schuldig


Genauso wie das im Fall der Bestie von Loch Ness ist, kaum jemand hat das Ungeheuer hierzulande gesehen. Das macht nichts. Trotzdem ist sie – die Burka – dafür verantwortlich, dass es mit der Integration nicht klappt. 

"Aus meiner Sicht hat eine vollverschleierte Frau in Deutschland kaum eine Chance, sich zu integrieren", sagt unser aller Bundeskanzlerin Angela Merkel

Endlich können wir also alle aufatmen. Der Feind wurde ausgemacht. Wir müssen nicht mehr rätseln, wieso, weshalb, warum sich hier lebende Ausländer nicht integrieren, oder integrieren lassen. Ende Gelände: Die Burka ist schuldig.

Wir und Ihr


Wenn wir irgendwann mit der Jagd auf das hiesige Nessie – die Burka - aufhören, können wir uns hoffentlich den wirklichen Problemen widmen, die wir miteinander haben. Die sogenannte Aufnahmegesellschaft wehrt sich mehr oder weniger spektakulär mit Händen und Füßen gegen die Fremden. Die Hälfte der Bürger meint, dass in Deutschland zu viele Muslime leben. Genauso viele wollen aus den Innenstädten Sinti und Roma verbannen. 34 Prozent der Deutschen sieht eine gefährliche Überfremdung im Land und ein Viertel will Ausländer zurück in ihre Heimat schicken. Boah, was für Dimensionen sind das!

Auf der anderen Seite schotten sich Ausländer ab. Egal, ob man es Parallelgesellschaften, Gettos oder patriarchalische Communities nennt, das Phänomen ist keine Einbildung, sondern eine triste Realität. Wir driften auseinander und achten auf die Grenzen zwischen uns, zwischen wir und ihr. Die institutionelle Diskriminierung unterstützt und bekräftigt die abschottenden Tendenzen. Die Nicht-Gewollten, die Abgelehnten, die Ausgeschlossenen ziehen sich zurück und befolgen eigenen Regeln.

Die Diskussion über die Burka ersetzt eine ernste Debatte über Integration, über Verantwortung des Staates für die Erschaffung von Rahmenbedingungen. Sie lenkt gekonnt ab von den Verfehlungen der Politik in der Vergangenheit und ihrer Hilflosigkeit in der Gegenwart. Sie lenkt auch von dem grundsätzlichen Problem in diesem Land ab. 

Statt einer Nebelkerze


Der Burka-Murks oder überhaupt das Thema Ausländer wird dazu missbraucht, die berechtigten Vorwürfe an die Politik und die Wut über die Missstände auf diese Weise zu kanalisieren. Da ist schon wieder der Wahlkampf und man zündet wieder eine Nebelkerze. Der dichte Rauch soll den Blick auf das Wesentliche versperren. Das Wesentliche ist die Gerechtigkeit.

Sigmar Gabriel hat recht, indem er als das Hauptproblem die soziale Frage deklariert: 

„Die soziale Frage ist nicht Deutscher oder Ausländer, Christ oder Muslim, sondern reich und arm, soziales Gewissen oder gewissenlos.“

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