Sonntag, 31. März 2024

Kompliziert, komplizierter, das Verfassungsgericht (Trybunał Konstytucyjny) in Polen

 Im April wird der Sejm, das polnische Parlament, über die Reform des Verfassungsgerichts (Trybunał Konstytucyjny) debattieren. Das Projekt der Tusk-Regierung verspricht eine Lösung der rechtlichen Fragen auf eine "objektive und apolitische Art". Damit meinen die Autoren des Projekts in Wirklichkeit einen Kahlschlag. Denn die aktuelle Situation erfordere eine neue Schöpfung, behaupten sie. In diesem Punkt unterscheiden sie sich kaum von ihren Vorgängern. 


Image des Feindes


Im Gedächtnis von den meisten ausländischen Beobachtern der polnischen politischen Szene blieb mit großer Wahrscheinlichkeit das Bild der ehemaligen PiS-Regierung haften, für welches nicht zuletzt Donald Tusk in seiner Position als Präsident des Europäischen Rates und Vorsitzender der EVP gesorgt hat. Keineswegs handelt es sich um ein schmeichelhaftes Image.  Auf allen Kanälen, darunter auch den deutschen, wurde es nachdrücklich vor der PiS und insbesondere vor Jarosław Kaczyński, den man zum Lieblingsfeind stilisierte, gewarnt: sie wollen eine Diktatur einführen. Diese, allem Anschein nach, gut orchestrierte Kampagne eignet sich bestens für Verschwörungstheorien. Bleiben wir aber bei den Fakten.

Unterm Kriegsrecht geboren


Das Datum des Gesetzes, welches das polnische Verfassungsgericht ins Leben rief, ist geschichtsträchtig – 26.03.1982. Im kommunistischen Polen herrschte damals das Kriegsrecht – ein bis heute nicht gänzlich aufgearbeitetes Kapitel der Nachkriegsgeschichte. Seine Arbeit nahm das Gericht 1986 auf. 

Überspringen wir jetzt einige Jahrzehnte und den Zerfall des Warschauer Pakts und gehen wir zum Anfang des heutigen Konflikts über, zu dem 8.10.2015. Es herrschte zu der Zeit die Tusk-Partei PO (Bürgerplattform) in der Koalition mit der PSL (Polnische Volkspartei). Tusk selbst hat seinen Premier-Posten an Ewa Kopacz weitergereicht und eilte bereits 2014 zur EU.

Am besagten 8. Oktober wählte der Sejm mit der Mehrheit der regierenden Koalition (PO und PSL) fünf neue Nachfolger von Verfassungsrichtern, deren Amtszeit demnächst endete. Aber nicht gleichzeitig. Für drei war das bereits am 6.11.2015 der Fall, für zwei erst im Dezember.

Wechsel am Ruder


Inzwischen fanden in Polen die Wahlen statt - am 25.10.2015. Die PiS-Partei hat gewonnen und das Ruder übernommen. Am 25.11.2015 verabschiedete sie im Sejm ein Gesetz, das die Wahl der Richter vom 8.10. für unwirksam erklärte. Am 2.12.2015 wurden fünf neue Richter gewählt, die diesmal die PiS vorgeschlagen hat. Von diesen Richtern nahm dann Präsident Andrzej Duda den Eid ab.

Bereits am 3. Dezember 2015 meldete sich der damalige Präsident des Verfassungsgerichts Andrzej Rzepliński zu Wort und stellte fest, dass die Wahl (am 8.10.) der zwei Nachfolger für Richter, dessen Amtszeit erst im Dezember endete, gegen die Verfassung verstieß. Da wollte die Tusk-Koalition „ihre“ Richter unbedingt durchsetzen, koste es, was es wolle. Im Nachhinein spielt Donald Tusk dennoch ein ganz unpolitisches Lamm vor. 

Rzepliński verlangte auch, dass Präsident Duda alle gewählten Richter vereidigt, was bekannterweise jedoch nicht geschah.

„Dieses Urteil hebt in keiner Weise die Gesetze des Sejms auf. Die Gesetze behalten ihre Rechtskraft und der Präsident von Polen setzt sie um“, kommentierte Andrzej Duda.

Worum geht es hier also? Mitnichten um ein paar Richter-Posten. Es war und bleibt kompliziert, denn am Ruder steht erneut das Tusk-Team. 

Die Fortsetzung des Verfassungsgericht-Dramas folgt. Der nächste Aufzug ist bereits für den 10. April im Sejm angekündigt.

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