Mittwoch, 20. März 2024

Das Problem mit dem Kapitalismus

 "Der Kapitalismus ist nicht das Problem", schreibt Marcel Fratzscher in seiner Zeit-Kolumne. Meine klare Meinung dazu: Jein.


Bilderbuch-Kapitalismus und Notfall


Es stimme nicht, betont Fratzscher, dass Kapitalismus die Nachhaltigkeit verhindere, die doch "Degrowth, also eine schrumpfende Wirtschaft" erfordere. Alles nur ein Missverständnis, meint Fratzscher, denn der wahre Kapitalismus bedeute einfach, "dass nicht primär der Staat, sondern Menschen und Unternehmen die Entscheidungen über die Verteilung knapper Ressourcen wie Kapital und Beschäftigte treffen, und dass der Preis für Güter und Dienstleistungen ein wichtiger Mechanismus dafür ist."

Dieser oben beschriebene Bilderbuch-Kapitalismus hat mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun. Denn er setzt absolute Fairness und Transparenz voraus, wie in einem imaginären Spiel, indem sich alle an die vorgegebenen Regeln halten, sich gegenseitig wertschätzen und Resultate widerstandslos akzeptieren. In dieser Welt wären Anwälte und Richter arbeitslos.

Das weiß Marcel Fratzscher natürlich auch, dennoch sieht er darin kein Systemfehler des Kapitalismus: „Ein Marktversagen rechtfertigt nicht die Abschaffung des Marktes, sondern erfordert ein Eingreifen des Staates, um ein solches Versagen zu verhindern.“

Aha, der Staat müsse im Notfall doch einspringen.  Kenn' ma alles scho!

Mehr, schneller, effizienter


Ich fragte bereits hier in einem früheren Post „Wohin mit dem Wachstum?“. Die Frage bleibt nach wie vor bestehen. Schauen wir uns also nochmals das erste Gebot des Kapitalismus an. Seine dunkle Seite heißt Überproduktion. Wir ersticken unter den Müllbergen, die uns der Kapitalismus mit seinem ungebremsten Wachstum beschert. Er kann einfach nicht anhalten.  

Der Kapitalismus fragt eben nicht nach Sinn und Zweck, er betreibt auf eine narzisstische Art die Nabelschau. Das einzige, was ihn interessiert, lässt sich mit ein paar Komparativen beschreiben:  mehr, schneller, effizienter. Es sind keine schlechte Ansprüche an sich. Unter den glatten Formulierungen verbirgt sich jedoch ein inhumaner Kern. Der Kapitalismus interessiert sich nämlich grundsätzlich nicht für den Menschen. Der Wohlstand ist nicht sein Ziel, sondern eine Nebenwirkung.

Daher betrachte  ich die These, dass ein funktionierender Kapitalismus Freiheit für jeden Einzelnen bedeute, für eine der größten Illusionen. 

Freiheit? Welche Freiheit?


Damit das ganz klar ist, ich befürworte weder den Kapitalismus, noch den (früher real existierenden) Sozialismus oder Kommunismus. Sowohl Kapitalismus, der angeblich jedem Einzelnen Freiheit verspricht, als auch der Kommunismus, für den die einzelne Person bedeutungslos ist, instrumentalisieren den Menschen für eigene Zwecke. Kapitalismus reserviert Freiheit für jene, die dafür genug Geld haben, Kommunismus – für die, die genug Macht in dem undemokratischen System besitzen. Die Situation des sogenannten normalen Bürger ließe sich also in beiden Systemen in diesem Punkt vergleichen. 

Wer holt uns hier raus?


Die Lösung der Polykrisen, an die der Kapitalismus chronisch leidet, "erfordert keine Abschaffung des Kapitalismus, sondern Reformen der Demokratie als politisches System", diagnostiziert Fratzscher.

Moment mal! Nicht die Demokratie ist krank, sondern der Kapitalismus. Er ist dafür verantwortlich, dass "die soziale Ungleichheit innerhalb von Gesellschaften" zunimmt. 

Ich stimme dennoch zu, dass wir auf jeden Fall Reformen brauchen. Ich glaube, dass der Weg durch die Überwindung der Einseitigkeit führt. Die Mischung machts: die drei Grundformen von Wirtschaften, Agieren und Zusammenleben - privat, genossenschaftlich und staatlich - sollten vielleicht gleichberechtig die Grundlage der Zukunft bilden. Wobei der Staat aus verschiedenen Gründen für die Daseinsvorsorge verantwortlich sein muss. Dazu zähle ich auch die Bildung.




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