Montag, 5. März 2018

Das Fremde und das Eigene, oder worüber wir eigentlich reden

Wenn Joachim Gauck „die Fremden "entfeinden" und das Eigene entidealisieren“ will, habe ich natürlich nichts dagegen. Im Gegenteil. Dennoch ist das eine völlig falsche Setzung von Themen.


                                               "Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl" (Screenshot)

Die Glasur ist mir egal


Gaucks Formulierung entblößt seine Sehnsucht nach klaren Grenzen zwischen Wir (dem Eigenen) und Ihr (dem Fremden). Irgendwie klingt dies wie: „Bitte, vermischen Sie sich nicht.“  Sorry, aber für eure Konnotationen in diesem Moment, meine lieben Leser, bin ich nicht verantwortlich. 

Der von Gauck angesprochene Aspekt der feindlichen Einstellung gegenüber des Fremden spiegelt tatsächlich die Wirklichkeit wider. Nein, ich spreche hier nicht über die offensichtlichen Fremdenfeinde wie Nazis & Co, sondern über eine grundsätzliche Ausrichtung des Staates und der Gesellschaft. 

Die Angst vor dem Fremden sitzt meist tiefer unter der oberflächlichen Gutmenschen-  oder Kulturenversteher-Glasur. Sofort muss ich hinzufügen, dass ich weder gegen die einen noch die anderen etwas habe. Wirklich nicht. Im Gegenteil. Außerdem soll jeder fürchten, was er will. Mit einer wesentlichen Einschränkung: die anderen dürfen dafür nicht bezahlen. 

Was heißt hier Wir?


In seiner Rede in Düsseldorf erwähnt Gauck Jean Améry, der vor den Nazis flüchten musste: „Abgeschnitten von dem "Wir" wurde ihm schmerzhaft bewusst, wie sehr der Mensch Heimat braucht, "um sie nicht nötig zu haben". Bedeutet hier das Wir wirklich die Heimat oder eher die Sehnsucht nach dem Verlust, die gemeinsam allen Trauernden ist? 

Wenn das Wir die Heimat bedeuten sollte, dann besteht ein Staat aus vielen Heimaten, in die er – der Staat – sich nicht einmischen darf, weil sie – die Heimaten – eine private Angelegenheit jedes Einzelnen sind.  

Mich interessiert aber das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Staat. Das ist eine ganz andere Ebene, die man mit den privaten Heimaten nicht verwechseln darf. Aus der staatlichen Sicht betrifft nämlich das Wir alle Bürger. Welche Konsequenzen daraus entstehen? Dass wir als Bürger gleich sind, gleich sein müssen. Wir als Bürger haben gleiche Rechte und Pflichten.

Diese einheitliche Behandlung aller Bürger ist für mich die wichtigste Voraussetzung einer gelungenen Integration. Daran ist Deutschland gescheitert.  

Macht, was ihr wollt 


Geschickt vermischt Gauck Äpfel mit Birnen, in dem er folgendes sagt: „Einen großen Einfluss in der Integrationspolitik hat lange Zeit die Konzeption des Multikulturalismus gehabt: Was sich auch immer hinter den einzelnen Kulturen verborgen hat - Vielfalt galt als Wert an sich.“ In diesem Punkt widerspreche ich dem Ex-Bundespräsidenten. Das war keine Multikulti-Konzeption, sondern Laissez-fair-Politik: Macht, was ihr wollt, denn ihr seid uns egal. Und vor allem, ihr seid uns niemals gleichwertig. 

Es fehlte das staatliche Wir und fehlt immer noch. 

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