Mittwoch, 12. Juni 2024

Die Europawahl in Polen und der Sieger ohne Sieg

 Noch am Wahlabend des 9. Juni feierte die ZDF-Journalistin Natalie Stegen den Sieg von Polens Premier Donald Tusk, dessen Bürgerkoalition (KO) 38,2 % der Stimmen bekommen haben sollte. Dadurch fiele der Abstand zur PiS "viel, viel deutlicher als in den letzten Tagen gedacht“, jubelte Frau Stegen, als handelte es sich um ihren eigenen Erfolg.


Alles nur geklaut?

Natalie Stegen lieferte auch sofort ihre Analyse der Gründe für den ach so großen Sieg:

"Er (Tusk) hat sehr strategisch klug nicht irgendeine Werte-Diskussion geführt, sondern er hat auf Sicherheit gesetzt. Warnen vor Moskau, gegen illegale Migration, all das eint die Polen, da weiß er die Polen sehr stark hinter sich und da muss man sagen, er hat dem PiS-Partei-Chef Jarosław Kaczyński das Wasser abgegraben.“

Dieses Lob ist ungewollt entlarvend. Es stimmt nämlich, dass sich Tusk mitnichten für „irgendwelche Werte“ interessiert. In dieser Hinsicht hat er viel von seiner politischen Ziehmutter, Frau Merkel, gelernt. Genauso trifft es zu, dass Tusk seine Themen von der PiS übernommen, also geklaut hat. Es scheint ihm dabei ziemlich egal zu sein, ob er sich für oder gegen die illegale Migration und für oder gegen Putin positioniert. Den Machterhalt erkor er zu seinem einzigen Ziel und jedes Mittel, das ihm dabei hilft, ist ihm recht. 

Der Morgen danach

Am nächsten Tag sah die Welt ein bisschen anders aus.  Michał Płociński stellt in der Zeitung Rzeczpospolita nüchtern fest:

„Die Gerüchte über den Tod von der PiS waren verfrüht. Die Anhänger der Regierungskoalition (von Tusk), die am Sonntag noch siegessicher zu Bett gingen, wachten am Montag mit einem leichten politischen Kater auf. Der Vorsprung der KO gegenüber der PiS war über Nacht erheblich geschrumpft - und laut den offiziellen Wahlergebnissen hatte sich von 4 Prozentpunkten auf weniger als 1 Prozentpunkt verringert. Demnach erhielt die Bürgerkoalition (KO) 37,1 Prozent der Stimmen und PiS 36,2 Prozent.“

Hat also Tusk gewonnen oder nicht? 

Jain. 

„Es gibt allerdings zwei Probleme mit diesem Sieg.

Erstens, dass er wirklich minimal ist (…) Und zweitens, dass sich das Gesamtergebnis der Regierungsparteien seit den Parlamentswahlen vom 15. Oktober kaum verändert hat und dass der Sieg der KO über die PiS ausschließlich das Ergebnis der Kannibalisierung (kanibalizowania) des Dritten Weges ist, d.h. der Übernahme der Wähler von Szymon Hołownia und Władysław Kosiniak-Kamysz durch Donald Tusk. Die PiS dagegen bleibt genauso stark. Und sie könnte sogar noch stärker zurückkommen“, prophezeit  Płociński.

Der Dritte Weg, der mit Tusk die aktuelle Regierung in Polen stellt, ist der wahre Verlierer der Europawahl.

„Das größte Problem für die Koalition aus Polen 2050 und der PSL (zusammen bilden sie den Dritten Weg) besteht darin, dass sie praktisch keine Möglichkeit hat, sich gegen Wählerverluste zu wehren: Jeder ihrer Schritte könnte einer der anderen Rivalen ausnutzen, weil sie von beiden Seiten beschnitten wird“, lesen wir weiter in der Rzeczpospolita.

Die PiS sieht sich jedenfalls nicht als Verlierer dieser Wahl:  „Für uns ist das keine wirkliche Niederlage“, kommentiert Jarosław Kaczyński für die TVP Info.