Sonntag, 18. Oktober 2015

Scheißthema: Rassismus

Unterwegs in der Stadt muss man manchmal aufs stille Örtchen. Dann stürmt man möglicherweise in ein Geschäft herein und fragt mehr oder weniger gequält nach einer Toilette. Schon drinnen sitzend erfährt man plötzlich dank lieben Leidensgenossinnen – es bildet sich sofort eine Schlange -, dass in der zweiten Kabine die Schüssel  verstopft ist.



Kein Wunder, dass ich mich in dieser Situation unter Druck im doppelten Sinne des Wortes fühle. Eine laute Stimme glaubt Bescheid über die Gründe des Malheurs zu wissen: „Unsere ausländischen Mitbürger kennen das vielleicht nicht und werfen hinein, was dort nicht hingehört.“ Während mein Blutdruck steigt und ich mir eine Erwiderung überlege, mit der ich die Tür aufmachen will, ertönt ebenso kräftige Stimme: „Wieso Ausländer? Es sind einfach Menschen, egal ob Chinesen, Türken oder Nigerianer.“ Ok, denke ich beruhigt, dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen, die Deutschen machen es unter sich aus, und lausche der Antwort der hartnäckigen Anklägerin: „Die ausländischen Mitbürger bringen ihre Kultur mit, danach sieht es so wie hier aus.“

An der Schlange vorbei steuere ich wortlos zum Waschbecken und blicke in das Gesicht der „Klofrau“, das dunkler ist, als jede Urlaubsbräune, ein Gesicht, das den Migrationshintergrund erkennen lässt. Sie war es, die im perfekten Deutsch und selbstbewusst die Menschenrechte auf der mehr oder weniger öffentlichen Toilette anmahnte. Wer die Ausländer-Anklägerin ist, interessiert mich nicht mehr.

Die Zugereisten und das Grundgesetz 


An keinem Ort entgehen wir diesem Thema. Es erhitzt die Gemüter und bringt die sonst besonnen Mitmenschen um den Verstand. Und trotzdem führen wir keine ernsthafte Debatte darüber. Es gibt Straßenkämpfe und mehr oder weniger öffentliche  Statements, es gibt unzählige Projekte und  kluge Abhandlungen darüber. Das alles ersetzt aber nicht eine gesellschaftliche Diskussion, in der die Bürger dieses Landes – die deutschen und die ausländischen – das Thema gründlich miteinander durchdeklinieren: Wie wir hier im Alltag und Feiertag damit umgehen wollen, sollen und dürfen oder müssen.

Die Angst vor derartiger Auseinandersetzung ist durchaus berechtigt. Die Trennlinie verläuft keineswegs nach dem einfachen Prinzip: hier Freund, dort Feind; auch wenn man manchmal diesen Eindruck gewinnen kann, in Anbetracht der verhärteten Fronten und der ausgetragenen Kämpfe, über die Köpfe der Betroffenen hinweg.

Nur für die kleinen Kinder scheint es diesbezüglich kein Problem zu geben: Sie haben nämlich noch nicht gelernt, dass man die anderen wegen seiner Herkunft oder Hautfarbe diskriminieren kann. Erst irgendwann im Laufe der sogenannten Erziehung oder der sogenannten Sozialisation werden sie lernen, dass es gleiche und gleichere gibt, dass man von den Zugereisten verlangt: "Sie müssen bitte schön das Grundgesetz akzeptieren und verinnerlichen", welches man als Einheimischer tagtäglich ignorieren und verletzen darf.

Rassismus und Kartoffeln


Der Rassismus fußt auf einer Lüge, dass man Menschen wie Kartoffeln sortieren und klassifizieren und ihren Wert a priori – ohne ihr eigenes Zutun - festsetzen  kann. Unter der Bedingung, dass man am längeren Hebel sitzt.

Der Rassismus verzerrt nicht nur das Bild der Wirklichkeit, sondern verfälscht die gesellschaftlichen Verhältnisse, höhlt das Leistungsprinzip aus und zerstört gründlich das Prinzip der Gerechtigkeit. Der Rassismus will das Recht des Stärkeren durchsetzen und damit ein Rechtsstaat vernichten.

Wenn man ihn einfach  wie auf der Toilette runterspülen könnte!

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