Mittwoch, 24. August 2016

Panik machen und durch die Verbreitung von Angst regieren?

Das Leben ist gefährlich, gar keine Frage. Angst hilft uns, in gefährlichen Situationen zu überleben. Zu viel Angst dagegen hindert uns daran, ein Teil der Gesellschaft zu werden, sie mitzugestalten, am Leben teilzunehmen.


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Außerdem weist dieser Umstand auf psychische Probleme, eine psychische Krankheit hin. Wer den Menschen ohne Grund Angst einjagt, handelt daher – gelinde gesagt – unmoralisch. Christian Lindner, der Vorsitzender der FDP, nennt es „unsensibel“:


Teufel rufen?


Nachdem die Beschwichtigungen – „Wir schaffen das“ – nicht mehr zu wirken scheinen und von Freund und Feind kritisiert wurden, entstaubten die Kanzlerin Angela Merkel und ihr Innenminister Thomas de Maizière eine vermottete Sicherheitskiste. Der Teufel, den sie jetzt gemeinsam an die Wand malen, kommt uns sehr bekannt vor. Den ruft man gewöhnlich zur Hilfe, wenn man nichts Anständiges im Sinn hat. Diesmal geht es – nicht zum ersten und bestimmt nicht zum letzten Mal – um die nahenden Wahlen und um die Macht, die man/frau unbedingt behalten will.

Erweiterter Selbstmord?


Heute durften wir in den Medien eine gleichlautende dpa-Bekundung lesen (hier von sueddeutsche.de)

„Die (sic!) Bundeskabinett hat das umstrittene Konzept zur Zivilverteidigung verabschiedet und damit Pläne auf den Weg gebracht, die im Fall einer Terrorattacke oder eines Cyberangriffs wirksam würden. Die Regierung reagiert mit der neuen "Konzeption Zivile Verteidigung" auf die veränderte sicherheitspolitische Lage. Unter anderem geht es darum, den zivilen Katastrophenschutz mit Vorbereitungen für einen Verteidigungsfall zu verzahnen. Innenminister de Maizière will das Konzept am Nachmittag vorstellen.“

Zivile Verteidigung? Nur wegen eines lausigen Wahlkampfes sollen wir alle in den Krieg ziehen? Gegen wen? Oder laden uns Frau Merkel und Herr de Maizière zum erweiterten Selbstmord ein?

Zurück in die Vergangenheit?


Ausgeruht, vom Urlaub zurück, in dem sie womöglich die Zeit hatte, alte Erinnerungen aufzufrischen, verpasst uns Merkel ein Kalter-Krieg-Revival. Wer Computer-Ballerspiele liebt, wird sich freuen: endlich Action! Ich suche aber nicht nach einem alternativen Kick, sondern interessiere mich für die realen Probleme. Davon haben wir hier, im reichsten Land Europas, mehr als genug.

Zur Erinnerung: Armut, darunter Kinder- und Altersarmut, Langzeitarbeitslosigkeit, verfehlte Integration, allgegenwärtige Diskriminierung und Rassismus. Für den Anfang reicht es doch, nicht wahr? Ich schlage vor, wir sollen endlich anfangen, die Probleme zu lösen.


Samstag, 20. August 2016

Burka und Nessie oder worüber wir nicht reden

Nach den schrecklichen Ereignissen, die die üblichen zu dieser Zeit locker-flockigen Darstellungen verdrängt haben, bekommen wir endlich unser Sommer-Nessie höchst persönlich von der Kanzlerin serviert. Nessie heißt in diesem Sommer „Burka“ und wie es sich für ein Ungeheuer gehört,  jagt uns sie – die Burka – jede Menge Angst ein. Sie ist so gefährlich, dass sie in die Tagesschau schafft und dass sich die CDU-Innenminister ernsthaft mit ihr beschäftigen.




Die Burka ist schuldig


Genauso wie das im Fall der Bestie von Loch Ness ist, kaum jemand hat das Ungeheuer hierzulande gesehen. Das macht nichts. Trotzdem ist sie – die Burka – dafür verantwortlich, dass es mit der Integration nicht klappt. 

"Aus meiner Sicht hat eine vollverschleierte Frau in Deutschland kaum eine Chance, sich zu integrieren", sagt unser aller Bundeskanzlerin Angela Merkel

Endlich können wir also alle aufatmen. Der Feind wurde ausgemacht. Wir müssen nicht mehr rätseln, wieso, weshalb, warum sich hier lebende Ausländer nicht integrieren, oder integrieren lassen. Ende Gelände: Die Burka ist schuldig.

Wir und Ihr


Wenn wir irgendwann mit der Jagd auf das hiesige Nessie – die Burka - aufhören, können wir uns hoffentlich den wirklichen Problemen widmen, die wir miteinander haben. Die sogenannte Aufnahmegesellschaft wehrt sich mehr oder weniger spektakulär mit Händen und Füßen gegen die Fremden. Die Hälfte der Bürger meint, dass in Deutschland zu viele Muslime leben. Genauso viele wollen aus den Innenstädten Sinti und Roma verbannen. 34 Prozent der Deutschen sieht eine gefährliche Überfremdung im Land und ein Viertel will Ausländer zurück in ihre Heimat schicken. Boah, was für Dimensionen sind das!

Auf der anderen Seite schotten sich Ausländer ab. Egal, ob man es Parallelgesellschaften, Gettos oder patriarchalische Communities nennt, das Phänomen ist keine Einbildung, sondern eine triste Realität. Wir driften auseinander und achten auf die Grenzen zwischen uns, zwischen wir und ihr. Die institutionelle Diskriminierung unterstützt und bekräftigt die abschottenden Tendenzen. Die Nicht-Gewollten, die Abgelehnten, die Ausgeschlossenen ziehen sich zurück und befolgen eigenen Regeln.

Die Diskussion über die Burka ersetzt eine ernste Debatte über Integration, über Verantwortung des Staates für die Erschaffung von Rahmenbedingungen. Sie lenkt gekonnt ab von den Verfehlungen der Politik in der Vergangenheit und ihrer Hilflosigkeit in der Gegenwart. Sie lenkt auch von dem grundsätzlichen Problem in diesem Land ab. 

Statt einer Nebelkerze


Der Burka-Murks oder überhaupt das Thema Ausländer wird dazu missbraucht, die berechtigten Vorwürfe an die Politik und die Wut über die Missstände auf diese Weise zu kanalisieren. Da ist schon wieder der Wahlkampf und man zündet wieder eine Nebelkerze. Der dichte Rauch soll den Blick auf das Wesentliche versperren. Das Wesentliche ist die Gerechtigkeit.

Sigmar Gabriel hat recht, indem er als das Hauptproblem die soziale Frage deklariert: 

„Die soziale Frage ist nicht Deutscher oder Ausländer, Christ oder Muslim, sondern reich und arm, soziales Gewissen oder gewissenlos.“

Freitag, 12. August 2016

Mobbing hat in der Schule nichts zu suchen

In einem Gespräch mit ein paar jungen Lehrern fragte ich, was sollte man als erstes an der Schule verändern. Die Antwort kam prompt und knapp: Lehrer.


                                                                                                 Dieter Schütz  / pixelio.de

No-go-Areas in den Schulen


Wenn Eltern ihre Kinder der Schule für mehrere Stunden anvertrauen, dann dürfen sie wenigstens erwarten, dass dort nichts Unrechtes passiert. Die Schule übernimmt die Verantwortung für die Schutzbefohlenen. Und zwar nicht nur während des Unterrichts. In der Praxis aber gibt es in den Schulen No-go-Areas. 

„Der junge Mann, der in München neun Menschen erschoss – lesen wir auf Süddeutsche.de -, wurde laut Berichten von Mitschülern schikaniert. Sie urinierten auf seine Kleider, misshandelten ihn, nahmen ihm Sachen weg.“

Da frage ich mich: Wo waren währenddessen die Lehrer?



Wessen Schuld?


In diesem und in den ähnlichen schrecklichen Fällen scheinen die Lehrer die Seite der Täter zu ergreifen. Die Mobbing-Opfer wären selbst schuld, müsste man demnach glauben. Ein gefährliches Prinzip. Wenn man es auf andere Bereiche überträgt, wird auf einmal zum Beispiel nicht der Vergewaltiger, sondern die Vergewaltigte zum Problem (victim blaming).

Tatsächlich brauchte die Gesellschaft sehr lange (einige Länder tun sich auch heute damit schwer), bis die Vergewaltigung als Verbrechen eingestuft wurde. Seit 1997 gilt sie auch in der Ehe als eine Straftat.

Mobbing ist ein Verbrechen!


Ein gut gemeinter Tipp, den Mobbern aus dem Weg zu gehen, erinnert an die alten Ratschläge für die Frauen, sich nicht provozierend anzuziehen und zu verhalten, um die Gefahren abzuwenden.



Mobbing ist eine Straftat! Auch wenn man diesen Begriff vergeblich im Strafgesetzbuch sucht.  Seine „Bestandteile“ stehen jedoch unter Strafe: Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung.  Dafür kann man die Täter zur Verantwortung ziehen. Auch wenn die Strafmündigkeit erst mit dem 14. Lebensjahr beginnt, kann ein Familiengericht für die jüngeren Täter verschiedene Maßnahmen anordnen.

Bevor es aber so weit kommt, ist die Schule, sind die Lehrer gefragt. Unternehmen sie nichts gegen Mobbing, machen sie sich unterlassener Hilfeleistung schuldig.

Dienstag, 9. August 2016

Sigmar Gabriel, der Kanzlerkandidat?

In Deutschland ist die Platte hängen geblieben und Merkel seit 11 Jahren die Kanzlerin. Wird sie den Kohl machen wollen und nochmals als Kanzlerkandidatin antreten? Hoffentlich nicht: das Land lechzt nach Veränderung und Merkel selbst agiert lieber auf der internationalen Bühne als zu Hause. Indes wächst der Unmut.


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Wenn Menschen unzufrieden sind, und das sind sie in hohem Maße, dann geht es nicht um eine Phantasie, die man ihnen ausreden kann, sondern um die Realität, die man mindestens zur Kenntnis nehmen muss. Damit haben die sogenannten Volksparteien ihre Schwierigkeiten. Auf die Kritik antworten sie mit der Auflistung ihrer Erfolge: was sie alles bewirkt haben. Deshalb reden sie an den Unzufriedenen vorbei.  Davon profitieren vor allem die Rechtspopulisten – die angeblichen Volkversteher. 

Hört Gabriel das Gras wachsen?


Sigmar Gabriel scheint es gerade zu lernen und nimmt sogar das Wort „Armut“ in den Mund. Genau gesagt: „Armutsrente“. „Es kann nichts sein – empört sich der Vizekanzler - dass jemand 40 Jahre gearbeitet hat und dann die Rente niedriger ist, als bei jemanden, der nie gearbeitet hat.“ Hierdurch lenkt er die Wut auf diejenigen, die ihre Situation meist selbst nicht ändern können und keine Lobby haben. Aus diesem Grund ist ein Nachhilfeunterricht dringend empfohlen: z. B. sollte der Kanzlerkandidat eine von tausenden Tafeln oder eine von Millionen Hartz-IV-Familien besuchen. 

Mehr versprechend ist sein anderer Gedankenstrang, in dem er die Aufgaben für die Zukunft aufzählt: „Wenn wir Leih- und Zeitarbeit reduzieren, Werkverträge einstellen, was viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat, wenn wir dafür sorgen, dass Frauen bei gleicher Arbeit wie Männer die gleiche Löhne bekommen“, außerdem in Bildung investieren und die Arbeitslosigkeit bekämpfen, dann überwinden wir auch die Armut. Gewiss.

Ich knüpfe an den letzten Punkt an: die Arbeitslosigkeit. Kein gesunder Mensch lehnt eine zumutbare Arbeit ab (mit Betonung auf zumutbar)!  Wenn er das tut, ist er krank. Und wenn er krank ist, braucht er Hilfe, keine Strafe. So geht gesellschaftliche Solidarität. 

Das Unmögliche verlangen


In den heißen Augusttagen 1980 eilten in den internetlosen Zeiten ein paar intellektuelle Köpfe in die streikende Werft nach Danzig, um dem Elektriker Lech Wałęsa beizustehen und ihm von seiner Idee dringend abzuraten, weil sein Vorschlag absolut unrealistisch sei. Wałęsa verlangte eine unabhängige vom Regime Gewerkschaft und gewann. Er wusste angeblich nicht, dass sein Wunsch aussichtslos war, verlangte das Unmögliche und erreichte sein Ziel. Die erste im ganzen kommunistischen Block unabhängige Gewerkschaft „Solidarność“ wurde gegründet und trug wesentlich zum Zerfall des Kommunismus bei.

Ich wünsche mir von den zukünftigen Kanzlerkandidaten, dass sie das Unmögliche anstreben, aber dabei auch genug Vorstellungskraft und Energie mitbringen, es durchzusetzen.

Mister Kanzlerkandidat Gabriel, schaffen Sie die von einem Kriminellen entworfenen Hartz-Gesetze ab!