Donnerstag, 28. Dezember 2023

Der Weg von Donald Tusk oder Quo vadis Polen?

 Wieso handelt Donald Tusk, der neue polnische Ministerpräsident, wie er handelt? In seinen Entscheidungen glauben einige die Züge des Kriegsrechts zu erkennen. Die deutschen mehr oder weniger öffentlichen Medien, die sehr parteiisch aus Polen berichteten und immer noch es tun, informieren auf einmal schmallippig, als ob sie ihren Jubel nach dem Tusk-Gewinn schnell vergessen wollten. Hat sie die aktuelle Entwicklung kalt erwischt? 


Viele Wege führen oder auch nicht


Tusk konnte doch anders vorgehen, bemerkt Rafał Woś, ein polnischer Journalist:
„Zur Wahrheit gehört die Feststellung, dass weder Tusk noch Sienkiewicz, noch Bodnar oder Hołownia waren gezwungen, das zu tun, was sie tun. Sie alle konnten nach den Wahlen am 15. Oktober viele andere Wege gehen. Der überwiegende Teil ihrer Wähler (die schweigende Mehrheit, wie ich glaube) erwartete sogar, dass sie eben diese andere Wege wählen werden.“
(„Prawda jest taka, że ani Tusk, ani Sienkiewicz, ani Bodnar, ani Hołownia nie musieli robić, tego co robią. Oni wszyscy mogli po wyborach 15 października pójść wieloma innymi drogami. Więcej nawet - ogromna część ich wyborców (śmiem twierdzić, że ich milcząca większość) - oczekiwała wręcz, że oni pójdą właśnie tymi innymi drogami.”)

Dieser Artikel erschien am 21.12. Noch vor Weihnachten. Nach Weihnachten, am 27.12., präsentierte sich Donald Tusk auf seiner Pressekonferenz im Lammfell und beschuldigte die PiS der Verantwortung für all das Übel. Die Gewalt komme ausschließlich von der PiS. Er dagegen sei so friedlich, dass man ihn sogar frage, wieso er keine Gewalt anwende.  Tusk kündigte an, dass sein Kulturminister "ruhige, rationale Entscheidungen treffen" werde. 

 Herr Sienkiewicz tat es direkt danach und löste die öffentlich-rechtlichen Aktiengesellschaften auf - TVP (Polnisches Fernsehen). Polskie Radio (Polnisches Radio) und PAP (Polnische Presseagentur).

 Was wollte der Minister uns sagen?

In „Rzeczpospolita“ - einer Zeitschrift, die nicht zu #PiS-Freunden zählt – versucht Dr. habil. Iwona Gębusia, Rechtsbeistand, die Entscheidung des Ministers aus der rechtlichen Perspektive zu beleuchten, und konstatiert die Diskrepanz zwischen dem Gewollten und dem Getanen. Was Herr Minister anstrebt, ist die Restrukturierung. Was er verlautbart, ist die Liquidation. 

„Der Unterschied zwischen Liquidation und Restrukturierung besteht darin, dass die Liquidation das definitive Beenden der Aktivitäten bedeutet, die Restrukturierung dagegen – die Sanierung des Vermögens und der Finanzen und die Rückkehr zur normalen Tätigkeit auf dem Markt.“ 

(„Różnica pomiędzy likwidacją a restrukturyzacją polega na tym, że w przypadku likwidacji jej celem jest definitywne zakończenie działalności, zaś w przypadku restrukturyzacji – sanacja majątkowa lub finansowa i powrót przedsiębiorstwa do normalnej działalności na rynku.”)

„Ich bin nicht davon überzeugt – schlussfolgert Gębusia -, dass die Liquidation der medialen Aktiengesellschaften den Gordischen Knoten durchschlägt. Eher wird das zu einem weiteren Verknoten führen.“

„Nie mam przekonania, że otwarcie likwidacji spółek medialnych przetnie węzeł gordyjski. Prędzej doprowadzi do kolejnego zapętlenia.”


Donnerstag, 14. Dezember 2023

Politisches Erdbeben nach dem Wechsel: Tusk an der Macht in Polen

 Die Tusk-Regierung will Woiwoden, die obersten Chefs der Verwaltung in den Woiwodschaften, austauschen. Dieser Vorgang läuft folglich ab: Der Ministerpräsident ernennt und entlässt Woiwoden auf Vorschlag des Ministers des Innern und der Verwaltung. Der aktuelle Minister heißt Marcin Kierwiński. Seit 2020 hat er die Funktion des Generalsekretärs der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska), die Partei von Tusk, inne.


Den angekündigten Schritten des Ministerpräsidenten wollte Tobiasz Bocheński, Woiwode von Masowien (wojewoda mazowiecki) zuvorkommen, weil er nicht auf seine Entlassung zu warten beabsichtigte. Am Mittwoch gab er öffentlich die Einreichung seines Rücktrittsgesuches im Eilverfahren bekannt. 

Die geplanten Umbildungen betreffen  viele Gebiete. Tusk-Regierung bereitet personalen Austausch vor in verschiedenen Institutionen der Landwirtschaft wie auch im Bereich der Finanzen und der Wirtschaft.

Es geht um Tausende von Posten.

Wir suchen keinen Nachfolger

Währenddessen stellt sich die PiS-Partei auf ihre Rolle in der Opposition ein. In einer Erhebung nennen 22,4 der Befragten Jarosław Kaczyński als den neuen Oppositionsführer, den zweiten Platz belegt Mateusz Morawiecki.

Beata Szydło, frühere Ministerpräsidentin von Polen, vermutet, dass Donald Tusk in seiner neuen Regierung (er war bereits zweimal an der Macht in Polen) mehr Puder gebrauchen und sich um einen guten Eindruck bemühen werde. Die unpopulären Vorhaben müssen für ihn dann die anderen erledigen. Szydło erwartet also mehr Schauspiel und Show (kreacja i show) von Tusk.

Was ihre eigene PiS-Partei betrifft, bescheinigt sie ihr Durchhaltevermögen und Widerstandsfähigkeit: 

"Wir haben ein gutes Programm. Sehr viele unserer Versprechen haben wir bereits erfüllt. Polen hat sich in den letzten acht Jahren sehr gut entwickelt. Unsere Sozialprojekte ermöglichten polnischen Familien endlich ein würdiges Leben."

Die Frage nach dem Nachfolger in ihrer Partei stellt sich laut Szydło zurzeit nicht.  "Jarosław Kaczyński ist unsere Gewinngarantie für die nächsten Wahlen." Sie selbst kandidiere demnächst wieder für das EU-Parlament.


Mittwoch, 13. Dezember 2023

Der polnische Wechsel: Donald Tusk legt mit einer Walze los

 Während sich Deutschland über den neuen Ministerpräsidenten von Polen freut, wütet Donald Tusk bereits auf der politischen und medialen Bühne.


Tusk will auf einen Schlag mehrere Chefs der Nachrichtendienste entlassen und ferner die öffentliche Medienlandschaft plattmachen. 


 Es wurde erwartet, dass Mateusz Matyszkowicz, Präses des Polnischen Fernsehen - Telewizja Polska -, seine Arbeit bereits am 13. Dezember, also dem Tag der Vereidigung neuer Regierung, verliert. Dass dies nicht passierte, bedeutet keineswegs die Änderung des Planes. Zu den Befugnissen des neuen Kulturministers, Bartłomiej Sienkiewicz, gehört die Möglichkeit, den ganzen Vorstand  des Polnischen Fernsehen zu suspendieren.

Es scheint zwischen den neuen Machthabern Einigkeit zu herrschen, über die Notwendigkeit der großangelegten „Säuberung“ der öffentlichen Medien. Unsicherheit besteht noch in der Wahl des Weges und Methoden.

Jedenfalls haben das Polnische Fernsehen und das Polnische Radio bereits am Dienstag, den 12.12., informiert, dass das Amt des neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk den beiden Institutionen die Akkreditierung in der Regierungsdelegation zum EU-Gipfel in Brüssel untersagt hat.


Sonntag, 10. Dezember 2023

Durch Feuer zur Freiheit – (nicht nur) tschechische Geschichten

 Jan Hus hatte einen Traum, den Martin Luther später zu Ende träumen durfte. In diesem Traum sehnte er sich nach der Rückkehr zu wahren Fundamenten des Glaubens. Er wagte es, die in seinen Augen sündige Kirche zu kritisieren. Außerdem predigte er auf Tschechisch. Das tat er hier, in der Bethlehemskapelle in Prag:



Die Antwort des Papstes auf derartige Reformträumereien war unmissverständlich: ein Kirchenbann in 1410. 

Dennoch entschied sich Jan Hus später die Einladung zum Konstanzer Konzil "unter Zusicherung von freiem Geleit" anzunehmen. Das Ende der Geschichte war vorprogrammiert. Die Kardinäle haben ihn in Konstanz verhaftet und der Ketzerei angeklagt. Da Hus sich weigerte, seine Lehren zu widerrufen, wurde er zum Tode verurteilt. Sein Traum brannte mit ihm im Feuer aus. Er starb am 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen.

Der Tag seiner Hinrichtung ist heute ein Nationalfeiertag in Tschechien. 

Tod des Frühlings


Den Traum von Freiheit träumen Menschen immer wieder aufs Neue. Über 500 Jahre später wagten Tschechen, im Warschauer Pakt unter russischer Herrschaft gefangen, mehr Demokratie: das Parlament wurde gestärkt, Opfer des Stalinismus rehabilitiert und endlich führte man öffentliche und offene Debatten. 

Prager Frühling dauerte bis zum 21. August 1968. An diesem Tag marschierten die Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein: 100.000 Soldaten, 2300 Panzer und 700 Flugzeuge. Gegen diese Okkupation protestierte in Prag am 16. Januar 1969 ein 20-jähriger Student, dessen Name um die Welt ging: Jan Palach. Er übergoss sich mit Benzin und zündete sich an.

Ein Denkmal erinnert an ihn:



Gegenüber dem Mahnmal sieht man einen Abguss der Totenmaske von Jan Palach:



In der Nähe hat er studiert:



Protest eines gewöhnlichen Mannes


Ob Jan Palach von Ryszard Siwiec und seiner Selbstverbrennung aus Protest gegen die Intervention in der Tschechoslowakei gewusst hat, ist nicht bekannt. Denn dieser Fall wurde zuerst totgeschwiegen. Obwohl theoretisch unzählige Zeugen zugegen waren. Siwiec tat es während eines Erntedankfestes in Warschau am 8. September 1968, also kurz nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei. Das Fest fand wie jedes Jahr in der Volksrepublik Polen in großem Stil und mit kommunistischen Machthabern auf der Tribüne statt.

Sofort verbreitete man aber eine Version über die Tat eines verrückten Säufers. Die Erinnerungen an Ryszard Siwiec erwachten nach dem Ende des Ostblocks. Sowohl Tschechien als auch Slowakei verliehen Ryszard Siwiec posthum ihre höchsten staatlichen Auszeichnungen.