Freitag, 28. Juli 2023

The Stick Men von George Grosz stiefeln bis Ende Oktober in Dem Kleinen Grosz Museum in Berlin

 Stickmen (Stockmänner) scheinen alles verloren zu haben, sogar ihre persönlichen Eigenschaften. Es geht außerdem nicht wirklich um sie, denn nicht sie sind das Problem, könnte man sagen. Sie führen uns aber die echten Herausforderungen vor; wir sehen die Welt mit ihren Augen.

Marching Stickmen, ca. 1948

Grosz schuf die Stickmen-Serie in den USA, wo er seit 1933 lebte. Er verließ Deutschland mit seiner Frau und zwei Kindern „knapp drei Wochen bevor die Nationalsozialisten, nach der Machtübernahme Ende Januar 1933, sein Atelier und seine Wohnung stürmen“. George Grosz stand ganz oben auf der Liste von Gegnern der Nazis

„Dass ich da lebend davongekommen wäre, darf ich wohl bezweifeln. Ich beantragte sofort meine „ersten Papiere“ als Einwanderer in die Vereinigten Staaten.“

Stickman Saluting, 1949

Stickmen in Disguise, 1949

Disturbed While Eating, 1947

Stickmen Meeting Members of the Bourgeoisie, 1946

Wie hätte Grosz die Gegenwart wahrgenommen? Seine Sichtweise wäre gewiss schonungslos. George Grosz (eigentlich Georg Ehrenfried Groß) konnte nicht anders. Er schien als scharfsinniger Kritiker geboren zu sein. 

So beschreibt er die Weimarer Republik:

„Aber auch wie ein brodelnder Kessel war die Hauptstadt unserer neuen deutschen Republik. Wer den Kessel heizte, sah man nicht. Man sah ihn nur lustig brodeln und fühlte die immer stärker werdende Hitze. An allen Ecken standen Redner. Überall wurde gehasst: die Juden, die Kapitalisten, die Junker, die Kommunisten, das Militär, die Hausbesitzer, die Arbeiter, die Arbeitslosen, die schwarze Reichswehr, die Kontrollkommission, die Politiker, die Warenhäuser und nochmals die Juden. Es war eine Orgie der Verhetzung und die Republik war schwach, kaum wahrnehmbar. Das musste mit einem furchtbaren Krach enden.“
Da hatte er recht: So endete es auch.

Garantievorschlag des Reichsverbandes
der Deutschen Industrie, 1923

Das Argument/Streit, 1922

Lieb Vaterland, magst ruhig sein, 1922

Übrigens, Grosz ist ein polnisches Wort und bedeutet auf Deutsch Groschen.

Contrast: Two Figures, ca. 1950



George Grosz: The Stick Men, Das Kleine Grosz Museum in Berlin.

Dienstag, 11. Juli 2023

Karlovy Vary (Karlsbad) Teil 3B: Das Wasser sei eine gefährliche Plörre?

 Während so viele seit Jahrhunderten an die Heilkraft fest glaubten, warnten einige vor den Quellen, wie es aus dem in 1876 erschienenen Text von Dr. med. Eduard Hlawacek hervorgeht.

„Die Furcht vor Karlsbad ist hier und da so arg, daß man es für gerathen hält, sein Testament zu machen, bevor man die Reise in dieses höchst gefährliche Bad antritt.“

Wesentlich später ereigneten sich hier tatsächlich gefährliche Szenen, allerdings nur gespielt: James Bond persönlich kämpfte erbittert mit dem Bösewicht Le Chiffre. Das Kaiserkurbad (Lázně I) diente dabei in der Rolle des Casinos Royale als Kulisse: 





Von den Quellen geht dagegen keine Gefahr aus, im Gegenteil. Doktor Hlawacek lieferte dafür vor fast 150 Jahren wissenschaftliche Argumente:

„Welcher der in der Analyse aufgezählten chemischen Bestandtheile ist denn beim Einzelgenuß etwa gefährlich? Ist es das schwefelsaure Natron (Glaubersalz), das in größter Menge vorhanden? Ist es das kohlensaure Natron, welches der Menge nach die zweite Stelle einnimmt und bekanntlich den Hauptbestandtheil der Brausepulver bildet? Oder ist es etwa das Kochsalz, der der Menge nach dritte Bestandtheil? Oder der kohlensaure Kalk und die kohlensaure Magnesia, welche wir täglich mit jedem Trinkwasser in vielleicht ebenso großer Menge genießen? Oder einer der in nur äußerst geringen Mengen vorhandenen übrigen mineralischen Bestandtheile, als da sind: das Eisen, die Kieselerde, Thonerde, Strontian, Mangan? Oder endlich einer der in fast homöopathischer Verdünnung vorhandenen Stoffe, wie Iod, Brom, Lithion, Borsäure, Rubidium und Cäsium? Oder ist es etwa das darin vorhandene kohlensaure Gas, das uns im Champagner und den Sodawässern so trefflich mundet?“


Ich kann die obige Wertschätzung bestätigen: das Mineralwasser aus den Karlsbader Quellen hat mir „trefflich gemundet“. Zwar nicht ganz wie Champagner, aber fast.

Von den Qualitäten dieses Orts ist auch UNESCO überzeugt. 2021 wurde Karlsbad in die Welterbeliste der „Bedeutenden Kurstädte Europas“ aufgenommen.







Vorausgehend:

    Teil 1

    Teil 2

Sonntag, 9. Juli 2023

Karlovy Vary (Karlsbad) Teil 3A: Die Suche nach dem Wasser des Lebens

 Wer das Märchen der Gebrüder Grimm „Das Wasser des Lebens“ gelesen hat, weiß Bescheid, welche Wunder es bewirken kann: man trinkt davon und sofort wird man gesund.


Sprudelt das Lebenswasser aus den Karlsbader Quellen? Ein wenig will man daran glauben. Sonst hätten nicht so viele den Wundertrunk genossen. Obwohl sich das Genießen dabei in Grenzen hält. Ich weiß, wovon ich rede. Denn ich habe davon ordentlich getrunken, flanierend von einer Kolonnade zur anderen:

Gartenkolonnade, entstanden 1880 - 1881



30° C


47,4° C 



Mühlbrunnenkolonnade, die größte Karlsbader Kolonnade, 
entstanden in den Jahren 1871 - 1881, 
hat fünf Mineralquellen: 



62° C


65° C


Marktkolonnade, entstanden 1882 – 1883, 
hier sprudeln drei Mineralquellen


61° C


55° C


Quelle Karl IV., 65,8° C



Welche Wirkung das Mineralwasser auf mich entfacht hat, wird sich noch zeigen. Vom Gefühl her kann mir jetzt niemand etwas anhaben.



Vorausgehend:

    Teil 1

    Teil 2


Nachfolgend:

Donnerstag, 6. Juli 2023

Karlovy Vary (Karlsbad) Teil 2: Goethe, Chopin und ein Geist

 Bereits der Namensgeber des Kurorts, Karl IV., entdeckte der Legende nach, die heilende Kraft hiesiger Quellen, indem er seine bei der Jagd verletzte Hand hineinsteckte und sich über eine schnelle Heilung wunderte. 


Viele glaubten und glauben auch heute an die heilende Wirkung diesen laufarmen bis heißen Quellen. Aus 2500m Tiefe bringt das Mineralwasser eine ganze Fülle der Elemente des Periodensystems an die Oberfläche. Daher kamen hierher zahlreich mehr oder weniger Kranke auf der Suche nach Gesundheit.

Zu den Gästen zählten unter anderem Maria Theresia, August der Starke, Peter der Große, Casanova, Sigmund Freud, Richard Wagner, Ludwig van Beethoven ...

Friedrich Schiller (selbst Arzt) erschien in 1791 todkrank und nachdem er 18 Becher Heilwasser am Tag getrunken hat, lebte er lange und glücklich ... ähm genaugenommen weitere 14 Jahre. 

Ein Denkmal, enthüllt in 1909, erinnert an seinen Aufenthalt. Projektiert hat es Wiener Architekt Friedrich Ohmann. Das Marmorrelief des Dichters gestaltete Karlsbader Bildhauer Max Hiller.



Johann Wolfgang von Goethe eilte nach Karlsbad zwischen 1785 und 1820 sogar zwölfmal. 

Goethes Denkmal schuf Adolf Donndorf aus Stuttgart. Es wurde feierlich 1883 eingeweiht.



Fryderyk Chopin, der aus dem von Russen besetzten Teil des Polens flüchten musste, besuchte Karlsbad 1835 und traf hier seine Eltern. Er übernachtete angeblich im Hotel Pupp.






Tomáš Garrigue Masaryk, Mitbegründer und erster Staatspräsident der Tschechoslowakei, hielt sich achtmal in Karlsbad zwischen 1923 und 1933 auf. 

Sein Denkmal kreierte Karlsbader Bildhauer Jan Kotek,


Zurzeit verweilt hier Der Geist von Richard Harris.



Vorausgehend:

    Teil 1

Nachfolgend:

    Teil 3A

    Teil 3B

Sonntag, 2. Juli 2023

Karlovy Vary (Karlsbad) Teil 1: Spannung, ein Hauch von Hollywood und zwei Konzerte draußen und umsonst

 In der Steigerung der Spannung war Alfred Hitchcock der Meister. Die Organisatoren der Eröffnung des 57. Filmfestivals in Karlovy Vary haben aber auch dafür gesorgt.


Die Stars wurden bis zum roten Teppich von Autos mit dunklen Scheiben hingebracht. 




Es folgte der unausweichliche Roter-Teppich-Parkour: 



Das Wetter erzeugte zusätzliche Spannung. Nach einem schwülen und absolut trockenen Vormittag, kam der Umschwung. Mal schüttete es wie aus Eimer, mal nieselte es lediglich und ab und zu hörte der Regen ganz auf.



Dazwischen prüfte man vom Schirm geschützt per Hand, ob es noch regnet.

Der letzte Star ließ auf sich warten:


Dazu wurde er noch krimimäßig von der Polizei begleitet:


Jetzt war er da: Russell Crowe mit seiner Partnerin.




Auf den Leinwänden konnte man die ganze Eröffnungszeremonie verfolgen. Sie ist bereits auf YouTube zu sehen.

Russell Crowe wurde mit einem Kristallglobe geehrt "für einen außergewöhnlichen künstlerischen Beitrag zur Welt-Kinematografie".

Im Anschluss trat draußen eine interessante britische Band Morcheeba auf.


Der Start des zweiten Konzerts (22:45) verzögerte sich ein wenig, was die Spannung erneut erhöhte. Der Abend hat sich abgekühlt, aber Russell Crowe rockte ihn heiß. In seinem Programm fanden sich einige Coverversionen wie „Take This Waltz“ von Leonard Cohen, „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash und "Romeo & Juliet" von Dire Straits.

Vor der Treppe zur Bühne

... und los geht's



Zwischen den Songs backstage

Papa und Sohn Charlie

Gladiators Frage "Are you not entertained?" hätte das Publikum mit "Doch, absolut!" beantwortet. Das Menschenmeer klatschte inbrünstig und sicherte sich eine Zugabe.

Hier in Karlovy Vary erklärte Russell Crowe seine  Indoor-Garden-Party-Tour, die in Brisbane in Australien begann, für beendet.

Dennoch  .. the show must go on.

Nachfolgend:

    Teil 2

    Teil 3A

    Teil 3B