Mittwoch, 14. Oktober 2020

Klarname und/oder Pseudonym

 Auf Social Media sind viele Maskierte unterwegs. Damit meine ich keineswegs den Mund-Nasen-Schutz, sondern alle die Deck-, Tarnnamen und Pseudonyme. Dann und wann entbrennt Kritik um das Versteckspiel. Ich beteilige mich nicht daran. Aus persönlichen Gründen.

                                                       Presseausweis für mich als Marta Sanecka

Marta Sanecka

Ich wollte mich doch von Anfang an verstecken und tat dies auch unter dem Pseudonym Marta Sanecka. Die Redaktion in Polen machte mit und stellte mir sogar einen entsprechenden Presseausweis. Alle meine journalistischen Texte erschienen folglich unter diesem Decknamen.

                                              Eine kleine Auswahl von Artikel unter dem Pseudonym Marta Sanecka

Lydia Sanojar

In Deutschland - neues Land, neues Pseudonym - suchte ich mir den Namen Lydia Sanojar aus und erstellte als solche meine Homepage (diese Homepage existiert nicht mehr). Später schrieb ich als Lydia Sanojar ein Märchen. Gar nicht schlecht. Das ist kein Selbstlob: die fabelhaften Figuren kamen zu mir und nicht umgekehrt ;)




Wenn es nach mir ginge, wäre ich "schriftlich" bis heute nur als Lydia Sanojar existieren. Das Autorennetzwerk suite101.de, für das ich anfing Texte zu verfassen, erlaubte aber zuerst keine Versteckspiele und verlangte Klarnamen (das änderte sich später). Klar, dass ich gezwungenermaßen mitmachte und mit meiner bürgerlichen echten Version signierte. Von meiner Lydia-Sanojar-Homepage wollte ich mich dennoch nicht trennen. Sie blieb vorerst also.

 Ich


Danach dachte ich mir nochmals ein Pseudonym aus. Ein ziemlich komisch klingendes: Gabi Scheren. Obwohl der Anlass überhaupt nicht komisch war: nach einem Zusammenbruch versuchte ich mich frei zu schreiben. Was bedeutet aber frei zu sein? Authentisch zu sein? Ich wiederholte also meine Geschichte unter meinem eigenen bürgerlichen Namen.


Man könnte sagen: Ich kam zu mir ;)



Sonntag, 16. August 2020

Coronavirus und neue Kleider

Anfang dieses Jahres schmunzelten wir noch über das exotische Virus. Kurz danach erklärten uns die auf einmal angebeteten Virologen, dass wir – Normalos - Masken nicht brauchen.

Tja, seitdem hat sich viel verändert.

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Zurück in die Kindheit

Das Coronavirus scheint uns in die Kindeszeit zurückzuwerfen: Auf einmal fühlen wir uns schwach und klein. Wir fürchten wieder das Ungeheuer und sehnen uns nach einer starken Hand, die uns durch die Dunkelheit leitet.  Oder nach einem Märchen, das uns die Welt erklärt. Das taten doch die klugen alten Fabeln, die man manchmal als gruselig verunglimpft. 

Er ist nackt!

Das Coronavirus hat einiges entblößt, was wir uns zuvor nicht anschauen wollten. Ein wenig wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen. Ja, der Kaiser ist nackt; das Vorhandensein seiner imaginären Kleider redeten wir uns lediglich ein. 

Die Welt um uns herum zeigt sich plötzlich nicht nur Natur-, sondern durchaus Menschenfeindlich. Daher wollen wir aufs Neue definieren, was wesentlich und was unwichtig ist. Wenigstens solange die Angst unseren Alltag beherrscht. 

Viele Wege führen …

Soeben mutieren wir zu Hobby-Philosophen und sinnieren darüber, wohin uns der Weg führt. Vorsichtig stellen wir unsere Heiligtümer infrage, wie zum Beispiel das heilige ewige Wachstum. Wenn wir die ganze Gesellschaft endlich ins Auge fassen, kann und darf dieses Heiligtum nicht bestehen: immer mehr zu produzieren, ohne Rücksicht auf die Natur, ohne Rücksicht auf menschliches Leid und Verderben.

Redlichkeit ist gleich Dummheit?

In der Coronakrise entdeckten wir die außerordentliche Bedeutung der Redlichkeit. Ein redlicher Mensch ist „rechtschaffen, aufrichtig, ehrlich und verlässlich“ (Duden). Das sind Eigenschaften, die in der vom Wachstum beherrschten Realität nicht hoch im Kurs stehen. In der Krise dagegen - umso mehr. Wir müssen uns doch in der Not gegenseitig vertrauen und auf uns verlassen können. 

Zum Glück gibt es genug Gutmenschen – belächelten, bemitleideten und meist ausgenutzten. Wir klatschen für sie gerne; solange wir noch vor Angst zittern und speisen sie mit diesem oberflächlichen Beifall ab. „Redlich“ in den normalen Zeiten dient eher als Synonym für dumm. Anders als in den guten alten Märchen: dort haben sie am Ende gewonnen.

Wir leben aber nicht in einem Märchen. Leider.


Sonntag, 8. März 2020

Lippenbekenntnisse – muss das wirklich sein?

Unter „Lippenbekenntnis“ verstehen wir  laut Duden „jemandes Bekenntnis zu etwas, das sich nur in Worten, nicht aber in Taten äußert.“ Dieses Phänomen ist alles andere als selten. Wir sprechen hier über einen ganzen Ozean im politischen und gesellschaftlichen Leben. Lippenbekenntnisse sind allgegenwärtig. In diesen Sekunden gehen bestimmt die nächsten über die Bühne und mir mächtig auf die Nerven.

Ich verlange mitnichten, dass sich Politiker nicht mehr zu wichtigen Themen und Ereignissen äußern– darunter zu solch schrecklichen wie der Terroranschlag in Hanau. Ich fordere jedoch, dass den Worten die Taten folgen. Es ist doch nicht zu viel verlangt, oder?

Wenn der Staat selbst diskriminiert, 
sind die hier abgebildeten Forderungen nur bloße Lippenbekenntnisse. 

Viertel- und Halbwahrheiten


Offensichtlich sind das aber ziemlich unrealistische Wünsche der Naiven, die immer noch an Märchen glauben. Auf die Lippenbekenntnisse zu verzichten bedeutet doch nichts anderes als sich zur Wahrheit zu bekennen. Also: Hand aufs Herz und raus mit der Sprache, sagt, was Ihr wirklich denkt! Hose runter, und keine dummen Spielchen mehr.

Hätten wir aber die ganze Wahrheit tagein, tagaus überhaupt ertragen können? Brauchen wir eine derartige brutale Offenheit? Ist es nicht angenehmer und sicherer mit Viertel- und Halbwahrheiten zu hantieren? Oder direkt gefragt: Kann man ohne Lügen leben und noch wichtiger – überleben? Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd. Daran hat sich nichts geändert. Daher behaupte ich, dass wir keine Wahrheit wollen.  Sie ist nicht unsere Freundin. Wieso? Weil  das Unbekannte uns Angst einjagt?  Nein, wir ahnen die Wahrheit, wir spüren sie. Aber wir fürchten sie. Sie hätte uns gezwungen, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen.

Unser Lippenbekenntnis zur Wahrheit ist also eine der größten Selbstlügen. Wir alle sind Lügner.

Verantwortung – eine umgekehrte Pyramide 


Dennoch gibt es für mich einen gewaltigen Unterschied zwischen den kleinen Not- und Alltagslügen, die ich als ein Feigenblatt oder einen Schutzmantel mit ruhigem Gewissen rechtfertigen kann, und den Lügen in den wesentlichen, entscheidenden Dingen des Lebens. Besonders, wenn sich derartige Lügen auf die anderen Menschen auswirken. Wenn diese Lügen das Leben der anderen ruinieren und zerstören. Natürlich hängt jene vernichtende Wirkung von der Position ab. Je höher jemand in der Hierarchie klettert, desto größer seine Möglichkeiten. Und die Verantwortung. 

Die Machthaber tragen in dieser Hinsicht also die größte Verantwortung. Meine Pyramide steht demnach auf dem Kopf. Die Spitze = ganz wenig Verantwortung fürs gesellschaftliche Wirken -, befindet sich unten.

So billig kommt Ihr mir nicht davon!


Liebe Mächtige (=jene an der Macht), ich glaube Euch nicht, wenn Ihr Euch zu Menschenrechten bekennt, aber alltägliche Diskriminierung und Rassismus nicht nur zulässt, sondern auch befeuert und verschiedene Gruppen gegeneinander ausspielt. Ich glaube Euch nicht, wenn Ihr über Gleichberechtigung faselt, aber Menschen hierzulande sortiert in erste, zweite, dritte Klasse und auch so behandelt. 

Ihr gebt diesem Staat das Gesicht, das zu oft zu einer falschen Maske verkümmert. Ihr gebt viel zu vielen Menschen das Gefühl, dass die Gerechtigkeit nur jenseits, aber nicht diesseits möglich ist. Ihr missbraucht Eure Macht gegenüber denen, die sich kaum wehren können. Die Verachtung der Schwachen kommt von oben! Der Staat knickt andauernd vor Reichen und Mächtigen ein, aber trickst und nutzt die Ohnmächtigen aus. Wie ein gewissenloser Ganove. Ihr, die Mächtigen, spaltet die Gesellschaft auf die Nützlichen und Nutzlosen (so behandelt man z. B. die Hartz-IV-Empfänger und ihre Kinder), auf die Privilegierten und Nichtprivilegierten in der Zwei-Klassen-Medizin, auf die, die immer Recht haben, und die, die finanziell nicht in der Lage sind, ihr Recht vor Gericht zu erstreiten. 

Der Staat treibt somit die Verzweifelten in die Arme der Nazipartei, zu der sich die AfD entwickelt hat.  Die verwirrten Wähler merken zum Teil nicht, dass sie versuchen, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben.