Sonntag, 21. Juni 2015

Wie geht es weiter mit Griechenland? Europa hält den Atem an

Vor dem Sondergipfel in Brüssel am kommenden Montag wächst die Spannung. Wie in einem guten Thriller scheint noch alles möglich zu sein. Dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt, ist genauso wahrscheinlich wie der gefürchtete - oder von einigen ersehnte - Grexit. Wieso ist Griechenland so wichtig für die Europäische Union?



Was ist die Europäische Union?


Die kürzeste Antwort auf die obige Frage lautet: Die Europäische Union ist eine wirtschaftliche und politische Verbindung von 28 Staaten. Davon haben 19 Länder die gemeinsame Währung – den Euro. Die Wirtschaft steht hier an der ersten Stelle und tatsächlich entscheidet sie über andere Bereiche. Dennoch genauso wichtig ist eine politische Union - eine gemeinsame politische Ausrichtung also. In den letzten Jahren nahm sie unter einem wesentlichen Einfluss von Deutschland einen konservativ-liberalen Charakter an, mit allen damit verbundenen Folgen. Dazu zählt das Erwachen von Nationalismen ebenso wie die Erstarkung von den Rechtsradikalen. Diese Politik kennt anscheinend einen einzigen Weg, die Schulden abzubauen und die Haushalte zu sanieren: sparen (Austeritätspolitik) und Ausgaben im Sozialbereich kürzen. Das Ergebnis lässt sich lapidar zusammenfassen in der Feststellung: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.

Die Griechenland-Frage


Dem Diktat am falschen Ende zu sparen und den Sozialstaat abzubauen unterwarfen sich bis jetzt alle Mitgliedstaaten. Dann kam die neue griechische Regierung, die diesen  Irrsinn nicht einfach hinnehmen wollte und sich dagegen auflehnte, dass man die Armen weiter schröpft. Die Wächter über die altmodisch miefende Politik  fühlten sich dadurch persönlich beleidigt und reagierten auch persönlich. Unvergessen bleiben Attacken von Wolfgang Schäuble auf Yanis Varoufakis, den griechischen Finanzminister. Es ist ein unerhörtes Beispiel von Arroganz der absoluten Macht, indem die von den griechischen Bürgern gewählten Vertreter von dem deutschen Minister gemaßregelt wie im Kindergarten wurden. 

Das Schicksal von Griechenland ist für die ganze EU von entscheidender Bedeutung. Es geht um die Frage, wohin die Reise führt. Müssen wir uns demnächst auf die unmenschlichen Zeiten vorbereiten, wo die Rentner mit minimalen kaum ausreichenden Beträgen auskommen müssen und die Arbeitslosen gar keine Hilfe bekommen? Sollen wir widerstandslos der Entwicklung zustimmen, die die Massen von Bürgern von den politischen Entscheidungen ausschließt? Müssen wir wirklich die Diktatur der mittelmäßigen Politiker bar jeder Idee erdulden?   

Schützenhilfe aus England


Aus England kommt ein starkes Signal gegen die von den Konservativ-Liberalen verordnete gesellschaftliche Talfahrt. Die Londoner Straßen (aber auch in Glasgow und Liverpool) fühlten sich am Samstag, den 20.06.15, mit Massen von Menschen - 250.000 zählten die Organisatoren -, die gegen die törichte und einfältige Sparpolitik protestierten. Es sei erst der Anfang, verkündeten die Demonstranten. 

Die Austeritätspolitik ist eine Sackgasse und keineswegs alternativlos. Wir sollen den Griechen besser zuhören. Gut möglich, dass sie unsere Rettung sind und uns vor einem fatalen Irrtum bewahren. Eine Gesellschaft besteht nicht nur aus den wenigen oberen Prozenten. Wir alle gehören dazu und haben das Recht auf würdiges Leben.



Donnerstag, 11. Juni 2015

Recht oder Bauch

Demokratie bedeutet die Herrschaft des Volkes: Die Mehrheit bestimmt, wer im Lande regiert. So weit, so gut. Darf aber diese Mehrheit einer Minderheit die geltenden Rechte verwehren? Wie zum Beispiel ein Recht auf Eheschließung? Das ist die Frage.





Das christliche Menschenbild als Basis?


Die Gegner der sogenannten Ehe für alle berufen sich hierzulande auf das christliche Menschenbild. Es ist ein ziemlich dehnbarer Begriff. Was da alles reinpasst! Alle Sünder mit ihren schlimmen Sünden zum Beispiel. Sie sind dabei, nicht wahr? Eine Frau, die sich aber von der traditionellen Rolle loslöst, gehört dorthin nicht wirklich. Die Position der Frau hat sich in der Gesellschaft am meisten verwandelt. Daher müssen wir das christliche Menschenbild dahingehend korrigieren. Die meisten von uns haben es längst getan. 

Jetzt ist an der Zeit, den mutigen mehrheitlich katholischen Iren zu folgen und das christliche Selbstverständnis zu erweitern. Diese  Aufgabe wäre besonders für Menschen wie der CSU-Politiker Thomas Goppel wichtig. Für ihn stellt das christliche Menschenbild die Basis des Grundgesetzes dar. Das stimmt aber nicht. Im Artikel 1 Abs. 2 GG lesen wir:

„Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen
und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage
jeder menschlichen Gemeinschaft des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“

Das Grundgesetz beruft sich also auf die Menschenrechte als die Basis und jene sind von der Religion unabhängig. Sie stehen über jede Religion. Auch die christliche. Vor allem, wenn eine Religion diese Rechte missachtet. Die katholische Kirche tut sich beispielsweise nach wie vor schwer mit der Gleichberechtigung der Frau und man kann sagen, dass sie in dieser Hinsicht nicht verfassungskonform ist.

Was ist eine richtige Ehe?


Soll man die Richtigkeit einer Ehe an dem Ziel der Zeugung von Kindern festmachen? In diesem Fall bekämen wir auf einen Schlag unzählige ungültige Ehen, die das Ziel, aus welchem Grund auch immer, verfehlt haben. Dazu gehört auch unsere Kanzlerin, die bekanntlich keine Kinder geboren hat. Und ausgerechnet sie spricht den Homosexuellen ihr Recht auf die Ehe ab. Der Grund dafür scheint sehr wichtig zu sein – es ist das Bauchgefühl der Kanzlerin, das sie zu dieser Stellungnahme animiert. Wie kann man dagegen argumentieren? Dass mein Bauchgefühl mir sagt, dies sei ein völliger Blödsinn, der mit Recht und Gerechtigkeit nichts zu tun hat?

Normal oder nicht?


In der Debatte über die gleichgeschlechtliche Ehe geht es aber eigentlich um die Frage, ob die Homosexualität als normal oder nicht verstanden wird. „Sie gehört zur Gesellschaft“, lautet die Antwort von Herrn Goppel, normal ist sie für ihn nicht. Seine Erwiderung veranschaulicht sehr gut die moderne Art der Herabwürdigung und Diskriminierung: Wir lassen euch doch leben, seid dankbar, aber kommt bloß nicht auf die Idee, gleiche Rechte zu verlangen. 

Derartige Äußerung  entblößt  eine Weltanschauung, die sich an der Diktatur der Mehrheit stützt. Aus der Prämisse, dass die Mehrheit in Hetero-Beziehungen lebt, schlussfolgert man die Pflicht der Minderheiten, dieser Norm sich anzupassen. 

Handelt es sich hier jedoch wirklich um eine Norm, der die Mehrheit befolgt? Dem widerspricht die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Die Mehrheit der Familienmodelle sieht anders aus: Kinder wachsen inzwischen in Familien, wo "Partner nicht miteinander verheiratet sind, oder Kinder aus einer anderen Ehe mitbringen, oder Kinder außerehelich gezeugt werden, was auch unter prominenten Politikern und Künstlern vorkommen soll."

Eben, die Gesellschaft ist bunt, manche Politiker aber – farbenblind. 

Montag, 1. Juni 2015

Ein gebissener Hund und Medien mit einem Maulkorb

Wenn man einer Anzeige der Axel-Springer-Akademie Glauben schenken will, beschränkt sich der Journalismus auf folgende Aufgaben: "Prominente treffen, Politiker interviewen, aus dem Ausland berichten." Demnach spiegelt ein Journalist in seinen Texten lediglich ein verzerrtes, einseitiges Bild der Wirklichkeit wider. Journalismus als Spiegel? Ein sehr kleiner dazu, in dem sich nur das Schrille oder Mächtige abbildet?


                                                                     Fot. Marlies Schwarzin  / pixelio.de

Hund und Medien


Eine aus dem 19. Jahrhundert stammende Regel definiert pointiert das Arbeitsfeld der Medien. Eine Nachricht besteht hiernach nicht aus der Information, dass ein Hund einen Mann beißt, sondern umgekehrt: man bites dog. Auch heute jagen Journalisten nach ungewöhnlichen Ereignissen, Affären und Skandalen. Mitnichten betrifft dies nur die Boulevardblätter. Überhaupt sind die Grenzen zwischen den sogenannten seriösen und den sensationsgierigen Medien längst kaum wahrnehmbar. Einer der Gründe dafür ist der Siegeszug des Internets.

Wir alle sind Journalisten


Jede und jeder kann schreiben. Das Internet bietet uns allen eine Plattform für unbegrenzte Ergüsse. Die Einstellung „Ich kann das doch selber“ zieht nach sich zahlreiche Konsequenzen. Die Journalisten wurden vom Podest auf den Boden zurückgeholt. Das Publikum klopft ihnen auf die Finger und kritisiert andauernd, ob mit Recht oder Unrecht.  

Ein Journalist zu werden ist nicht schwer, ein Journalist zu sein dagegen sehr – so kann man den berühmten Aphorismus von Wilhelm Busch paraphrasieren, um die gegenwärtige Lage zu beschreiben. Die Position eines unabhängigen Journalisten – was theoretisch jeden Vertreter dieser Zunft auszeichnen soll - ist schwach. Nicht ausschließlich wegen der gewaltigen Konkurrenz. Er soll sich sowohl gegen seine der Natur der Sache nach vorsichtigeren Vorgesetzten durchsetzen, wie auch auf dem verminten politischen Feld behaupten: eine Zerreißprobe zwischen wohlwollender Kontaktpflege und einem Abstand, der die Objektivität bewahren lässt.   

Mächtig kommt von Macht


Dennoch sind Medien mächtiger als je zuvor. Obwohl nicht als die Vierte Gewalt, deren Sinn und Berechtigung in der Demokratie aus der Kontrolle der anderen Gewalten besteht. Hierfür hätten die Medien eine größere Distanz zu den Machthabern halten müssen. Sie sind aber ein Teil des Machtsystems geworden. Weil sie es nicht bei der bloßen Berichterstattung belassen und als Akteure im politischen Theater mitmischen und agieren. Auf dem höchsten Niveau beobachtet man zum Beispiel die Verflechtungen des Springer-Konzerns und der Kanzlerin Merkel.

Einerseits dringen Medien in die Machtstrukturen ein, anderseits lassen sie sich von der Macht korrumpieren. Vergeblich suchen dann die Leser oder Zuschauer nach Berichten oder Analysen, die der Wirklichkeit entsprechen. Die Medien haben größtenteils die Seite gewechselt und sind zum Sprachrohr der Herrscher geworden. Das sind Verhältnisse, die sonst in den Diktaturen vorkommen. Es bedarf hierzulande keiner gesetzlichen Zensur. Viele setzen sich diesen Maulkorb selbst auf.

„Wer überwacht die Wächter?“


Zu Recht fragt also Claus von Wagner: „Wer überwacht die Wächter?“ und wundert sich gleichzeitig, wie wenig die Medien ihre Möglichkeiten nutzen. Wo sie dermaßen versagen, muss ihre Aufgaben die Satire übernehmen, unterstützt sowohl von den einzelnen Whistleblowern wie auch von den Sozialen Medien.