Sonntag, 11. Oktober 2015

Mut und Unmut über die neue alte Merkel

Wir lieben Gauner und misstrauen den Heiligen. Der beste Beweis für meine These sind die Einbußen, die Merkel in den letzten Umfragen erlitt.  Sie tut das richtige im christlichen Sinne, sie zeigt endlich Charakter in der Flüchtlingskrise und bezahlt dafür einen politischen Preis. Wie hoch er ist, wird sich bei den nächsten Wahlen zeigen.



„Wir schaffen das“


Ihre riesige Popularität im eigenen Land beruhte bis jetzt auf der allgemeinen Überzeugung, dass sie eine durchschnittliche Person sei, zu den kleinen politischen Schweinereien stets bereit, und immer mit dem Strom schwimme. Anders gesagt, sie war wie wir: keine Heldin, sondern eine Überlebenskünstlerin, wie jede und jeder von uns, die sich im Alltag behaupten müssen. 

Und auf einmal wächst sie über sich hinaus. Auf einmal spricht sie über einzelne Personen mit ihren Einzelschicksalen, die zu uns kommen, und nicht über gleichförmige Massen. Sie wirkt dabei mutig, beinahe heroisch. 

Ihre früheren Fans stellt sie dadurch auf eine harte Probe. Ist das noch die gleiche Person, die ihre begeisterten Anhänger so gut verstanden haben? Was will sie überhaupt von uns, wenn sie uns die deutsche Version von „Yes, we can“ zuruft?

Gegenwind und ein neues Gefühl


Ihr Wandel beschert Merkel zwar neue Sympathisanten, dies sind aber keine überwältigenden Zahlen, über die wir hier sprechen. Außerdem kommt die Unterstützung oft aus der Opposition, was ihr politisch wenig nutzt. Merkel lernt eine neue Erscheinung kennen: den Gegenwind aus den eigenen Reihen. Dadurch kann sie ein kleines bisschen das Gefühl, einer Minderheit zu gehören, nachvollziehen. 

Die Kategorie der Minderheit ist ein sehr dehnbarer Begriff. Da lässt sich vieles reinpacken und auch abkanzeln, als nicht relevant oder sogar entbehrlich. Eine Demokratie schützt theoretisch die Minderheiten, indem sie die Benachteiligung verbietet. In der Praxis haben die Stärken das Recht, egal worum es geht. Die Starken das sind natürlich diejenigen, die den Ton angeben - die Mehrheit also. 

Mitläufer und die Demokratie


Jene Mehrheit besteht nicht unbedingt aus den überzeugten Befürwortern einer Politik. Meist handelt es sich um Mitläufer, die die Vorgänge in der Realität bestimmen. Dies sind Menschen, die sich dem Starken unterordnen und eigene Vorteile daraus erzielen wollen.  Ohne sie hätte keine Diktatur existieren können. Sie scheren sich einen Dreck um die Werte und Moral, dennoch machen sie sich ihre Hände nicht schmutzig. Sie sind keine Verbrecher, aber sie ermöglichen das Verbrechen.  

Darf man jedoch über Mitläufer in einer Demokratie sprechen? Wieso nicht? Sie sind in jedem System vertreten und kleben an den Machthabern wie Scheiße am Schuh. Die neue Merkel verstört diese Sorte von Wählern. Hoffentlich - für sie und für uns -auf Dauer.

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