Die einen vergleichen ihn mit Merkel, die anderen sprechen von seinen Problemen mit der Impulskontrolle (keine neue Erkenntnis). Sie liegen in meinen Augen falsch. Nein, Merz ist keineswegs wie Merkel. Sie stellt den personifizierten Stillstand dar, er zeigt sich als ein Macher. Man könnte sagen, dass Merkel den politischen Friedhof abbildet, Merz – das unberechenbare Leben. Da passen die Probleme mit der Impulskontrolle zu seinem Image wie angegossen.
Screenshot
Übertrieben versus sektenartig
Dass ich alles andere als ein Merkel-Fan bin, lässt sich mühelos bereits nach der flüchtigen Lektüre meines Blogs feststellen. Mein Herz schlägt aber auch nicht für Merz. Es war Olaf Scholz, den ich mich als Kanzler wünschte. Trotzdem sehe ich die Kritik an Merz sehr kritisch. Seine Kritiker, finde ich, sind oft im Unrecht. Und wenn ich sie höre oder lese, muss ich häufig an die alten Tanten aus vergangenen Zeiten denken, die die Jungs rügten, wenn sie herumtollten: „Nicht so laut, nicht so frech, nicht so …“
Nein, ich habe nichts dagegen, wenn Merz seine Meinungen klar und manchmal übertrieben formuliert, auch wenn jene meinen eigenen diametral widersprechen. Denn Merz – anders als Merkel – die Diskussion nicht nur zulässt, sondern auch bewusst anstößt. Merkel würgte dagegen jede Debatte ab, weil sie – was Jan Fleischhauer treffend bemerkte – sektenartigen Gehorsam ihrer Anhänger stets erwartete.
Fragen zwischen Prioritäten und Realität
In den Umfragen kommt Merz nicht gut an. „Warum enttäuscht Ihre Politik?“, fragt den Kanzler Pinar Atalay in ihrem Interview. Merz malt daraufhin den Ernst der Lage:
„Wir haben mit vielen Problemen zu tun. Der Regierungswechsel hat stattgefunden zu einem Zeitpunkt, wo er nicht vorgesehen war. (...) Wir sehen viele Faktoren, die unsere Arbeit stark beeinträchtigen. (...) Die Lage ist schwierig."
Gut erkannt, will man zurufen. Dann nennt Merz einige von wichtigsten Aufgaben: Rückbau der Bürokratie und Digitalisierung. Da kann man nichts dagegen einwenden. Es fehle ihm auch nicht an Selbstreflektion:
„Ich beginne meine Arbeit jeden Tag mit der Frage an mich selbst, setzt du heute die richtigen Prioritäten?“
Es hört sich redlich an. Wieso goutieren Menschen also dies nicht? Weil sie von der Zukunft überfordert sind, oder weil sie keine Vision hinter der aktuellen Politik erkennen? Oder weil sie spüren, dass sich die Entscheider in Klein-Klein verheddern?
Rahmen mit Bedingungen
Politiker an der Macht sollen endlich aufhören, alles regeln zu wollen. Dieser Aufgabe ist nur der liebe Gott gewachsen. Der Rahmen, für den die Regierenden verantwortlich sind, soll nur so viele Bedingungen beinhalten wie nötig und so wenig wie es geht. So ungefähr wie Merz' Bierdeckel-Steuersystem. Das wäre auch ein riesiger Schritt in die Richtung „Abbau der Bürokratie“.
Aber der Bürokratieabbau bedeutet auch die Streichung der Arbeitsplätze. Und an dieser Stelle hakt es gewaltig. Die partikulären Interessen werden nach wie vor mehr gewichtet als die der ganzen Gesellschaft, aber nicht im humanistischen Sinne – das Individuum als Maßstab -, sondern als triviale und rücksichtslose Verteidigung eigener Position.
Ich erkenne keine Vision, die richtungsweisend wäre. Wir wursteln uns weiter durch.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen