Mittwoch, 26. Juli 2017

Ist der Populismus pfui?

Der Begriff „Populismus“ wird pejorativ verstanden und benutzt. Kein Problem? Doch! Angeblich ist ein Drittel der Deutschen populistisch.



Worüber reden wir?


Die obige Erkenntnis stammt aus der Bertelsmann-Studie „Die Stunde der Populisten?“ Ich zitiere daraus auch die Beschreibung dieses Begriffes: 

„Populismus hat drei wesentliche Dimensionen: „Anti-Establishment“, „Anti-Pluralismus“ und „Pro-Volkssouveränität“. 

Ein Populist spricht sich also für die Volkssouveränität aus. Er begreift sich als Souverän. Zu Unrecht? Theoretisch nicht! Ein Souverän „in demokratischen Republiken und in parlamentarisch-demokratischen Monarchien ist regelmäßig das Staatsvolk.“ Ein Populist verlangt demnach lediglich dies, was ihm zusteht. Er nimmt somit nicht nur seine Pflichten, sondern auch seine Rechte wahr. Gut so. In diesem Sinne ist ein Populist durch und durch ein Demokrat. Oh Gott, darf man das überhaupt sagen?

Unantastbare Machtelite?


Wenn wir über Establishment sprechen, meinen wir die Machtelite. Welche Haltung ihr gegenüber wäre angebracht? Anbetung? Gehorsam? Unterwürfigkeit? Gewiss wünschen sich nicht wenige Politiker derartige Einstellung. Besonders scheinen davon diejenigen betroffen zu sein, die schon lange die Macht ausüben. Nicht selten verlieren sie den Bezug zur Realität. Sie heben ab.

Deswegen müsste man von Kindesbeinen den kritischen Blick der „Untertanen“ trainieren. Denn: „Keiner hat das Recht zu gehorchen.“ Dieser Grundsatz von Hannah Arendt setzt sich aber im Alltag schwer durch, egal ob in der Familie, in der Schule oder in der Arbeit. Wir verkümmern innerlich. Angepasst und feige. 

Vor diesem Hintergrund erscheint mir die populistische Anti-Establishment-Haltung durchaus positiv. Dennoch erwarte ich statt Pöbeleien ernsthafte Diskussionen. Allerdings verabscheue ich leere politische Floskeln genauso wie Beschimpfungen. 

Die Dosis macht das Gift


Ein bisschen Populismus schadet nicht, im Gegenteil: es dient sogar der Genesung der Gesellschaft. Die Autoren der Studie betonen den Unterschied zwischen einem radikalen und einem moderaten Populismus, den sie durchaus positiv beurteilen:

"Radikaler Populismus stellt die etablierten Institutionen der liberalen Demokratie in Frage und kann zu einer Gefährdung der Demokratie werden. Moderater Populismus ist ein ständiger Begleiter der Demokratie, kann ihre Responsivität erhöhen und ihr Funktionieren verbessern."

Statt Etiketten


Wie wäre es, wenn  wir uns den wichtigen ungelösten Problemen gewidmet hätten, statt uns gegenseitig verschiedene Etiketten zu verpassen? Welche Probleme wären das? Kinderarmut, Frauenarmut, Altersarmut, Integration, Wohnungsnot,  zerfallende Schulen, bröckelnde Brücken … Soll ich weiter aufzählen?

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