Montag, 17. Juli 2017

Das Sommerinterview mit Merkel: Wenn sich Journalisten nicht trauen zu fragen

Die Kanzlerin Merkel sitzt lächelnd. Die zwei Journalisten lächeln auch. Dann spielt man ein Filmchen ein, in dem man abwechselnd Radprofis und Merkel sieht. Wozu dieses Durcheinander? Sie sei nämlich wie die Sportler, sollten wir glauben. Wir hören auch folgendes: "Die Kanzlerin strampelt sich ab für Griechenland, für Europa, für Deutschland." Ein Beweis dafür? "Keine Woche ohne Gipfel." Wie hält sie das bloß durch, wird‘s allen Ernstes gefragt: "Ist der Doping im Spiel?“ Die Zweifel darf Merkel sofort ausräumen:  „Da bin ich sehr restriktiv.“


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Ist das schon Personenkult oder nur lakaienhafter Servilismus?


Tina Hassel und Rainald Becker stören Merkel nicht bei dem Herunterleiern ihrer Floskeln. Zwar fragt Rainald Becker, ob Europa womöglich in einer schweren Krise steckt, er hakt aber nicht nach und begnügt sich mit der Antwort, dass alles super läuft. Nur die widerspenstigen Griechen sollten endlich gehorchen. Schuldenerlass? Auch wenn der IWF warnt, dass es unrealistisch ist, von Griechenland die Zahlung der Schulden in Höhe von 326 Milliarden Euro oder 180 Prozent des BIP (bis 2060 sogar 280 Prozent des BIP) zu verlangen, sagt Merkel „Nein“: „Erlass der Schulden kann es in einer Währungsunion nicht geben. Das geht nicht.“ 

In diesem Moment hätte ich erwartet, dass die Journalisten die angebliche grundsätzliche Spar-Einstellung von Merkel infrage stellen. Zum einen verdient Deutschland sehr gut mit Hilfen für Griechenland. Zum anderen ist Merkel selbst absolut unglaubwürdig, denn sie wirft das Geld zum Fenster hinaus.  Damit meine ich zum Beispiel die Kosten für die G20. 

Das Interview mieft nach dem hierzulande theoretisch verpönten Personenkult.  

Ein Einwanderungsgesetz? Darüber reden wir nicht


Nach ihrer Meinung über ein Einwanderungsgesetz gefragt, weicht Merkel aus und erzählt lieber über Fachkräfte, die jetzt leichter nach Deutschland kommen können. „Individuell wird immer schwierig bleiben“, verspricht sie beiläufig. Ja, gewiss.  Weil es bleibt, wie gehabt: feudale Beliebigkeit statt gesetzliche Klarheit.

Egal, ob die deutsche Kanzlerin das Wort „Einwanderung“ meidet oder nicht, Deutschland ist jedoch ein Einwanderungsland. Was spricht also dagegen, dass man unmissverständliche Regeln aufstellt? Im Trüben fischen gerne diejenigen, die die Notlage oder einfach die Unerfahrenheit der Ankömmlinge ausnutzen. 

„Schauen Sie“ oder die Selbstwahrnehmung von Merkel


Die wenigen zarten Versuche von Journalisten, kritische Fragen zu stellen, wehrt Merkel mit ihrer üblichen Taktik ab: Schauen Sie, es ist ganz anders. Danach folgt das Eigenlob: „Ich hab immer ganz gute Ergebnisse für Deutschland erreicht.“ Die beiden Interviewer schlucken auch diese Aussage widerstandslos. 

Ein derartiges Gespräch nennt Merkel „Diskussion“. Ich nicht.

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