Montag, 5. Juni 2017

Unsichere Mutter und perfekte Integration

Ok, wir sind selber schuld. Wir kamen hierher freiwillig. Niemand hat uns dazu gezwungen. Wirklich? Nein, das stimmt so nicht. Gezwungen auf irgendeine  Art wurden wir schon. Wir flüchteten vor etwas, auch wenn viele von uns im strikten Sinne des Wortes keine Flüchtlinge sind. Die Gründe, warum wir unsere Heimat verlassen haben, sind so vielfältig wie wir selbst.  Jetzt sind wir da. Das ist ein Problem.



                                                                   Wo wir auf die Welt kommen... Foto: Autorin


Wo wir auf die Welt kommen


Irgendwie passen wir nicht richtig zusammen. Auch der dritten Generation will man die fremde Herkunft immer noch vorhalten. Sinnlos? Auf jeden Fall! Mit dem sogenannten Migrationshintergrund sind die Einheimischen in eine Sackgasse reingeritten. Jetzt sitzen sie dort und wollen nicht raus. Das ist auch ein Problem. 

Reden wir also kurz über die Bedeutung der Herkunft. Da wir verständlicherweise nicht selbst darüber bestimmen, wo wir auf die Welt kommen, lässt sich diese Tatsache wirklich nicht als unser Verdienst bewerten. Darüber entscheidet Zufall, Schicksal oder der liebe Gott und schließlich unsere Eltern, wir dürfen sie keineswegs vergessen. An diesem Punkt beginnen schon Zweifel. Für die alten Römer war nur eins sicher: die Mutter (Mater semper certa est). Kuckuckskinder gab es schon damals und gibt es immer noch. Sind wir uns vielleicht aus diesem Grund näher als die Puristen unter uns wahr haben wollen?

Die Gegenwart rüttelt unterdessen an dem letzten Felsen. Auf die Mutter gibt es heute keine Garantie mehr. Nehmen wir als Beispiel die in Deutschland verbotene Leihmutterschaft. Die gebärende Mutter ist in diesem Fall keine wirkliche..

Unter diesen Umständen gewinnt anscheinend die gleiche Sozialisation an Wichtigkeit. Hm, ist sie in einem Land jedoch wirklich gleich? In den verschiedenen Schichten? Was, wenn wir die gleichen Werte und Ziele, Lektüren, Videos, Musik über Grenzen hinweg verfolgen und verinnerlichen?

Lohnt es sich denn, die Herkunft immer noch dermaßen hervorzuheben? 

„WAS können wir integrieren?“ 


Nach den deutschen Maßstäben war Einstein in Amerika nicht wirklich integriert. Er sprach kein gutes Englisch. Der Nobelpreis und die amerikanische Staatsbürgerschaft hin oder her, den hiesigen Puristen hätte dies nicht gereicht.

Die perfekte Sprache wird in Deutschland stets an der ersten Stelle als Bedingung einer gelungenen Integration genannt. Hierzulande leben eben ausschließlich hervorragende Germanisten, die auf Perfektion bestehen. Keine geringere Forderung als diese stellt man nämlich den Zuwanderern: das Deutsch muss perfekt sein. In diesem Kontext fragt Edmund Stoiber: „Was können wir integrieren?“ Damit meint er uns, Migranten. Vielleicht ist das auch ein gutes Zeichen, wenn er „was“- also ein sachliches Pronomen - verwendet. Sachen schätzt man hier sehr.

Abschlüsse erscheinen gleich nach der Sprache als die zweite Forderung der Integration. Sie sollen natürlich deutsch sein, was bei den Einwanderern doch ein wenig überrascht. Schwamm drüber, man kann sie – ich meine die Abschlüsse auf Deutsch  – nachholen. Oder doch nicht? 


Bevor wir an der Perfektion zwangsläufig scheitern, sollten wir vielleicht ganz unperfekt unsere Fähigkeiten und Talente gemeinsam nutzen, um das Land voran zu bringen.

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