Freitag, 2. Dezember 2016

Zwischen Altruisten und Karrieristen oder das Monopol des Zeugnisses

Normalbürger versus Elite heißt das Thema unserer Tage und der Kolumne von Jakob Augstein. Ihr Titel stößt mir allerdings übel auf: Politiker als Übermensch. Übermensch? Oh Gott, alles, nur nicht das!

Lassen wir jedoch die Begriffe beiseite, die Erwartungen an Politiker sind tatsächlich groß. Geht es aber hier wirklich um die perfekten Biographien, wie Augstein suggeriert? Und wenn ja, wieso?


                                                        Haben wir die Politiker, die wir verdienen? Foto Autorin

Das gnadenlose Spiel


„Es gibt eine Gnadenlosigkeit, wenn es um Politiker geht – schreibt Augstein - die ist demokratiebeschädigend.“ Jene Gnadenlosigkeit sollte besonders die persönlichen Abweichungen von den geltenden Mustern betreffen. Demnach dürfte ein Politiker – nennen wir endlich das Kind beim Namen – keine Schwäche zeigen. Darum geht es doch, nicht wahr? Selbstzweifel, Krisen, Zerrissenheit gefährden nicht nur seine Position, sondern machen ihn auch angreifbar. Daran scheint man zu glauben. Heute wie früher. Daher herrschen klare und harte Regeln des Spiels in der und für die Öffentlichkeit. Politiker spielen uns immer etwas vor. Und wir spielen mit.

Ach so schwerer Job


Dass man Politikern, die über unser Leben entscheiden, auf die Finger klopft, finde ich richtig. Ein Mediziner muss sich mehreren Prüfungen unterziehen, bevor man ihn auf die Menschen loslässt. Wie examiniert man aber einen Politiker/eine Politikerin? Er/sie muss sich durchsetzen. Dafür braucht er oder sie verschiedene Fähigkeiten und ein Umfeld, das ihn trägt und unterstützt. Einzelgänger sind in diesem Geschäft auf verlorenen Posten. Die oben erwähnte Gnadenlosigkeit scheint ein Bestandteil dieses Milieus zu sein. In der politischen Klasse gibt es wenig Platz für Mitleid.  

Niemand wird jedoch dazu gezwungen, ein Politiker zu werden. Weshalb also kämpfen so viele um den ach so schweren Job? Sind sie allesamt Altruisten, die die Welt retten wollen? Oder eher die gnadenlosen Karrieristen? Zwischen diesen zwei Extremen gibt es unzählige Varianten, aber nur diejenigen, die an die Macht kommen, erreichen die Möglichkeit von der weitgehenden Gestaltung der Geschicke und der näheren und weiteren Umgebung.   

Haben wir die Politiker, die wir verdienen? 


„Die sozialen Barrieren werden höher“, konstatiert Jakob Augstein und nennt einige Beispiele, die seine These beweisen sollen. Ohne Abitur – wie im Fall von Martin Schulz – geht es heute gar nichts. Wem verdanken wir aber eine derart uniformierte und bürokratisierte Gegenwart? Wie ist das Monopol des Zeugnisses entstanden? Wie kam es dazu, dass Beamte an verschiedenen Machthebeln so viel Macht über unsere Schicksale erhielten? 

Wieso nehmen wir uns als Gesellschaft keine Zeit, um die Talente unserer Kinder zu erkennen? Warum verurteilen wir so viele zum Leben in Armut? Aus welchem Grund akzeptieren wir zwar wirtschaftliche Krisen, von einem Menschen aber verlangen wir, dass er wie ein Automat funktioniert?

Weder Globalisierung noch Digitalisierung sind dafür schuld, dass wir uns – gleichermaßen Politiker wie Gesellschaft - nicht die Mühe machen, die wertvollsten Ressourcen, die wir haben – uns, Menschen – richtig wahrzunehmen und wertzuschätzen. Stattdessen vernachlässigen und verschleudern wir sie so erschreckend oft als wären sie nur Abfall. 

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