Sonntag, 14. Februar 2016

Wohin geht die Reise? Fragen an die Politiker und an die Gesellschaft

Ein Politiker mit Visionen solle sich umgehend beim Arzt melden, riet scharfsinnig und meines Erachtens gründlich falsch der selige Helmut Schmidt. Ich kann sein Misstrauen zwar nachvollziehen: Wer den Krieg und die Mörder mit großen Plänen, die ihn angezettelt haben, erlebte, der wollte von derartigen Absichten Finger lassen. Eine Vision unterscheidet sich jedoch fundamental vom Größenwahn.


                                                                                                                       Foto: Autorin

Nicht für alle?


Eine Reise muss nicht unbedingt von vornherein ein Ziel haben. Die Politik dagegen schon. Sonst handelt sie nach Lust und Laune, willkürlich. Daher verlange ich von den Politikern Visionen – eine Art Fahrplanes für die Gesellschaft. Für die ganze Gesellschaft und nicht lediglich für eigene Wähler. Derartige Vorstellungen fehlen zurzeit: Es gibt keine Konzepte für die breiten Schichten der Bürger. Stillschweigend akzeptieren diesen Zustand die meisten von uns.  Man kann doch nicht ALLE zufriedenstellen, rufen die Ergebnisorientierten. Meine Antwort lautet: Versuchen müssen wir es trotzdem. 

Politiker und Ärzte


Wieso wird man Politiker? Der Macht wegen? Natürlich, ohne Macht hat man keine Handlungsmöglichkeiten. Dieser Beweggrund reicht jedoch nicht aus. Politiker sind in meinen Augen wie die Ärzte. Sie tragen die größte Verantwortung für das Leben von Menschen. Ihre Entscheidungen – wenn sie schon entscheiden dürfen – wirken sich auf die Schicksale von uns allen aus. Daher müsste man in diesem Fall nicht über einen Beruf, sondern über die Berufung sprechen. Ein Politiker braucht außer einer Vision, den Mut sie durchzusetzen. Als wichtigste Aufgabe von Regierenden sehe ich die Lösung von Problemen. In diesem Punkt gebe ich Christian Lindner von der FDP recht. 

Verschleppte Probleme


Verschleppte Probleme sind wie die verschleppten Krankheiten. Sie werden immer schlimmer, kosmetische Ausbesserungen nutzen dabei herzlich wenig. Zu dieser Sorte von Aufgaben zähle ich unter anderem: die Kluft zwischen Reich und Arm, Regeln fürs Einwandern (das fehlende Einwanderungsgesetz), Zugang zur Bildung, Integration, Hartz IV (oder insgesamt Hartz-Gesetze). 

Grundsätzliche Frage 


Ich knüpfe an den letzten Punkt meiner Liste an: Hartz IV. Es handelt sich hier – meiner Meinung nach - um ein besonders krasses Beispiel von Teilung der Gesellschaft in zwei Klassen: diejenigen, die über sich selbst entscheiden, und die anderen, über die entschieden wird – die Hartz-IV-Empfänger. 

Egal wie man es dreht und wendet, kommt man um eine grundsätzliche Frage nicht herum: Wie kann man den Status eines Hartz-IV-Empfängers mit den Menschenrechten vereinbaren? Meine Antwort lautet: gar nicht. Die Erziehung von erwachsenen Menschen zum Gehorsam finde ich darin besonders widerlich. Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass sich dies auf die ganze Gesellschaft negativ abfärbt. Wir alle lernen dadurch, dass die Würde des Menschen antastbar ist, sobald er nicht als „produktiv“ eingestuft wird. Eine fatale Lehre, die zu verschiedenen Fehlentwicklungen und Auswüchsen führt. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen