Freitag, 19. Februar 2016

Wann reden wir endlich Tacheles über Hartz IV?

Zwischen 1960 und 2014 haben sich die Sozialleistungen prozentual beinahe verdoppelt: von 18,3 % auf 29,2 % (vom Bruttoinlandsprodukt). In absoluten Zahlen sieht es viel schlimmer aus: Die Ausgaben stiegen von  28,4 Mrd.  auf 849,2 Mrd. Die Armut – was für eine Überraschung – nahm in der gleichen Zeit enorm zu. Wie passen diese zwei Aussagen zusammen? Ich hätte gesagt – gar nicht.




Fast 5 %


Eins ist sicher – die Bedürftigen profitieren von diesem gewaltigen Zuwachs am wenigsten. Sie fungieren lediglich als Alibi für die horrenden Summen. Dank verschiedenen Kampagnen, auf dem Rücken der Armen ausgetragen, denken wir in Verbindung mit Sozialleistungen automatisch an die Hartz-IV- Empfänger. Die Wahrheit ist ernüchternd. Im Jahr 2014 bekamen die 6,03 Millionen „Hartzer“ 41,7 Mrd. Euro. Das sind 4,9 % der gesamten Sozialausgaben.

Wo fließt das Geld hin?


Man könnte dagegen einwenden, dass noch viel mehr Geld für die verschiedenen fördernden Bildungs- und Aktivierungsmaßnahmen ausgegeben wird. Dies muss ich entschieden bestreiten. Die sogenannte  „Abgangsrate in Beschäftigung“ - und somit die Effizienz der oben genannten Maßnahmen - beträgt gerade mal 1,5 %! Getrost könnte man sie also vergessen, was ihre Wirkung für die Arbeitslosen betrifft. Ihnen nutzt das Geld nicht. Weil nicht die Bedürftigen, sondern dubiose Firmen, die die absolut unwirksamen Schulungen anbieten, sich dumm und dämlich verdienen. 

Außerdem verschlingen die Verwaltungskosten immer mehr von den finanziellen Mitteln. Bei der nicht vorhandenen Effizienz kann man diese Ausgaben kaum rechtfertigen. 

Egal, ob gesund oder krank


Eine kranke Person gilt als arbeitsunfähig. Nicht aber, wenn er oder sie zu den Hartz-IV-Empfängern gehört. Ungefähr eine halbe Million leidet unter Sucht. Davon haben 9000 eine Beratung erhalten. Von den 900.000 Betroffenen mit psychosozialen Schwierigkeiten durften sich 20.000 über die Hilfe freuen. Das ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein. 

Dann sind noch diejenigen mit den Schulden – 1,1 Millionen (laut einer DGB-Studie für das Jahr 2012). Die wurden auch mit ihren Problemen allein gelassen, weil eine Beratung lediglich für 32.500 gab. 

Allesamt brauchen eine fachliche Hilfe und kein laienhaftes Herumdoktern.  

Ist Hartz IV noch zu retten?


Das System Hartz IV ist tot und eine Reanimation daher nicht möglich. Obwohl solche Projekte wie Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) in Baden-Württemberg, in dem man die Arbeit und nicht die Arbeitslosigkeit finanziert, Hoffnung machen können. Sie gehören jedoch zu den seltenen Ausnahmen. 

Solange viele an den Armen gut verdienen, wird sich für die Betroffenen nichts ändern. Erst wenn man das Ganze umkrempelt, vom Kopf auf die Füße stellt, und die Arbeitsagentur für die nicht erfolgreichen Vermittlungen zu Zahlungen an die Arbeitslosen verpflichten wird, kommt ein neuer Wind auf und die Bewegung in die Sache. Ein unmöglicher Gedanke? Das muss man mir erst beweisen.

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