Donnerstag, 3. September 2015

Eine überfällige Diskussion

Der nicht endende Strom der Flüchtlinge zwingt uns zur Diskussion über ein Thema, das uns stets begleitet, dennoch zu wenig öffentliche Beachtung fand und immer noch findet: über den Rassismus. Das Problem ist umso größer, weil wir alle dazu neigen, die anderen in irgendeine Schublade zu stecken und mit einer Überschrift zu versehen, was uns hilft, die komplizierte Welt zu ordnen. Hand aufs Herz: Wer tut das nicht? Niemand ist frei von Vorurteilen.


                                                                                       Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Gefährliche Waffe


Was als hilfreiches Ordnungssystem durchaus seine zweifellose Berechtigung hat, mutiert jedoch zu einer gefährlichen Waffe, zu einem Vernichtungswerkzeug, wenn wir es nicht mehr für die Orientierung gebrauchen, sondern für die Stimmungsmache, das Schüren des Hasses, das Hetzen. Vom Orientieren geht man zum Bewerten über, wo es nichts zu bewerten gibt. Wie wollt Ihr überhaupt den Wert abschätzen, wenn es sich um das Menschenleben handelt? Darf man in diesem Zusammenhang über ein unwertes Leben sprechen? Die Nazis haben diese Frage bejaht. Sie sprachen den ganzen Nationen das Recht auf Leben ab. Die bloße Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe entschied über Leben und Tod.

Vor allem Feiglinge


Unser aller Problem  sehe ich darin, dass wir besser sein wollen. Eigentlich ein hehres Ziel. Der Haken an der Sache ist aber, dass es uns nicht reicht, aus Freude am Machen dies zu tun. Wir wollen besser als die anderen sein. Schön wäre es, wenn wir diejenigen trotzdem als Menschen achten würden. Außerdem: Wer in einem gut ist, muss nicht unbedingt in allem glänzen. Manchen von uns ist solch eine Fairness jedoch zuwider. Sie brauchen einen Abstand zum Rest. Dafür müssen die anderen – logischerweise – schlechter sein. Es reicht demnach irgendeine Gruppe mit dem Merkmal „minderwertig“ zu versehen, schon fühlt man sich besser. Die Auswahl geschieht nicht unüberlegt. Man wird sich nicht mit den Stärkeren anlegen. Die Schwachen sollen für diese Aufgabe herhalten. Denn Rassisten sind vor allem Feiglinge. 

Anständige ohne Anstand


Ich behaupte, dass nicht die überzeugten Rassisten das Hauptproblem sind. Die tragen- wenn man so sagen darf - wenigsten ihren Hass offen. Vielmehr muss man sich vor den vielen angeblich Guten vorsehen – ich meine hier nicht die Aber-Rassisten - „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…“. Es geht mir um die wortkorrekten Werteschützer, die Wasser predigen und Wein trinken – also diejenigen, die immer das Richtige sagen, aber das Falsche tun. Sie lassen uns verzweifeln, weil man von ihnen den Anstand erwartet, stattdessen aber den hinterhältigen Rassismus bekommt.

Wie kann man sich vor diesen Anständigen ohne Anstand schützen? Sie sind überall: in der Schule geben sie ihren ausländischen Schülern schlechtere Noten, in der Arbeit lassen sie keine Bewerbungen von den Migranten zu, als Vermieter lügen sie, dass die Wohnung schon leider vergeben ist. Sie warnen gern vor den gefährlichen Pflastern aus einem einzigen Grund: Dort wohnen „Zigeuner“, Türken, Ausländer. Als Politiker täuschen sie Besorgnis vor und prangern ganze Gruppen von Menschen an (wie beispielsweise die sog. Wirtschaftsflüchtlinge), die sich nicht wehren können. Sie alle würden schwer beleidigt, wenn man sie mit Nazis verglichen hätte. Dennoch ist dieser Vergleich berechtigt. Sie handeln in diesem Geist und ihre anders lautenden fadenscheinigen Bekundungen machen dies nicht besser. 

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