Mittwoch, 8. Mai 2024

Die Max-Planck-Gesellschaft, die unfehlbare?

 Die Max-Planck-Gesellschaft freut sich, dass die letzten Wahlen in Polen den "illiberalen Entwicklungen" ein Ende gesetzt haben. Bevor ich mich mit dieser These auseinandersetze, will ich auch meine Freude über die Beendigung der illiberalen Corona-Maßnahmen und die darauffolgenden Wahlen in Deutschland bekunden. 

Das war ein wahrer Retter der christlichen Werte: Bolesław Chrobry. 
Ein Denkmal in Wrocław.

Der gefundene Stock auf den Hund


In ihrem Beitrag mit dem unmissverständlichen Titel "Die Rückkehr zum Rechtsstaat" präsentieren Autoren Armin von Bogdandy und Luke Dimitrios Spieker das Mainstream-Narrativ, das uns über die Jahre ex cathedra oktroyiert wurde. Wobei der Begriff "ex cathedra" wortwörtlich im Sinne der Unfehlbarkeit zu verstehen ist.

Was wurde der PiS-Regierung vorgeworfen? Sie versuchte die Justiz, die noch bis zum Hals im kommunistischen Sumpf steckte, umzubauen. Dieser Umbau sollte angeblich "gegen europäische Vorgaben, insbesondere gegen die Werte des Artikel 2 EUV" verstoßen. Und was sagt der Artikel 2 des EU-Vertrags?
Art. 2
"1. Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. 2. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet."
Eine schöne Grundlage, auf der man die meisten Staaten der EU verklagen könnte. Polen beschuldigt man aber konkret, falsche Richter gewählt zu haben:
„Bei der Umwälzung der polnischen Justiz hat die PiS-geführte Regierung zahlreiche, teilweise politisch loyale Richterinnen und Richter in Verfahren ernannt, die gegen die polnische Verfassung und europäische Werte verstoßen.“
Ist das eine konstruierte Affäre nach dem Motto: Will man einen Hund schlagen, findet man immer einen Stock? Und wenn man schon über Richter-Ernennungen spricht, da müsste man beiden Seiten Vorwürfe machen, auch Donald Tusk, dem vermeintlichen Retter des Rechtsstaates.  Darüber schrieb ich in meinem Post „Kompliziert, komplizierter, das Verfassungsgericht (Trybunał Konstytucyjny) in Polen".

Der Retter, der das Recht bricht


Es gibt ein gewaltiges Problem mit Donald Tusk, dem angeblichen Retter des Rechtsstaates. Tusk hatte zwar stets während des Wahlkampfs die Verfassung auf den Lippen, aber nach der Machtübernahme merkte er, dass das Recht und Gesetz Weile brauchen. Daher verzichtete er prompt darauf und handelte ohne rechtliche Grundlagen.

Ich verfasste einige Posts über dieses Thema wie:


"Der Fall Kamiński und Wąsik oder eine wilde Fahrt mit der Tusk-Achterbahn"


Wenn das ein Retter des Rechtsstaates sein sollte, dann gnade uns Gott (mit allen europäischen Werten)!

Sonntag, 28. April 2024

Engineers have to save the world oder Hannover Messe 2024. Teil 3: Cobot, Robo-Hund und Medi-Drohne


 Automaten, Roboter und die spinnenartigen Drohnen nehmen immer mehr Platz in unserer Umwelt. Deutschland befindet sich auf dem dritten Platz weltweit, wenn es um die sogenannte Roboterdichte geht. Sollen wir sie als Konkurrenten oder Helfer und Retter betrachten?

Anzahl der Roboter in der produzierenden Industrie 
nach ausgewählten Ländern weltweit im Jahr 2022 (pro 10.000 Mitarbeiter)


Ein Cobot ist ein Roboter, der auf den Menschen achtet:

Der Begriff Cobot stammt aus der Verbindung der englischen Worte „Collaboration“ und „Robot“ und beschreibt Roboter, die für die direkte Interaktion/Kollaboration mit dem Menschen konzipiert wurden. Teilen sich Mensch und Roboter einen Arbeitsraum ohne trennende Schutzeinrichtung, wird das auch als Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) bezeichnet.“

Was auch bedeutet, dass der Cobot aufpasst und sich abschaltet, wenn der Mensch ihn berührt oder in seinen Bereich eindringt. 

„Sehen Sie? Er tut mir nichts“, ruft der Messe-Presenter und legt seine Hand auf die Maschine, die sofort erstarrt.


Und mit diesem Robo-Hund kann man spazieren gehen:




Er läuft seinem Herrchen absolut gehorsam hinterher: 


Roboterhunde erfüllen aber schon jetzt viele ernste Aufgaben: sie überwachen, schützen und spucken sogar das Feuer, aber nur im Dienst des Menschen.

Drohnen übernehmen dann die Überwachung aus der Luft. Als überlebenswichtig kann sich der Einsatz von jenen beweisen,  die die Medikamente in unzugängliche Gebiete transportieren. Auf der Hannover Messe stellt eine Firma aus Darmstadt ihre Medi-Drohne vor:




Zurzeit sind sie in Kenia und Malawi unterwegs. 

Vorausgehend:

Engineers have to save the world oder Hannover Messe 2024. Teil 2

 Die Energie stellt die größte Herausforderung der Zukunft dar. Die Produktion,  der Transport und das Speichern der Energie in den Zeiten des rapid wachsenden Bedarfs gehören somit zu den wichtigsten Aufgaben für die Wirtschaft, Wissenschaft und die Gesellschaft. Wir wollen ja auf nichts verzichten und am liebsten, dass alles bleibt, wie es ist, obwohl wir durchaus die Notwendigkeit der Energiewende akzeptieren. 

„Im von der Energiekrise geprägten Jahr 2022 ist die allgemeine Akzeptanz der Energiewende auf 75 Prozent (2021: 70%) gewachsen.“


Ein Lob auf die Spaltung?


Unsere Energie soll also erneuerbar und ausschließlich aus Wasser, Wind und Sonne entstehen. Dass das möglich ist, zeigt spektakulär Norwegen.

„Im Jahr 2023 lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten norwegischen Nettostromerzeugung bei rund 99 Prozent. Die erneuerbaren Energien setzen sich hierbei aus vor allem aus Speicher- und Laufwasser sowie der Windenergie (Onshore) zusammen.“ (Statista)



Wenn es um das Wasser geht, können wir mit Norwegen nicht konkurrieren. Aber im Spalten sind wir auch gut. Das Fraunhofer-Institut präsentiert einen Elektrolyseur, der "die Kosten bei der Elektrolyseur-Fertigung um 80 %" senkt. In 2025 soll er bereit für die industrielle Massenproduktion sein. Auf dem Foto darunter sieht man ein Modell.


Wird der Wasserstoff als Stromspeicher und Kraftstoff der Zukunft-Allrounder sein? 

Andere Akzente


Die Liste erneuerbaren Energiequellen sei nicht vollständig, mahnt soeben der Bundesrat und fordert andere Akzente zu setzen und Biogasanlagen in den Fokus zu rücken:

„Berlin 26.04.24: Heute hat der Bundesrat einen Antrag beschlossen, der die Bundesregierung auffordert, Bioenergieanlagen eine größere Rolle in der Energiewende beizumessen. Der Beschluss ist auch als direkter Auftrag an die Bundesregierung zu verstehen, Nachbesserungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für die Bioenergie vorzunehmen.“

Diese politische Diskussion werden wir noch führen müssen. Schließlich sind wir kein Norwegen.


Fortsetzung kommt.

Vorausgehend;


Nachfolgend:





Freitag, 26. April 2024

Engineers have to save the world oder Hannover Messe 2024. Teil 1

 Was sucht ein Laie oder eine Laiin (Benutzt man überhaupt die weibliche Form?) auf einer Industriemesse wie die in Hannover? Sie schauen sich um und versuchen zu begreifen. Das tue ich auch. Ich hoffe gleichzeitig, Einblicke in die Zukunft zu erhalten, oder anders ausgedrückt – eine Vision.


Kabel und Lego


Gleich zu Beginn stolpere ich über „one cable“, genau genommen stolpert lediglich mein Blick.   


Worum es sich hier handelt, erklärt mir Angela Vogt, bereitwillig und verständlich auch für eine Nichtkundige: Früher brauchte man mehrere Kabel für Servomotoren (Das sind Motoren, die es ermöglichen, „die genaue Position der Motorwelle sowie die Drehzahl und/oder die Beschleunigung zu kontrollieren“). Diese separaten Kabel (Feedbackkabel) übertrugen die Sensoren-Daten. Seit 2011 reicht es dafür nur „one cable“. Beckhoff war ein Pionier auf diesem Gebiet, sagt Frau Vogt. Ich glaube ihr aufs Wort. 


Was mir jetzt ins Auge springt, ist mitnichten eine Werbung der Plattform X (Twitter):


So stellt sich hier das MX-System vor. Schaltschränke ade, her mit den Modulen!  Das Lego-Prinzip lässt grüßen:




Dieses System ist relativ jung; es wurde 2021 entwickelt.

Während ich durch die Hallen schlendere, arbeiten Roboter ununterbrochen. Eigentlich nur zur Schau. Sie werden aber demnächst unsere Arbeit gänzlich übernehmen. Wetten, dass es so kommt?





Nachfolgend:

Teil 3


Samstag, 13. April 2024

Ein Sparvorschlag für den Finanzminister Christian Lindner

 Christian Lindner verlangt andauernd von seinen Ampel-Mitstreitern und von der ganzen Gesellschaft, zu sparen. Unpopulär. Das Ausgeben macht mehr Spaß, was er selbst auch weiß. Trotzdem habe ich einen Sparvorschlag und packe ihn gleich in den Anfang hinein: Lösen Sie bitte, Herr Lindner, Arbeitsämter und Jobcenter auf. Das sind Monster, die ungeheuer viel Geld verschlingen, und sich ihrem Zweck – Arbeit zu vermitteln – gänzlich entfremdet haben.

Natürlich weiß ich, dass Herr Lindner als Finanzminister nicht die absolute Macht besitzt, um schalten und walten, wie es ihm gefällt. Ich will dennoch den monströsen Elefanten ansprechen.


Wovon reden wir?


Wie sieht denn der Elefant aus?

„Die 150 Agenturen für Arbeit mit ihren etwa 600 Niederlassungen setzen die Aufgaben der BA vor Ort um. Außerdem haben die Agenturen gemeinsam mit Landkreisen oder kreisfreien Städten 300 Jobcenter eingerichtet“, so stellt sich unser Monster selbst vor.

Und wo ist das Hirn dieses Wesens?

„Das Service-Haus ist der zentrale interne und operative Dienstleister der Bundesagentur für Arbeit (BA). Mehr als 100.000 Beschäftigte in etwa 450 Dienststellen (Agenturen für Arbeit und Jobcenter) der Bundesagentur für Arbeit verlassen sich täglich auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BA-Service-Hauses.“

Aha. 

Der Zahlenunterschied – im Zitat oben 600, unten 450 -, der ins Auge sticht, lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass eine Niederlassung nicht unbedingt selbständig sein muss, eine Dienststelle dagegen schon.

Was habe ich aber gegen Elefanten? Nichts, solange sie in der Wildnis leben und nicht mitten in der Arbeitswelt toben.

Hokuspokus Fidibus …


Stellen wir uns jetzt kurz vor, dass wir einen Zauberstab besitzen, und wir die eben geforderte Auflösung auf magische Weise mit einem Wink erledigen. Welchen Gewinn hätte uns diese Handlung beschert? Zählen wir auf:

- Abbau der Bürokratie, die die Wirtschaft und Arbeiterschaft lähmt und für die Zukunft einen riesigen Klotz am Bein bedeutet, 
- enorme finanzielle Ersparnisse, die diese nutzlose Institution für den Erhalt eigener Existenz verbrät. 
- viele Gebäude, die schnell in Wohnungen umgewandelt sein können,
- ein Schar von Arbeitskräften, die woanders gut und sinnvoll gebraucht werden.

Wie kommen dann aber Unternehmer und Arbeiter zusammen? Genauso wie jetzt, ohne Vermittlung von der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter.

Wer zahlt dann das Arbeitslosengeld oder Bürgergeld aus? Das könnten z.B. Sparkassen übernehmen. Sie verfügen über ein imposantes Netz.

Läuft das im Endeffekt nicht auf das Bedingungslose Grundeinkommen hinaus? Wahrscheinlich, aber das BGE wird in den automatisierten digitalisierten KI-Zeiten sowieso notwendig. 

Sonntag, 31. März 2024

Kompliziert, komplizierter, das Verfassungsgericht (Trybunał Konstytucyjny) in Polen

 Im April wird der Sejm, das polnische Parlament, über die Reform des Verfassungsgerichts (Trybunał Konstytucyjny) debattieren. Das Projekt der Tusk-Regierung verspricht eine Lösung der rechtlichen Fragen auf eine "objektive und apolitische Art". Damit meinen die Autoren des Projekts in Wirklichkeit einen Kahlschlag. Denn die aktuelle Situation erfordere eine neue Schöpfung, behaupten sie. In diesem Punkt unterscheiden sie sich kaum von ihren Vorgängern. 


Image des Feindes


Im Gedächtnis von den meisten ausländischen Beobachtern der polnischen politischen Szene blieb mit großer Wahrscheinlichkeit das Bild der ehemaligen PiS-Regierung haften, für welches nicht zuletzt Donald Tusk in seiner Position als Präsident des Europäischen Rates und Vorsitzender der EVP gesorgt hat. Keineswegs handelt es sich um ein schmeichelhaftes Image.  Auf allen Kanälen, darunter auch den deutschen, wurde es nachdrücklich vor der PiS und insbesondere vor Jarosław Kaczyński, den man zum Lieblingsfeind stilisierte, gewarnt: sie wollen eine Diktatur einführen. Diese, allem Anschein nach, gut orchestrierte Kampagne eignet sich bestens für Verschwörungstheorien. Bleiben wir aber bei den Fakten.

Unterm Kriegsrecht geboren


Das Datum des Gesetzes, welches das polnische Verfassungsgericht ins Leben rief, ist geschichtsträchtig – 26.03.1982. Im kommunistischen Polen herrschte damals das Kriegsrecht – ein bis heute nicht gänzlich aufgearbeitetes Kapitel der Nachkriegsgeschichte. Seine Arbeit nahm das Gericht 1986 auf. 

Überspringen wir jetzt einige Jahrzehnte und den Zerfall des Warschauer Pakts und gehen wir zum Anfang des heutigen Konflikts über, zu dem 8.10.2015. Es herrschte zu der Zeit die Tusk-Partei PO (Bürgerplattform) in der Koalition mit der PSL (Polnische Volkspartei). Tusk selbst hat seinen Premier-Posten an Ewa Kopacz weitergereicht und eilte bereits 2014 zur EU.

Am besagten 8. Oktober wählte der Sejm mit der Mehrheit der regierenden Koalition (PO und PSL) fünf neue Nachfolger von Verfassungsrichtern, deren Amtszeit demnächst endete. Aber nicht gleichzeitig. Für drei war das bereits am 6.11.2015 der Fall, für zwei erst im Dezember.

Wechsel am Ruder


Inzwischen fanden in Polen die Wahlen statt - am 25.10.2015. Die PiS-Partei hat gewonnen und das Ruder übernommen. Am 25.11.2015 verabschiedete sie im Sejm ein Gesetz, das die Wahl der Richter vom 8.10. für unwirksam erklärte. Am 2.12.2015 wurden fünf neue Richter gewählt, die diesmal die PiS vorgeschlagen hat. Von diesen Richtern nahm dann Präsident Andrzej Duda den Eid ab.

Bereits am 3. Dezember 2015 meldete sich der damalige Präsident des Verfassungsgerichts Andrzej Rzepliński zu Wort und stellte fest, dass die Wahl (am 8.10.) der zwei Nachfolger für Richter, dessen Amtszeit erst im Dezember endete, gegen die Verfassung verstieß. Da wollte die Tusk-Koalition „ihre“ Richter unbedingt durchsetzen, koste es, was es wolle. Im Nachhinein spielt Donald Tusk dennoch ein ganz unpolitisches Lamm vor. 

Rzepliński verlangte auch, dass Präsident Duda alle gewählten Richter vereidigt, was bekannterweise jedoch nicht geschah.

„Dieses Urteil hebt in keiner Weise die Gesetze des Sejms auf. Die Gesetze behalten ihre Rechtskraft und der Präsident von Polen setzt sie um“, kommentierte Andrzej Duda.

Worum geht es hier also? Mitnichten um ein paar Richter-Posten. Es war und bleibt kompliziert, denn am Ruder steht erneut das Tusk-Team. 

Die Fortsetzung des Verfassungsgericht-Dramas folgt. Der nächste Aufzug ist bereits für den 10. April im Sejm angekündigt.

Mittwoch, 20. März 2024

Das Problem mit dem Kapitalismus

 "Der Kapitalismus ist nicht das Problem", schreibt Marcel Fratzscher in seiner Zeit-Kolumne. Meine klare Meinung dazu: Jein.


Bilderbuch-Kapitalismus und Notfall


Es stimme nicht, betont Fratzscher, dass Kapitalismus die Nachhaltigkeit verhindere, die doch "Degrowth, also eine schrumpfende Wirtschaft" erfordere. Alles nur ein Missverständnis, meint Fratzscher, denn der wahre Kapitalismus bedeute einfach, "dass nicht primär der Staat, sondern Menschen und Unternehmen die Entscheidungen über die Verteilung knapper Ressourcen wie Kapital und Beschäftigte treffen, und dass der Preis für Güter und Dienstleistungen ein wichtiger Mechanismus dafür ist."

Dieser oben beschriebene Bilderbuch-Kapitalismus hat mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun. Denn er setzt absolute Fairness und Transparenz voraus, wie in einem imaginären Spiel, indem sich alle an die vorgegebenen Regeln halten, sich gegenseitig wertschätzen und Resultate widerstandslos akzeptieren. In dieser Welt wären Anwälte und Richter arbeitslos.

Das weiß Marcel Fratzscher natürlich auch, dennoch sieht er darin kein Systemfehler des Kapitalismus: „Ein Marktversagen rechtfertigt nicht die Abschaffung des Marktes, sondern erfordert ein Eingreifen des Staates, um ein solches Versagen zu verhindern.“

Aha, der Staat müsse im Notfall doch einspringen.  Kenn' ma alles scho!

Mehr, schneller, effizienter


Ich fragte bereits hier in einem früheren Post „Wohin mit dem Wachstum?“. Die Frage bleibt nach wie vor bestehen. Schauen wir uns also nochmals das erste Gebot des Kapitalismus an. Seine dunkle Seite heißt Überproduktion. Wir ersticken unter den Müllbergen, die uns der Kapitalismus mit seinem ungebremsten Wachstum beschert. Er kann einfach nicht anhalten.  

Der Kapitalismus fragt eben nicht nach Sinn und Zweck, er betreibt auf eine narzisstische Art die Nabelschau. Das einzige, was ihn interessiert, lässt sich mit ein paar Komparativen beschreiben:  mehr, schneller, effizienter. Es sind keine schlechte Ansprüche an sich. Unter den glatten Formulierungen verbirgt sich jedoch ein inhumaner Kern. Der Kapitalismus interessiert sich nämlich grundsätzlich nicht für den Menschen. Der Wohlstand ist nicht sein Ziel, sondern eine Nebenwirkung.

Daher betrachte  ich die These, dass ein funktionierender Kapitalismus Freiheit für jeden Einzelnen bedeute, für eine der größten Illusionen. 

Freiheit? Welche Freiheit?


Damit das ganz klar ist, ich befürworte weder den Kapitalismus, noch den (früher real existierenden) Sozialismus oder Kommunismus. Sowohl Kapitalismus, der angeblich jedem Einzelnen Freiheit verspricht, als auch der Kommunismus, für den die einzelne Person bedeutungslos ist, instrumentalisieren den Menschen für eigene Zwecke. Kapitalismus reserviert Freiheit für jene, die dafür genug Geld haben, Kommunismus – für die, die genug Macht in dem undemokratischen System besitzen. Die Situation des sogenannten normalen Bürger ließe sich also in beiden Systemen in diesem Punkt vergleichen. 

Wer holt uns hier raus?


Die Lösung der Polykrisen, an die der Kapitalismus chronisch leidet, "erfordert keine Abschaffung des Kapitalismus, sondern Reformen der Demokratie als politisches System", diagnostiziert Fratzscher.

Moment mal! Nicht die Demokratie ist krank, sondern der Kapitalismus. Er ist dafür verantwortlich, dass "die soziale Ungleichheit innerhalb von Gesellschaften" zunimmt. 

Ich stimme dennoch zu, dass wir auf jeden Fall Reformen brauchen. Ich glaube, dass der Weg durch die Überwindung der Einseitigkeit führt. Die Mischung machts: die drei Grundformen von Wirtschaften, Agieren und Zusammenleben - privat, genossenschaftlich und staatlich - sollten vielleicht gleichberechtig die Grundlage der Zukunft bilden. Wobei der Staat aus verschiedenen Gründen für die Daseinsvorsorge verantwortlich sein muss. Dazu zähle ich auch die Bildung.