Freitag, 13. April 2018

Vorurteile und Gegengift

Vorurteile haben keinen guten Ruf. Die politische Korrektheit fürchtet sie, wie der Teufel das Weihwasser. Dennoch haben wir sie alle. Auch diejenigen, die sich selbst als weltoffen und tolerant verstehen.


                                                                               „Wir wären gut - anstatt so roh ...“

Biologie der Vorurteile


Die Psychologie liefert uns hierbei  die beste Entschuldigung: Wir können uns fein herausreden, dass wir in dieser Hinsicht einem grundsätzlichen biologischen Mechanismus unterliegen - der Angst gegenüber dem Unbekannten, dem Fremden. Nach dem Motto: Ich kann nichts dafür, ich habs in den Genen. 

Sind wir also freigesprochen und dürfen unsere Vorurteile pflegen und hegen? Darauf habe ich eine politisch unkorrekte Antwort: Es hängt davon ab, was wir mit unseren Vorurteilen veranstalten. Übrigens gibt es auch positive, wie zum Beispiel, dass Deutsche fleißig sind. Was man sehr wohl anzweifeln darf, weil… ähm… lassen wir es lieber. 

Weiterhin bedarf es meines Erachtens einen lockereren Umgang mit diesem Thema, damit man Menschen mit Vorurteilen nicht vorverurteilt. Daher plädiere ich für Diskussionen ohne Tabus, was jedoch keineswegs bedeutet, dass wir alle gesellschaftlichen Schranken aufheben sollen.  Eine Gesellschaft muss – bei aller Liebe zu Debatten – die Grenzen klar definieren und die Überschreitungen auch ahnden.  

Ein natürliches Gegengift


Wir kommen auf die Welt ebenso ausgestattet mit der Fähigkeit zur Empathie. Ist es nicht wunderbar, dass uns die Natur ein Antidot, ein Gegengift mit auf den Weg gibt? 

Ein Blick auf die ungeschminkte Realität entreißt uns aber gleich einen verzweifelten Seufzer: Wo bleibt denn jene Empathie? Das hat einerseits etwas mit der Erziehung zu tun, behauptet Grit Hein, Professorin für Translationale Soziale Neurowissenschaften, in einem Gespräch in der "Frankfurter Allgemeine Woche":

"Die Empathiefähigkeit des Kindes wird sowohl durch mangelnde Fürsorge als auch durch Überbehütetsein beeinträchtigt, weil beides ein Ausdruck mangelnder Empathie gegenüber den Bedürfnissen des Kindes ist."

Wer ist für die Verhältnisse verantwortlich?


Wer aber jetzt auf den Eltern herumhacken und sie für schuldig erklären will, der irrt. Eltern leben doch nicht in einem Vakuum. Nach wie vor gilt die These von Bertolt Brecht: 

„Wir wären gut - anstatt so roh, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“

Ausführlicher formuliert es Grit Hein folglich:

"Ein Mangel an Empathie in einer Gesellschaft sagt in erster Linie etwas über die Gesellschaft und erst in zweiter Linie etwas über den Menschen. Menschen sind empathisch, wenn es vom sozialen und gesellschaftlichen Umfeld ermöglicht und gefördert wird.“

Für das soziale und gesellschaftliche Umfeld, also für die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist die Politik an der Macht verantwortlich. Die Verantwortung steigt mit der Position und dem Einflussbereich. Da haben wir unsere Schuldigen. Vorverurteilt!

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