Freitag, 8. Dezember 2017

Wenn sich die Wissenschaft an den Mäuseschwanz festbeißt

Noch hat kein Elefant einen Nobelpreis bekommen - und ich bezweifle, dass wir in der nächsten und weiteren Zukunft solch ein Ereignis erwarten dürfen -, obwohl sein Hirn riesig ist, folgerichtig also auch Riesiges leisten müsste. Dies schaffte dagegen ein wesentlich kleineres Denkorgan des menschlichen Genies wie das von Alfred Einstein.




Das Eine und das Andere


Was hat aber ein Elefant mit Einstein zu tun?  Nichts. Ich hole weit aus, um einmal mehr zu betonen, dass die Biologie das Eine und die Psyche das Andere ist.  Sie wachsen zwar zu einer psychosomatischen Einheit zusammen, jedoch lässt sich diese Einheit nicht ausschließlich biologisch beschreiben und untersuchen. Genauso wenig, wenn wir aus den Untersuchungen vom Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) die Rückschlüsse über die Eigenschaften vom Wasser (H2O) gezogen hätten.

Es gibt dennoch Forscher, die nach wie vor versuchen zu beweisen, dass der Aufbau des Gehirns darüber entscheidet, ob ein Mensch als ein Krimineller, ein Genie oder ein Irre auf die Welt kommt. Allesamt werden sie scheitern. Eine derartige Korrelation existiert nur in den Wünschen von Wissenschaftlern, die den Menschen mit der Maschine verwechseln. Dieser Überzeugung huldigten auch die Erfinder der schrecklichsten Auswüchse in der Medizin wie Lobotomie.

Mäuse und Menschen


Zurzeit untersuchen Forscher, ob ein psychisches Trauma vererbt wird. Dabei übertragen einige von ihnen die Erkenntnisse, die sie an Mäusen gewonnen haben, auf Menschen.  Da muss ich, sorry, lachen. Hier beißt sich die Wissenschaft an den Mäuseschwanz fest. 

Ein bisschen verstehe ich jedoch jene Sehnsucht, die hinter derartigen Ideen steckt: den Menschen als eine Maschine zu betrachten und einfach reparieren, wenn er nicht funktioniert – also hier ein Gen herausschneiden, dort nur verändern und schon läuft alles wie gewünscht. Es handelt sich um die gleiche Sehnsucht, die zu überzeugen versucht, dass man mit Medikamenten psychische Probleme und Krankheiten lösen kann.

Alkohol und Marihuana tun es auch


An dieser Stelle will ich aus meinem Buch „Wozu soll das gut sein?“ zitieren:

„Ich bezweifle, dass man psychische Probleme mit den chemischen Stoffen beseitigen kann. Es ist zwar gut möglich, dass die Tabletten den Schmerz der Seele betäuben oder lindern. Kurzfristig, vorübergehend. Die gleiche Funktion erfüllen jedoch auch die zugelassenen und nicht zugelassenen Drogen: Alkohol, Marihuana, Koks und weitere Erfindungen des Menschen, die die Flucht aus der Realität ermöglichen oder erleichtern. Einige von ihnen besitzen sogar den Vorteil, dass sie eine ausschließlich pflanzliche Herkunft vorweisen.  
Die Psychopharmaka benebeln hauptsächlich den Verstand, wie die Drogen es auch tun. Ich habe in der Klinik beobachtet, wie die Patienten danach lallen, schief auf den Stühlen hängen oder überhaupt nicht aus dem Bett herauskommen. Sie sehen und riechen Dinge, die es nicht gibt. Ihre Gesichter schwellen an, ihre Bäuche dehnen sich wie aufgepumpt auf. Ihr Gang verändert sich, wie auch ihre ganze Art. Sie werden zu Zombies – weder lebendig noch tot -, die von der Umgebung nicht viel mitbekommen.“

Wir sind kompliziert


Wir sind – Gott sei Dank – keine Maschinen. Zu den einzigartigen Menschen – jeder einzelne von uns – werden wir erst geformt von allen und allem, was auf uns wirkt. Vom Guten, das uns widerfährt, und  - leider noch mehr – vom Bösen, das uns verletzt oder zerstört. Dazu kommt es, dass die beiden Kategorien nie eindeutig sind, genauso wenig wie ihre Wirkung. 

Wir als Personen entstehen in einem Prozess vom ersten bis zum letzten Atemzug. Um diese höchstkomplizierte Verflechtung zu durchschauen und herauszufinden, was schief gelaufen ist, braucht man Zeit. Viel Zeit. Wie auch für eine Psychotherapie. 

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