Freitag, 10. Februar 2017

Die fernen nahen Nachbarn oder Fehler ohne Folgen

Blickt noch jemand durch, was in Polen los ist? Ab und wann kommen von dort mehr oder weniger erschütternde Nachrichten. Und neulich besuchte das Nachbarland Angela Merkel. Sie schaut sich gerade nach Verbündeten um. In Polen hat sie unter anderen mit Jarosław Kaczyński gesprochen, dem Strippenzieher und Vorsitzenden der regierenden Partei, die sich Recht und Gerechtigkeit nennt (PiS). Spätestens in diesem Moment gerieten Anhänger der deutlichen Frontlinien hierzulande ins Stocken. Sind die Regierenden von drüben die Guten oder die Schlechten? Etwas Licht ins Dickicht bringt eine sachliche Analyse der Machthaber in Polen von Jerzy Nizinkiewicz, einem Journalisten der polnischen Zeitung „Rzeczpospolita“.


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Streicheleinheiten für PiS


Zuerst zeigt Nizinkiewicz viel Verständnis:

„Die Regierung von Beata Szydło hat nicht leicht. Vom ersten Tag an wurde sie nicht nur von den politischen Gegnern, sondern auch vom bedeutenden Teil der Medien rücksichtslos kritisiert. Sehr schnell sprach man über Ähnlichkeiten mit Bolschewismus, Autoritarismus und Diktatur. Das sind unaufrichtige und verletzende Behauptungen.“ 

Dann hebt er die Verdienste der PiS-Regierung hervor:

„Egal, ob man für oder gegen die PiS ist, muss man zugeben, dass die Partei von Jarosław Kaczyński konsequent handelt und die Mehrzahl seiner Versprechungen einhält. Selbstverständlich nicht alle, aber niemand darf dies nach eineinhalb Jahren verlangen.“

Nach den Streicheleinheiten stellt er jedoch eine Frage, die ich in gleicher Form in meinem Blog auf Deutschland bezogen verwendete, „Wenn es so gut ist, wieso ist es so schlecht?“ 

Die eigenen Leute versorgen!


Überraschend zügig übernimmt die PiS gleiche Rollen, die ihre Gegner aus der Bürgerplattform (PO) davor spielten, und wiederholt die gleichen Fehler der vorhergehenden Regierung der Koalition PO und PSL (Polnische Volkspartei). Auf Unverständnis muss dabei stoßen, dass die PiS heutige Proteste kritisiert, trotz früherer eigener aggressiver Art der Demonstrationen. Dieser Vorwurf gehört noch zum leichten Kaliber. 

Schwerer wiegt die Beschuldigung der Vetternwirtschaft, die die PiS doch entschieden bekämpfen wollte. Jetzt besetzt sie mit eigenen Leuten staatliche Gesellschaften. Zuletzt publizierte die Wirtschaftszeitung „Puls Biznesu“ eine Liste mit 1000 Namen von Menschen, die derartige lukrative Posten bekommen haben. Das Ausmaß von dieser Aneignung des Staates ist größer als bei den dafür scharf kritisierten Vorgängern. 

„Propagandistisches Gestammel“


Die PiS wollte den Menschen mehr zuhören und die Kommunikation mit den Medien verbessern. Daran scheitert sie bis jetzt, wie auch die vorgängige Regierung. 

„Propagandistisches Gestammel“ – so nannte das Treffen von  Kommunalpolitikern Jacek Sasin, Mitglied der regierenden PiS und masowischer Wojewode (vergleichbar mit einem Ministerpräsidenten hiesigen Bundeslandes). Nur weil sich die Versammelten gegen die PiS-Erweiterungspläne von Warschau ausgesprochen haben. 

Jerzy Nizinkiewicz, der seinen Artikel mit dem Titel „Arroganz und Hochmut vernichten die Partei an der Macht“ versieht, formuliert sein Fazit folgend: 

„Ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, dass Kaczyński versagt hat, oder dass sich die PiS auf dem Weg vom Verlust der Macht befindet. Die Partei an der Macht begeht Fehler, nicht nur in der Kommunikation, auch taktische Fehler, was aber nicht bedeutet, dass die Tage der Regierung von Beata Szydło gezählt sind. Im Gegenteil. Die Konservativen arbeiten immer besser zusammen, Ende 2017 wird ein wirtschaftlicher Aufschwung erwartet. Die Opposition stolpert indessen über die eigenen Füße. Auch wenn Kaczyński Fehler macht, gibt es niemanden, mit wem er verlieren könnte. Wie es scheint, wird es sich in dieser Hinsicht noch lange nichts ändern.“

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