Donnerstag, 1. September 2016

Wir schaffen das. Oder doch nicht?

Das war ein Satz, der unter die Haut ging. „Wir schaffen das“, sagte die Bundeskanzlerin Merkel vor einem Jahr und eroberte damit unsere Herzen.

„Noch im Juli hatte Merkel dem palästinensischen Flüchtlingsmädchen Reem gesagt: "Wir können nicht alle aufnehmen." Was ist seitdem in Merkel gefahren? – wunderte sich damals zeit.de - Die Antwort lautet: die Realität. Plus ein großer Schuss Weltgeschichte – die Krisen im Nahen und Mittleren Osten sind auch Folgen der europäischen Kolonialpolitik, die Umbrüche auch ein Echo auf den 11. September. Plus vielleicht ein Schuss Gefühle. Beinah stündlich kommen in der Woche danach Flüchtlinge in München an.“


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Was bedeutet „das“?


Nach einem Jahr ist die Frage berechtigt, was wir eigentlich schaffen sollen und wollen. Das ist eben der Knackpunkt in dem schönen Satz von Merkel. Wenn wir nicht konkretisieren, worum uns geht, bleibt nur eine zynische Wischiwaschi-Aussage übrig: irgendwas schaffen wir doch immer.

Das reicht mir nicht. Denn ich will genau wissen, was mit den Menschen, die hierher kommen, passieren wird. Wie soll sich ihr Leben in Deutschland gestalten? Welche Chancen bekommen sie und welche werden ihnen verwehrt? Ob sie mit der traditionellen Ablehnung der sogenannten Aufnahmegesellschaft stets kämpfen müssen? Ob sie ausgeschlossen und diskriminiert werden?

Was für ein Ziel verfolgt also die Politik den Flüchtlingen gegenüber? Sollen sie wie gleichwertige Bürger behandelt oder als Freiwild – billige und willige Arbeitskräfte - rausgequetscht und ausgebeutet werden? Das passiert eben zurzeit: Viele Flüchtlinge arbeiten unter schlechten Bedingungen schwarz.

Warten auf Godot?


Die, die hierher kommen, hoffen auf ein besseres Leben und wollen sich dafür auch anstrengen. Es passiert aber vorerst nichts. Sie müssen warten. Auf diese Weise vergeudet man kostbare Zeit, zerstört leichtsinnig die Träume und stellt die Neuankömmlinge auf eine unnötige und harte Probe. Sie verstehen nicht, worauf sie warten sollen. Auf Godot? Bekannterweise war das Warten im Stück von Samuel Beckett vergeblich.

Die, die hierher kommen, wissen nicht, dass Deutschland strukturelle Probleme hat und dass die hiesige Politik nicht imstande ist, sie zu lösen. Sie kennen ein schlimmeres Gesicht der Armut als die Menschen von hier und ahnen nicht, dass sie größtenteils zu den Verlierern gehören werden, was ein genauso schweres Schicksal bedeutet, wie das in ihrer Heimat.

Man lässt sich hier eben Zeit, als ob wir in der alten Epoche lebten, in der man sich nur zu Fuß und mit Kutschen fortbewegte, und nicht in der sich rasant entwickelten digitalen Welt. Man bemüht sich hierzulande die Dinge per Hand zu steuern. Man zementiert die feudalen Verhältnisse, achtet penibel, dass sich die Schichten nicht vermischen, und regiert nach Gutsherrenart.

Werden wir endlich solidarisch?


Auf welchem Weg werden wir in die Zukunft schreiten? „Weiter so“ bedeutet einen Stillstand und bringt uns nicht voran, genauso wenig wie kosmetische Veränderungen, die an existierenden Zuständen nicht wirklich rütteln.  Die Gesellschaft driftet inzwischen immer mehr auseinander. 

Wir hätten aber endlich den Kurs wechseln und die sogenannte Flüchtlingskrise zum radikalen Umbau des Staates nutzen können. 

Als Erstes lösen wir die deutschen Guantanamo-Einrichtungen – die Jobcenter – auf: Wer sie geschaffen hat, kann sie auch abschaffen.  Sie werden nicht mehr gebraucht. Jede/jeder Arbeitslose, der arbeiten will, bekommt innerhalb eines Monats ein zumutbares Angebot, sonst muss die Arbeitsagentur bezahlen: Das Arbeitslosengeld steigt monatlich um 100 Euro. Wetten, dass wir dann keine Arbeitslosigkeit haben?

Im gleichen Schritt verbieten wir sowohl ausgiebige Bewerbungsunterlagen als auch die unsinnigen entsprechenden Kurse. Ein Lebenslauf muss reichen. 

Wir erheben zum Prinzip „learning by doing“ – Lernen durch Handeln – und lassen an den Schnittstellen zu Wirtschaft, Dienstleistungen und Unis verschiedene Möglichkeiten der Weiterbildung neben dem Job und ohne Diskriminierung entstehen.

Wir führen eine Obergrenze für Managergehälter ein: 10 mal so viel wie der niedrigste Lohn dürfen sie verdienen, nicht mehr. Wetten, dass wir keine Probleme mehr mit Niedriglöhnen haben?

Wir werden endlich solidarisch, lassen alle in die Bürgerversicherung einzahlen und finanzieren menschenwürdige Renten aus den Steuern. Wir lassen niemanden hängen. 

Oder wir gehen gleich zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) über. Deutschland ist ein reiches Land, das diese Herausforderung schaffen kann. Ja, das können wir wirklich schaffen, statt die Neuankömmlinge gegen die „altansässigen“ Massen von Armen auszuspielen.

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